Warum Unternehmen Grümpelturniere sponsern sollten
Kämen wir ohne Sport noch über die Runden? Fussball-EM, Leichtathletik-EM, sonntags die Schwingfeste, Olympische Spiele, alles diesen Sommer. Sport als Spektakel: spendiert uns die emotionalen Höhenflüge, die im banalisierten Alltag fehlen. Was wäre ein Winter ohne Marco Odermatt, ein Frühling ohne Champions League, ein Sommer ohne Joel Wicki und Samuel Giger, eine Saison ohne Kambundji-Schwestern plus Simon Ehammer? Kein Wunder, sind die alle vollgepflastert mit Labels ihrer Sponsoren.
Es gibt aber ganz andere Motive, Sport zu fördern. Eben lud mich der «Pioneers Club 1879» nach St. Gallen, ein Club von Leuten, die den Fussballnachwuchs der Region unterstützen. Warum? Sie sind interessiert am Wirtschaftsstandort Ostschweiz. Der will nicht nur mit ökonomischen Kennziffern glänzen, er will auch emotional aufgeladen sein. Dazu braucht es Fussball. Er revitalisiert die archaischen Stammesrituale, er trägt Territorialkämpfe symbolisch aus, St. Gallen verteidigt sein Territorium gegen den FCZ und greift in Zürich mutig an. Wer in der obersten Liga nicht mitspielt, fühlt sich abgehängt. Was leicht durchschlägt auf die allgemeine Stimmung, man fühlt sich zweitrangig, auch kulturell, auch wirtschaftlich.
Klar also, fördern wirtschaftlich Interessierte den sportlichen Nachwuchs. Sie haben sogar ein Motiv, das noch näher liegt: das Interesse an einer sportlichen Mentalität des Nachwuchses. Denn: Am Arbeitsplatz ist nicht bloss Wissen oder Fachkompetenz gefragt, entscheidend sind eher Stärken wie Temperament, Hartnäckigkeit, Leidenschaft. Woher kommen die? Unsere Bildung setzt einseitig auf kognitive Fähigkeiten. Die gesellschaftliche Anerkennung dito. Trete ich als Redner auf, werde ich stereotyp so vorgestellt: «Er studierte Philosophie und
Physik …» Stimmt. Aber glaubt jemand, das Studierte mache mich aus? Warum sagt nie eine Moderatorin: «Er gewann mit 18 alle Grümpelturniere des Kantons Luzern»? Das sagt entschieden mehr aus über mein Temperament, den Willen, Charakter, mein Sozialverhalten; man spielt ja Fussball nicht solo. Aber nein, man will nur wissen, was einer im Kopf hat.
Wir sollten die Bildung vom Kopf auf die Füsse stellen. Statt gleich den Kopf mit Wissen stopfen: Stärken, was uns körperlich belebt: Bewegungslust, Leistungsfreude, Widerstandskraft. Danach kann der Kopf prima loslegen: mit Wissen, Denken, Träumen. Der Kopf gehört zum Körper, nicht umgekehrt.
In Bad Homburg gibt es in allen Schulen täglich eine Stunde Turnen für alle. Die Ergebnisse: 1. Die Kinder sind fit, bewegungserpicht, taktil geschickt. 2. Das soziale Klima ist entspannt, keine Gewalt im Schulhof, Aggressionen und Gockelkämpfe tragen sich sportlich aus. 3. Obwohl für Kernfächer weniger Zeit bleibt: linear bessere Leistungen, die Schüler sind aufmerksamer, ruhiger, konzentrierter, ausdauernder.
Voilà. Fachkompetenzen kann man jederzeit erwerben. Ohne sportliche Mentalität bleiben sie stumpf. Und für Sportlichkeit gibt es keinen Bachelor. Die muss man üben. Zeitig.
Ludwig Hasler
Philosoph, Physiker, Autor und Menschenkenner lhasler@duebinet.ch
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