Was der Parkplatzabbau bedeutet

Rund 6000 von 33 000 Parkplätzen in der blauen Zone werden in naher Zukunft aus Zürich verschwinden. Besonders betroffen sind die Quartiere Seefeld, Höngg und Wiedikon. Was bedeutet der Abbau fürs hiesige Gewerbe? Die Zürcher Wirtschaft hat sich bei über einem Dutzend betroffenen KMU umgehört.

Anna Birkenmeier

Werden diese Parkplätze im Zürcher Seefeldquartier schon bald Opfer des Parkplatzabbaus?

Wer in der Stadt Zürich einen Parkplatz sucht, hat zumeist schlechte Karten. Was für den Privatverkehr schlicht nervig ist, kann fürs Gewerbe wirtschaftlich Folgen haben. Nicole Barandun, Rechtsanwältin und Co-Präsidentin Die Mitte Zürich sagt dazu: «In Zürich unterscheidet man nicht zwischen Gewerbe und Privatverkehr – das ist ein grosses Problem!» Eine kurze Anlieferung sei zumeist gut möglich, sobald man längere Zeit parkieren müsse, etwa als Handwerker, wird es schwierig. Unsere Umfrage unter mehreren Handwerksbetrieben bestätigt dies: Je nach Uhrzeit und Quartier gehe oft viel (Arbeits)-Zeit für die Suche nach einem Parkplatz verloren. Die Folgen seien Verspätung, genervte Kunden und letztlich wirtschaftliche Einbussen. Barandun kämpft deshalb dafür, dass kreative Lösungen für die Parkplatzproblematik gefunden werden. Etwa mit einer erweiterten Gewerbeparkkarte: «Man könnte Handwerken damit zum Beispiel ermöglichen, dass sie an Orten parkieren dürfen, die nicht als Parkfeld gekennzeichnet sind.» Mit Ihrer Idee stösst die Die Mitte Politikerin bislang auf wenig Gehör; befürchtet wird ein Missbrauch des Sonderrechtes. Das Problem werde schlicht ignoriert, der Blick aufs Ganze fehle, moniert Brandun. «Das Velo geniesst aktuell einen unglaublichen Kultstatus und verhindert die Sicht auf die Gesamtsituation.»

Scheuklappenmentalität

Ähnlich tönt es auch bei Andreas Egli, Gemeinderat der Stadt Zürich. «In Zürich ist der Glaube da: Man braucht in der Stadt doch kein Auto. Es herrscht eine Scheuklappenmentalität, die sich für viele Gewerbler als Hindernis erweist.» Auf politischer Ebene seien denn auch alle Dämme gebrochen, um weitere Parkplätze abzubauen. «Es sind weitere Volksinitiativen in der Pipeline, welche die Problematik zusätzlich akzentuieren werden. Für Gewerbler, die aufs Auto angewiesen sind, wird die Situation in Zukunft nicht einfacher», so Egli. Wer nicht unbedingt ein Auto braucht, steigt zumeist heute schon auf den ÖV um – so wie etwa die Mitarbeitenden der Städeli & Partner GmbH. «Alle unsere Mitarbeiter benutzen den ÖV zur Arbeit und unsere Kunden erwarten keine Firmenparkplätze vor Ort. Für Warentransporte werden Randstunden genutzt», sagt Karin Städeli, dipl. Steuerexpertin, dipl. Wirtschaftsprüferin, Städeli & Partner GmbH. Hört man sich im Detailhandel um, so bereitet vielen der zunehmende Parkplatzabbau vorallem in Hinblick auf ihre Kundschaft Sorgen. «Weniger Parkplätze bedeutet weniger Laufkundschaft und somit weniger Umsatz ergo weniger Profit und folglich auch weniger Steuern», bringt es Roger Riger von Podologie-Riger auf den Punkt.

Es geht um die Existenz!

Für Andreas Egli ist es deshalb an der Zeit, dass die Kosten, welche für das Gewerbe aufgrund der erschwerten Verkehrsbedingungen entstehen, diskutiert werden. «Meines Erachtens besteht hier dringender Handlungsbedarf». Denn mögliche Szenarien für die schwierigen Bedingungen zeigen sich bereits heute. Immer mehr KMU wandern ins Umland ab – die Parkplatzproblematik ist da nur ein Aspekt.

Konsequenzen verschlafen

Der FDP Politiker Egli bemängelt aber auch, dass der angelaufene Parkplatzabbau von Anwohnern und Gewerbe ein Stück weit verschlafen wurde. «Als die Möglichkeit für Einfluss ins politische Geschäft noch da war, hat sich niemand gemeldet. Erst jetzt realisiert man, was da auf uns zukommt.» Zu spät, Einsprachen haben kaum eine Chance, die Projekte sind im Sinne der beschlossenen Gesetze aufgegleist.

