Wahlkampf in Dystopia 2073
In 50 Jahren, in einer Welt, in welcher der Alltag noch stärker von künstlicher Intelligenz dominiert ist, hat die Schweiz einen letzten Versuch gestartet, die direkte Demokratie aufrechtzuerhalten. Der Kanton Zürich führte bereits im Pilotversuch die KI beziehungsweise das Metaverse als Wahlkampf-Paralleluniversum versuchsweise ein. Nun hat sich die politische Landschaft schweizweit für immer verändert.
Dank neuer Wahlinstrumente und KI-Technologien ist das Wählen so einfach wie das Tippen auf einen Bildschirm geworden. Die Bürger können nun bequem von ihren VR-Brillen oder Holo-Tischen aus ihre Stimme abgeben. Doch trotz dieser scheinbar mühelosen Teilnahme ist die Wahlbeteiligung auf ein historisches Tief gesunken. Die Politik erscheint den meisten Menschen so irrelevant wie ein verstaubtes Geschichtsbuch.
Der Wahlkampf hat sich gleichsam zu einer skurrilen Farce entwickelt. Die Jungparteien haben sich dank ihrer virtuellen Dominanz zu ernsthaften Konkurrenten der Mutterparteien gemausert: Die politische Debatte wird von schillernden Shows und viralen Social-Media-Inhalten geprägt, die Politiker kämpfen als Influencer um Aufmerksamkeit, Likes und Stimmen. Genau genommen dominieren statt lebendiger Debatten und politischer Diskussionen künstliche Intelligenzen und Avatare die politische Arena. Diese «Polbots» sind perfekte Duplikate der echten Politiker, einschliesslich ihrer Stimmen, Gesten und politischen Standpunkte. Die Kandidaten selbst können sich dem politischen Tagesgeschäft widmen, während ihre digitalen Doppelgänger die Bühne beherrschen.
Die Avatare sind darauf programmiert, die Meinungen und Wünsche der Wähler zu analysieren und perfekt darauf zu reagieren. Basierend auf Marketingsoftware produzieren sie massgeschneiderte politische Botschaften, die in Echtzeit auf die individuellen Vorlieben jedes Wählers zugeschnitten sind. Will heissen: Es gibt keine Ideologie mehr, nur noch personalisierte Propaganda. Jeder Avatar hat seine eigene Markenkleidung, sein eigenes Merchandise und seine eigenen Musikvideos. Die politischen Diskussionen sind auf 15-Sekunden-Clips und meme-fähige Soundbites reduziert.
So modern der Cyber-Polit-Apparat ist – so desillusioniert und apathisch sind die Wähler geworden. Sie wissen nicht mehr, ob sie tatsächlich für echte Politiker oder nur für digitale Replikate stimmen. Die politische Debatte ist auch deshalb praktisch verstummt, da die Avatare keine echten Überzeugungen haben und nur darauf aus sind, die Wähler zu manipulieren – politisch oder über Product Placement. Zudem ist das Verständnis für politische Abläufe, Gesetze und Vorlagen mit der Digitalisierung und Automatisierung minimal geworden.
Die Schweiz von 2073 ist ein düsteres Beispiel dafür, wie die Technologie, die einst die Demokratie stärken sollte, diese nun untergraben hat. «Aber hey», meinte ein 13-jähriger Jungwähler zu mir: «zumindest gibt es jetzt politische Avatare, die besser tanzen können als die echten Politiker.»
Wadenbeisser
Achtung: Schonungslos bissig
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