Weihnachtsfilme à gogo für Sofakönige

Was machst du an Weihnachten?» «Ich bleib zu Hause.» Heisst übersetzt: Ich gebe mich dem Binge Watching oder Komaglotzen hin. Nun ja, wo eine Nachfrage, da ein Angebot: Die Film- und Streaming-Industrie hat längst erkannt, dass Weihnachten nicht nur ein besinnliches Fest ist, sondern auch eine lukrative Goldgrube. Insbesondere das Bedürfnis nach weihnachtlicher Romantik inmitten des glühweingetränkten Glitzer- und Lametta-Rummels scheint unersättlich zu sein: Allein aus 40 Weihnachtsfilmen kann man bei Netflix unter «Romantische Filme» auswählen.

Oft verlieren sie sich in einer endlosen Schleife romantischer Klischees und sind sich so ähnlich wie Zwillinge im Rentierpulli. Ein vermeintlicher Zufall führt zwei Menschen zusammen, die sich anfangs nicht ausstehen können. Ein armer Single und eine ambitionierte Karrierefrau mit harter Schale aber weichem Herzen, finden plötzlich die Liebe ihres Lebens während der festlichen Feiertage – nervige Freunde, misstrauische Eltern, ein provinzielles Kaff oder der Exfreundin zum Trotz, kulminiert die Romanze im obligaten Kuss unter dem Christbaum. Wieder und wieder.

Der Feelgood-Weihnachtsfilm hat auch sein Gutes: Er vermag Alt und Jung kurz vom Kauf- und Konsumrausch, von Smartphones und neuen Spielzeugen abzulenken. Und tatsächlich gibt es unter den Weihnachtsfilmen Klassiker, die der Dopaminsucht nach neuen, glitzernden Reizen und neu gestrickten Liebesszenarien trotzen: Dazu gehören etwa Sissi, Kevin allein zu Hause oder Charlie und die Schokoladenfabrik. Auch Dinner for One an Silvester vereint die Familie vor dem Fernseher wie einst die Höhlenmenschen vor dem Feuer. Auch wenn längst nicht mehr – oder nur aus Höflichkeit – gelacht wird.

Am hellsten strahlt ein anderer Stern am Weihnachtshimmel: «Drei Haselnüsse für Aschenbrödel». Der erfolgreichste Weihnachtsfilm aller Zeiten trotzt allen Klischees und verzaubert die Zuschauer seit genau fünf Jahrzehnten. Warum? Weil er sich traut, anders zu sein und die gängigen Klischees der romantischen Komödien eigenwillig einsetzt. Die erfrischende Heldin, das verhüllte Aschenbrödel wartet nicht auf den Prinzen, sondern nimmt ihr Schicksal in die Hand. Sie stellt ihn am Hofball vor ein Rätsel, bei dem er zunächst versagt. Mag sein, dass die starke, arbeitende Frau in der kommunistischen Tschechoslowakei auch politisch opportun gewesen sein mag. Gerade diese Umkehr der Rollenstereotypen macht sie heute noch modern. Allein schon der Umstand, dass Aschenbrödel besser reiten kann als der Prinz in Strumpfhosen, macht sie emanzipierter als ihre Vorgängerinnen – befand jedenfalls das Frauenmagazin «Brigitte». Hinzu kommen die Kostüme, die authentische Winterlandschaft – und natürlich die Titelmusik von Karel Svoboda.

Anstatt die gleiche Geschichte in unterschiedlichen Verpackungen zu präsentieren, kann es sich lohnen, mutiger zu sein.

Wadenbeisser

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