Wenn Fachkräftemangel zu Filialschliessungen führt
Der Fachkräftemangel spitzt sich zu. Wer macht in Zukunft die Arbeit auf der Baustelle oder in der Werkstatt?
23. März 2025 Gerold Brütsch-Prévôt
Fachkräfte sind rar: Elektriker bei der Arbeit.
Der Fachkräftemangel grassiert auch im Ustermer Gewerbe. Wer will heute noch Gipser werden? Oder Maurer? Elektroinstallateurin, Kaminfegerin? Die Gründe dafür, dass diese Jobs weit hinten in der Berufshitparade ein tristes Dasein fristen, sind vielfältig. Die Eltern beeinflussen die Ausbildung ihrer Kinder stark – und diese sehen ihre Söhne und Töchter eher weniger auf der Baustelle. Der Run aufs Gymnasium ist ungebrochen, was dazu führt, dass viele landen, wo sie eigentlich nicht hingehörten. Die Berufsverbände haben sogar festgestellt, dass Oberstufenlehrpersonen und Berufsberater/innen Jugendlichen davon abraten, einen gewerblichen Beruf zu wählen. Aber nicht nur: Hitze, Kälte und der raue Ton auf den Baustellen schrecken viele Jugendliche ab. Oft sind auch die Arbeitsmodelle der Unternehmen noch etwas rückständig, und die Ansprüche der Generation Z kennt man teilweise nur vage vom Hörensagen. Selbst Berufsverbände gestehen mittlerweile zerknirscht ein, dass am Image vieler Berufe noch gearbeitet werden müsse.
Wo führt das hin?
Das führt beispielsweise dahin, dass Filialen geschlossen werden müssen und die Nahversorgung mit gewerblichen Dienstleistungen ausgedünnt wird. René Schmid, Geschäftsführer der Elektro Oberland GmbH und Vorstandsmitglied des Ustermer Gewerbeverbandes, versucht alles, um Fachkräfte anzulocken und sein Unternehmen für Stellensuchende attraktiv zu machen. So hat er seit Langem die Vier-Tage-Woche eingeführt – allerdings hat das praktisch nichts ausgelöst, der grosse Run blieb aus. «Gerade im Tösstal finde ich keine gut ausgebildeten Arbeitskräfte», sagt Schmid resigniert. Die Konsequenz daraus ist, dass er die Filiale in Bauma schliessen muss und sich nun auf Uster konzentriert. Hier soll es besser werden. Die Bezirkshauptstadt hat das grössere Potenzial, ist gut erschlossen, schneller erreichbar. Elektro Oberland ist seit diesem Jahr an der Brauereistrasse ansässig, in den ehemaligen Büros des Baugeschäfts Ott, das seinen Betrieb eingestellt hat.
Schlechte Prognosen
Das Bildungsniveau in der Schweiz steigt stetig an, die Akademisierung der Gesellschaft ist also im vollen Gange. Seit diesem Jahr werden erstmals mehr Personen eine Hochschule oder eine höhere Berufsbildung absolviert haben als ausschliesslich eine Lehre. In gut zehn Jahren wird es mehr als die Hälfte der Bevölkerung sein, wie der Bundesrat prognostiziert. Solange die Ausbildung der Nachfrage hochgebildeter Fachkräfte auf dem Arbeitsmarkt entspricht, also für «Nachschub» sorgt, ist das auch in Ordnung. Problematisch wird es erst, wenn keine Berufsleute mehr ausgebildet und Handwerkerinnen und Handwerker zur Mangelware werden. Dieser Punkt ist nun erreicht.
«Schweizweit fehlen rund 6000 Elektrofachleute», sagt Schmid. Aber auch er ist ratlos und hat keine Patenlösung dafür, wie diese Stellen schnell besetzt werden könnten. Erschwerend ist, dass aus Sicherheitsgründen nur solche eingestellt werden könnten, die in der Schweiz ausgebildet wurden. Ein zentraler Ansatz sei, sich von veralteten Bildern der Baustellen und des Gewerbes zu lösen. «Offenheit, gegenseitiger Respekt und eine angstfreie Fehlerkultur sind entscheidend, um die junge Generation anzusprechen und für gewerbliche Berufe zu motivieren», betont Schmid. Die grosse Herausforderung bestehe nun darin, diesen Wandel klar und überzeugend zu kommunizieren.
Gerold Brütsch-Prévôt
Redaktioneller Mitarbeiter Zürcher Wirtschaft
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