Unternehmensnachfolge aus allen Blickwinkeln

Der Unternehmer-Zvieri von KGV, Zürcher Kantonalbank und weiteren Partnern beleuchtete die Nachfolge aus verschiedenen Blickwinkeln: Seitens der Psychologie, der Finanzen und der gelebten Praxis. Auch die Schreinerei Schneebeli aus Ottenbach schilderte die erfolgreiche Übergabe an Mitarbeitende.

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Übernehmer und Übergeber der Schreinerei Schneebeli aus Ottenbach im Gespräch mit Dr. Frank Halter.

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Beim anschliessenden Apéro riche wurde angeregt über Nachfolge und Übernahme diskutiert.

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«Bei der Nachfolge braucht es ein Zusammenspiel wie bei einem Orchester», meinte diese Gruppe.

Wie wichtig für viele Unternehmen das Thema Nachfolge ist, illustrierte KGV-Geschäftsführer Thomas Hess am «Unternehmer-Zvieri» vom 28. November im SIX ConventionPoint an der Pfingstweidstrasse: «In den nächsten 5 Jahren steht bei rund 20 Prozent der KMU eine Nachfolgeregelung im Raum. Dabei ist bei weitem nicht jede geplante Übergabe erfolgreich.» Daher der Titel des gemeinsam mit der Zürcher Kantonalbank organisierten Unternehmer-Zvieri «Unternehmensnachfolge – ein Hosenlupf». Rund 120 KGV-Mitglieder, darunter ca. 30 Prozent Übernehmerinnen und Übernehmer, liessen sich über Theorie und Praxis aus finanzieller, emotionaler und psychologischer Sicht informieren.

Dr. Frank Halter von der St. Galler Nachfolge bat die Zuhörenden zunächst, die Nachfolge als Markt zu verstehen. Oft stünden auf diesem Markt Unternehmer vor dem Problem, dass sie keine Eigentümer fänden. Heute handle es sich nur in rund 40 Prozent der Nachfolgefälle um sogenannte Family-Buyouts – also familien-interne Verkaufslösungen. «Das heisst: Es braucht Alternativen.» Die da wären: Management-Buyouts (30 Prozent) sowie die restlichen 30 Prozent durch Management-Buy-ins (Übernahme durch externes Management) und Mergers & Acquisitions (Finanz- und strategische Investoren).

«Ein Unternehmen ist nur so viel wert, wie man mit ihm verdienen kann.»

Julia Gathen, Mandatsleiterin M&A bei OBT AG

Erfreulich: Kommen Übergaben zustande, überleben 95 Prozent die nächsten 5 Jahre. Bei den Neugründungen sind es gerade mal die Hälfte. Das könne ein Anhaltspunkt sein, wenn jemand sich überlegte, ein KMU zu übernehmen oder ein neues auf der grünen Wiese zu gründen. «Daher ist eine Bank auch eher bei einer Nachfolgefinanzierung im Boot als bei einer Neufinanzierung», so Halter. Einer der Kernpunkte des «St. Galler Nachfolge-Modells», das Halter skizzierte, war auch die Formel Wollen/Können/Dürfen: Will, kann und darf ich ein Unternehmen verkaufen oder übernehmen? Zudem könnten auch Unwägbarkeiten im Nachfolgeprozess die favorisierte Variante beeinflussen: «Es braucht einen Plan B und einen Plan C.»

Wert und Preisschild einer Firma

Julia Gathen, Mandatsleiterin M&A bei der OBT AG, erläuterte die wichtigsten Überlegungen bei der Wertbetrachtung und -beurteilung eines Unternehmens. Die Bewertungsmethoden seien vielfältig. So unterscheide man etwa zwischen Substanz- und Ertragswert.
Doch unabhängig von der Methodik, wirkten auf den Preis viele Faktoren ein: Zum einen etwa die Käufer-, zum anderen die Verkäufersicht – und die orientierten sich nicht zwingend am Markt. Weitere weiche Faktoren wie Risiken (personelle Abhängigkeiten, Klumpenrisiken Kunden/Lieferanten), Stabilität des Geschäftsverlaufs, Ertrags- vs. Substanzwert, Zukunftspotenzial vs. Vergangenheit und Marktentwicklung bzw. Konjunktur spielten in die Bewertung hinein. Der erzielte Verkaufspreis sei auch von der Nachfolgeform abhängig. So gebe es bei der Familiennachfolge den grössten (Familien-)Abschlag. Doch grundsätzlich gilt: «Ein Unternehmen ist nur so viel wert, wie man mit ihm verdienen kann», so Julia Gathen.

Kriterien für Kredite

Zwei Referenten vom siebenköpfigen Unternehmensnachfolge-Team der ZKB steuerten ebenfalls viel Wissenswertes bei. So zeigte Roland Egli, Mandatsleiter KMU Unternehmensnachfolge der ZKB auf, was es braucht, damit die Nachfolge technisch und finanziell glückt – unter Berücksichtigung von steuerlichen Fragen und Kreditmöglichkeiten.

