Trottende E-Trottis

Auf dem Weg zur elektrifizierten Gesellschaft hat sich das E-Trottinett nicht als kurze Panne in der Mobilitätsgeschichte herausgestellt – leider. So tauchten vor wenigen Jahren gleich zu hunderten neue Modelle mit E-Motor auf Zürichs Strassen auf. Die Stunde der coolen E-Scooter hatte geschlagen. Mittlerweile stehen rund 4000 Mietgeräte herum. Für einige Hundert Franken ist man auch auf Galaxus oder Microspot dabei: Den globalen Kopier- und Skalierfähigkeiten sei Dank, gibt es auf Galaxus allein schon fast 200 verschiedene Modelle zu kaufen. Allerdings sind zwar die Mehrheit, aber bei weitem nicht alle, zugelassen in der Schweiz. Ein Modell der Marke «Bodyswiss» beispielsweise, mit übergrossem Vorderrad und Speichen an eine Harley Davidson erinnernd, klingt verlockend nach Schweizer Zulassung – ist es aber nicht. Die Vielfalt der Modelle, die es ab 149 Franken (notabene von der totgeglaubten Marke Segway) und von 200 bis 500 Watt zu kaufen gibt, ist gross. Ein (nicht zugelassenes) Kindermodell von Modster, das im Aussehen in nichts den Kinder-Scootern der Schweizer Marke Micro nachsteht und bei 60 Watt nur 6 km/h fährt, gibt’s schon für 68 Franken.

Trotzdem: Die öffentliche Euphorie hat ungefähr in dem Masse gelitten, wie die besitzerlosen E-Scooter in der Limmat oder betrunkene Piloten in der Hausmauer landeten. Trottoirs wurden zu Trottinettoirs, waghalsige Fahrmanöver auf Autostrassen inklusive schmerzhafter bis folgenreicher Crashlandungen gehörten fortan zur Tagesordnung. Aber die Stadt Zürich will ihren mutigen Schritt, die wuchernde E-Scooter-Vermietung zuzulassen, nicht rückgängig machen. Eine Anpassung gibt es jedoch: Die Stadt lässt nach dem Vorbild Paris, um für mehr Ordnung und Sicherheit zu sorgen, die Trottis automatisch abbremsen, sobald sie in eine Fussgängerzone fahren – vorerst versuchsweise.

Vielleicht wäre das die Richtung, die es für die Trotti-Industrie einzuschlagen gilt: Weniger ist mehr. Denn niedriges Tempo ist einer der entscheidenden Faktoren, welche die Reichweite erhöhen – nebst dem Streckenprofil, der Eigenleistung der Fahrer (bei E-Trottis so gut wie nicht existent), Bodenbelag, Aussentemperatur und Fahrergewicht. Vermutlich würden auch 25 statt 250 Watt bei dem gemächlichen Tempo reichen, um den Adlisberg hochzufahren.
Aber noch wichtiger aus Hersteller- beziehungsweise Vermietersicht: Die Umsätze der Scooter im Schleichmodus dürften vorläufig gar nicht zurückgehen – im Gegenteil. Wer durch die tempogedrosselten Fussgängerzonen fährt, hat schliesslich rund viermal länger – und zahlt entsprechend mehr bei einem Minutenpreis zwischen 0,25 und 0,45 Franken.

Und man denke an die Fussgänger: Wer empfindet es nicht als Bereicherung, frühmorgens im Halbschlaf den ScooterfahrerInnen endlich nicht ausweichen zu müssen, sondern ihnen entspannt zuzuschauen, wie sie in Zeitlupentempo wie Zombies durch die Strassen schweben? Gut, man mag einwenden: Die elegante, aufrechte Körperhaltung von Geschäftsleuten auf E-Trottis, welche der «NZZ am Sonntag» schon einige euphorische Lifestyle-Zeilen wert war, lässt sich so kaum mehr – nun ja, aufrecht erhalten. Und man darf gar nicht dran denken, wie Betrunkene, die erwiesenermassen gern mit den Scootern herumkurven, bei 5 km/h darauf waghalsige Balanceakte versuchen. Und doch wären die Verletzungsfolgen beim Crash überschaubar. Daher unser Appell: Generell Tempo 5 für E-Trottis!

Wadenbeisser

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