Wünsche an die Politik

Und, was wünschen sich die Gewerbler von der Politik? Ehrlichere Kommunikation und konsequenteres Verhalten. «Der Parkplatz-Such-Verkehr belastet die Umwelt und die Quartiere mehr, als wenn genügend Parkplätze vorhanden sind. Aus unserer Sicht müsste die Verkehrsmenge grundsätzlich reduziert werden», so Karin Städeli. Und Esther Pfister, Inhaberin der Stoffwald AG an der Uetlibergstrasse meint: «Was es braucht, ist eine gute Lösung der Stadt zur Erschliessung der Quartiere für die Logistik – nicht aber für den täglichen individuellen Privatverkehr mit einem Auto». Roger Riger wünscht sich, dass das Gewerbe viel mehr in Entscheidungen, die diese direkt betreffen (z.B. Parkplatzsituation) einbezogen werden. «Es müssen endlich wieder zusammen Lösungen gefunden werden und nicht gegeneinander. Schliesslich hat das Gewerbe eh schon keinen leichten Stand und ist auf die Unterstützung und auf praxisorientierte Entscheidungen der Politik angewiesen!»

«Im rot/grünen Zürich gibt es die Zerstörer und die, welche darunter leiden»

Markus Rupper ist Architekt und Präsident des Gewerbevereins Zürich-Wiedikon. Im Interview zeigt er sich enttäuscht von der Stadt Zürich und sagt, was er sich von der Politik wünscht.

Immer mehr Gewerbler wandern ins Umland ab. Was macht die Stadt Zürich falsch?

Die KMU Gemeinschaft ist die tragende Säule unserer Gesellschaft. Lange Zeit wurde vor allem von der Politik in der Stadt Zürich betont, dass man Gewerbe nicht mehr braucht, da ja die soliden Einkünfte von den spekulierenden Banken und grossen Konzernen kommen. Das Gewerbe wäre nur eine Last, bringe Verkehr und Lärm und erreiche nicht die Erträge, um die explodierenden Ausgaben zu schultern. Diese kurzsichtige Handlungsweise ist brandgefährlich – wie man aktuell wieder erfahren hat – wir Gewerbler wussten dies schon lange und haben immer und immer wieder darauf hingewiesen.

Wie stark betrifft die schwierige Parkplatzsituation bereits heute KMU?

Das Gewerbe hat Mitarbeitende und Kunden – beide Gruppen brauchen den Zugang zu den Geschäften. Der Abbau der Parkplätze trifft beide Gruppen hart: die Mitarbeitenden können nicht zufahren und die Kunden nicht das Geschäft erreichen. Die Wohnbevölkerung ist ebenfalls deutlich getroffen, da viele Erwerbstätige mit dem Firmenwagen nach Hause kommen und in ihrem Quartier parkieren müssen.

Was bedeutet der geplante weitere Parkplatzabbau für das Gewerbe?

Es ist das bekannte Prinzip – die Sollbruchstelle – diese wird schleichend erreicht. Einerseits, weil die Betriebe sich genau darüber im Klaren sein müssen, ob eine Zukunft in der Stadt noch möglich sein wird (speziell bei Betriebsübergaben) und die Kunden, ob sie nur noch in Zentren einkaufen wollen. Auf jeden Fall wird ein seit Jahrhunderten praktiziertes, organisches Zusammenleben zunehmend verunmöglicht. Als Folge kann ein Dominoeffekt eintreten, weil die Geschäfte sich in einem Cluster ergänzen – fehlt eines, werden schnell weitere folgen.

Wie nehmen Sie die Rolle der Politik wahr?

Das ist im rot/grünen Zürich einfach gesagt: da gibt es die Zerstörer und die, welche darunter leiden. Es wurde vor Kurzem der Richtplan genehmigt, der seinem Namen gerecht wird. Er richtet, ob die gewerbliche Struktur erhalten bleibt oder ob die Stadt Zürcher Politik sie nicht mehr will. Im schlimmsten Fall könnte der Stadtrat mit einem Federstrich alle Parkplätze auflösen, er könnte aber auch – so ist es im Richtplan vorgesehen – Parkhäuser bauen.

Als Präsident des Gewerbevereins Wiedikon – was wünschen Sie sich von der Politik?

Diese Frage ist einfach zu beantworten – es sollen alle in einem Stadtkörper bestehenden Interessen berücksichtigt werden und nicht nur ideologische Prinzipien. Die wesentliche Tragsäule muss erhalten bleiben, eine weitere Beschädigung wäre verantwortungslos.

Anna Birkenmeier

Redaktion Zürcher Wirtschaft

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