Egli stellte einige Umsetzungsbeispiele und Stolpersteine im Steuerrecht vor. Bei einem Beispiel werden die Liegenschaften etwa mit dem Firmenvermögen verkauft – die Aktien inklusive Liegenschaft werden übertragen. Ein steuerfreier Kapitalgewinn könne so realisiert werden, Grundstückgewinnsteuern fielen keine an. Bei steigenden Liegenschaftspreisen könnte eine Finanzierung aber schwierig bis unmöglich werden. Eine Möglichkeit wäre dann, die Liegenschaft aus dem Firmenvermögen ins Privatvermögen zu transferieren und sie wiederum an die neuen Besitzer zu vermieten. Das löst jedoch Grundstückgewinnsteuern und allenfalls stille Reserven aus, die es zu versteuern gilt. Egli stellte weitere Varianten wie den Asset Deal, die Umwandlung einer Einzelfirma in eine AG, die Fusion zweier AGs und eine Schenkung vor. Der wichtigste Appell aber war an diesem Abend über alle Referenten und Beispiele hinweg unüberhörbar: Angesichts der Vor- und Nachteile gelte es, frühzeitig die Nachfolge zu planen.

Eglis Kernpunkte: Gemeinsam sollte ein schriftliches Nachfolgekonzept entstehen; die Preisvorstellungen sollten realistisch beziehungsweise tragbar für die Nachfolger sein; steuerliche und rechtliche Aspekte sollten frühzeitig abgeklärt und externe Unterstützung beigezogen werden.

Philippe Keller, ZKB-Spezialist für Übernahmefinanzierungen, richtete sich insbesondere an die rund 40 «ÜbernehmerInnen» im Saal. Unter vielen Kriterien, welche die Bank bei einer Übernahme prüft, hob er eines hervor: die nachhaltige bzw. künftige Ertragskraft. So seien als grobe Richtgrösse vier bis sechs Jahre bis zur Schuldenfreiheit Standard.

Und auch Keller zeigte ein Beispiel einer Übernahme auf – eine Mitarbeiterin einer Apotheke, die den Betrieb ihres Chefs kaufen will. Als gängige Strategie, um
die Finanzierungslücke zu tilgen, wählte sie ein Verkäuferdarlehen.

Praxisbeispiel Schreinerei

Ein ebensolches Darlehen nahmen – nebst vielen anderen Praxisbeispielen – die Nachfolger des generationenübergreifenden Familienbetriebs von René Schneebeli (schneebeli.ch) auf, zwei seiner Mitarbeiter, Urs Wyss und Heinz Appert, sowie der Neffe des Geschäftsführers, welche die Schreinerei übernahmen. Trotz anfänglicher Bedenken entschlossen sie sich zum Management-Buy-out inklusive Gründung einer neuen Firma und Käufergesellschaft. «Wir haben zwar mehr Schulden als wir uns je vorstellen konnten», meinte Wyss zum Darlehen vom Besitzer, das ihnen den Kauf ermöglichte. Aber der Glauben an die Zukunft überwog: «Wenn die Firma bis jetzt bestanden hat, dann wird sie auch in Zukunft Bestand haben.» Das Wichtigste, was man sich fragen müsse, sei: Will man Unternehmer werden? «Man kann sich zurücklehnen und die Work-Life-Balance suchen. Aber wir sagten uns: Wer, wenn nicht wir, hat die Möglichkeit, die Firma zu führen?» Drei Jahre dauerte der ganze Prozess von den Erstgesprächen bis zur Übernahme, der unter anderem von der ZKB begleitet wurde. Die letzten 30 Prozent der Aktien würden 2026 an die Nachfolger übergehen. Den Maximalpreis könne man mit einem Management-Buy-outnicht erzielen, meinte Übergeber Schneebeli. Aber diese Variante sei auch ein Schritt für die Firma: Geist, Kultur und die Weiterführung langjähriger Verhältnisse wögen dies auf.

Reaktionen beim Apéro

«Ich fand es gut, dass man die Perspektiven dank verschiedener Praxisbeispiele aufgezeigt hat», urteilte ein Vertreter einer grossen Versicherung anschliessend beim Apéro. «So konnte man alle Aspekte durch die jeweils zuständigen Profis abdecken.» Doch die «Krönung» sei das Beispiel mit echten Akteuren der Schreinerei am Schluss gewesen. «Man hätte das Drehbuch des Abends um diesen Fall schreiben können», fand er.

«Es ist ein Zusammenspiel wie bei einem Orchester, damit sich am Schluss ein zufriedener Kunde und eine ideale Lösung ergibt», fasste ein anderer Zuhörer zusammen. «Ich sehe es auch für mich jetzt eher realistisch: Es gibt verschiedene Akteure, die sich um einen Kunden kümmern.» Das sei zielführend und stimme zuversichtlich. Einer Unternehmerin, die ihr Geschäft übergeben möchte, blieb vor allem: «Man sollte sich früh darum kümmern.»

Mark Gasser

Chefredaktor
Zürcher Wirtschaft

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