«Das Umfeld für Startups ist ausgezeichnet»

500 Startups schiessen in der Schweiz jedes Jahr aus dem Boden, vornehmlich im Kanton Zürich. Doch wie fruchtbar ist eigentlich der Schweizer, insbesondere der Zürcher Boden für innovative Geschäftsideen? Und wie sieht der Vergleich mit anderen, demografisch ähnlichen Ländern aus? Eine Standortbestimmung.

Bild zvg

Blick ins Startup-Center «Home of Innovation» in Winterthur Töss.

Dass neu gegründete Firmen als Startups bezeichnet werden, ist wohl auch dem Zeitgeist geschuldet, der von Anglizismen geprägt ist. Doch nicht jede Gründung geht als Startup durch – etwas Innovation muss in der Geschäftsidee schon stecken. Die Eröffnung einer konventionellen Schreinerei gehört zum Beispiel nicht dazu, auch wenn die Gründer jung sind. Das wäre dann eher ein ganz normales KMU. Ausser sie starten mit einer bahnbrechenden Idee, indem sie eine Robotikanlage entwickeln, die per Knopfdruck einen Stuhl oder andere Möbelstücke nach individuellen Vorgaben selbstständig herstellt. Und um der Bezeichnung gerecht zu werden, muss es aus der Garage heraus zwingend schnell wachsen, neue Jobs generieren und den Umsatz praktisch monatlich steigern. Nur so kommen sie auf den Radar der Investoren oder der grossen Unternehmen, damit eine Erfolgsgeschichte wie Facebook, On oder Airbnb entsteht und aus innovativen Jungunternehmern Millionäre macht.

Nico Berg, Startup-Experte, Seriengründer und Risikokapitalgeber mit Mission Possible, zieht die Grenze zu KMU so: «Ein Startup im engeren Sinne ist innovativ, skalierbar und will rasch wachsen. Als Risikokapitalgeber erwarte ich von Beginn weg ein überdurchschnittliches Team von zwei bis sechs Gründern, die sich mit Haut und Haaren ins Abenteuer stürzen.» Traditionelle inhabergeführte KMU seien technologisch gut, aber nicht bahnbrechend revolutionär, und sie wachsten organisch mit ihren Kundinnen und Kunden – ohne grössere Summen externes Risikokapital.

Wo es viel Kapital braucht

Schweizer Hightech-Startups weisen eine Fünfjahres-Überlebensrate von rund 70 Prozent auf, das ist besser als bei herkömmlichen Jungunternehmen, die nur zu 50 Prozent überleben. Ausgründungen der ETH Zürich überleben laut Angaben ihrer Transferabteilung gar zu 80 Prozent. Oft ist es das fehlende Kapital, das ein Startup zwingt, aufzugeben. Zwar wird der Start häufig durch eigene Mittel der Gründer oder von «friends and family» ermöglicht. Das reicht allerdings in den meisten Fällen nicht aus, die Zeit zu überbrücken, bis das Unternehmen Gewinn abwirft oder wenigstens Löhne auszahlen kann. In einigen Branchen, beispielsweise der Biotechnologie oder Medizintechnik, braucht es für ein ernsthaftes Projekt schnell einmal fünf bis zehn Millionen Franken. Aber auch in der IT-Branche, vor allem in der Software-Entwicklung, rechnet man mit einer Million Franken, um ein Unternehmen mit Ambitionen zu starten. Startups, die wachsen und deshalb in internationale Märkte vorstossen wollen, sind auf eine externe Finanzierung angewiesen. Deshalb gilt es in einer ersten Phase vor allem, einen Businessplan zu erstellen, der die Geldgeber überzeugt.

Gutes Startup-Umfeld

Heute werden in der Schweiz jedes Jahr etwa 500 Startups gegründet, während es im ersten Jahrzehnt des neuen Jahrtausends noch einige Dutzend waren.
Das in Startups investierte Kapital hat sich innerhalb von zehn Jahren verzehnfacht. 2022 waren es fast vier Milliarden Franken. Ausserdem sind Startups für unsere Wirtschaft auch immens wichtig. Experte Nico Berg rechnet vor: «Auch hierzulande tragen Startups am stärksten zur Schaffung neuer Jobs und Innovation grösserer Unternehmen bei. Die zehn erfolgreichsten, die jährlich gegründet werden, tragen mit rund 10 000 Jobs und 40 Milliarden Franken Wertschöpfung zur Volkswirtschaft bei. Das Umfeld für Startups in der Schweiz ist ausgezeichnet.»

Zürich als fruchtbarer Boden

Es kann sich also durchaus lohnen, hierzulande ein innovatives Unternehmen aus dem Boden zu stampfen. Noch besser, wenn man das Wagnis in Zürich in Angriff nimmt. Zusammen mit Waadt stellt der Kanton jedes Jahr rund 70 Prozent der Top-100-Liste der Schweizer Startups, erkoren von 100 Investoren. Das liegt in erster Linie an der ETH und der Universität Zürich, beides erstklassige Hochschulen. Ausserdem aber profitieren Zürcher Jungunternehmerinnen und -unternehmer vom guten Umfeld. Diverse globale Technologiekonzerne wie Google, IBM oder ABB haben hier ihre europäischen Hauptsitze. Ein dritter positiver Faktor ist der Startup-Fonds der ZKB, der in den letzten zwei Jahrzehnten fast 300 Startups mitfinanziert hat.

Top Wirtschaftsumfeld

Die Schweiz und insbesondere Zürich ist also ein durchaus fruchtbarer Boden für Startups. Doch hält unser Wirtschaftsumfeld auch dem Vergleich mit demografisch ähnlichen Ländern stand? Am besten lässt sich unsere Startup-Szene mit derjenigen in Israel oder Schweden vergleichen. Diese zwei Länder haben etwa gleich viele Einwohnerinnen und Einwohner und punkten ähnlich gut wie die Schweiz auf den weltweiten Innovations-Ranglisten. Beim Kriterium Risikofreude und vor allem beim investierten Risikokapital pro Kopf schneidet Israel deutlich besser ab. Das ist aber nicht weiter verwunderlich: In einem Umfeld, wo Bomben und Terror dem Alltag angehören, ist im Verhältnis dazu das Risiko, ein Startup zu gründen, doch ziemlich klein.Das Total schwedischer Startups ist von der finanziellen Bewertung her leicht grösser als dasjenige in der Schweiz – zählt man das schwedisch-stämmige Streamingportal Spotify jedoch zu den USA, haben wir hierzulande bereits wieder die Nase vorne. Nicolas Berg, Seriengründer und Risikokapitalgeber mit Mission Possible, stellt fest: «Der grösste Standortvorteil der Schweiz für Startups ist die Tatsache, dass Top-Hochschulen wie ETH und EPFL aus der ganzen Welt die besten Talente anlockt.» Die Einwanderung der klügsten und risikofreudigen Talente in die Schweiz sei der Hauptfaktor für die Schaffung neuer Jobs.

Nicolas Brütsch

Redaktioneller Mitarbeiter Zürcher Wirtschaft

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