Zwei Perfektionisten ganz oben

Zwei angehende Mechaniker, zwei Welten: Töffmechaniker Andrin Meier und Polymechaniker Thomas Mohr sind an den SwissSkills ganz oben gelandet. Was sie auch noch verbindet: das Streben nach Perfektion.

Bild Mark Gasser

Andrin Meier aus Wila und hier bei seinem Arbeitgeber Hobi Motos in Winterthur ist bester junger Töffmechaniker der Schweiz.

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Andrin Meier aus Wila und hier bei seinem Arbeitgeber Hobi Motos in Winterthur ist bester junger Töffmechaniker der Schweiz.

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Polymechaniker Thomas Mohr mit dem Werkstück, das er an den SwissSkills am perfektesten designt und gefräst hat.

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Polymechaniker Thomas Mohr im Ausbildungszentrum Winterthur AZW an einem der CAD-Arbeitsplätze.

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Polymechaniker Thomas Mohr im AZW in Winterthur.

Mit grossem Vorsprung hat Andrin Meier aus Wila seinen Final bei den Motorradmechanikern für sich entschieden. Das überrascht seinen Ausbildner im Betrieb, Bernhard Gehrig, nicht. Sei es das Zerlegen eines Motors, das Einstellen der Steuerzeiten, oder das Einspeichen eines Rads – Andrin Meier meisterte alle Aufgaben bravourös.

Der 19-jährige angehende Motorradmechaniker, der bei der Hobi Moto AG in Oberwinterthur das 4. und letzte Lehrjahr absolviert, fiel schon früh als Perfektionist auf. «Schon als er bei uns angefangen hat, wusste ich, dass er einmal sehr gut abschneiden würde», meint Werkstattchef und Lehrmeister Bernhard Gehrig, der an den SwissSkills beim Rundgang durch die Wettkampfstätte schon siegessicher war. «Ich war beeindruckt, wie er da unter Lärm und dem flanierenden Pu-blikum konzentriert arbeiten konnte, während andere mehr Fehler machten.» Jede Berufsschule der Branche – so auch jene in Winterthur – konnte nur einen einzigen Lernenden schicken.

Rollstuhlgerechte Werkstatt

Entdeckt hat Andrin Meier die Liebe zur Mechanik der Zweiräder in der familieneigenen Werkstatt. Nachdem der Vater – gelernter Automechaniker – wegen eines schweren Unfalls im Rollstuhl gelandet war, hinderte ihn das nicht daran, eine grosse rollstuhlgerechte Werkstatt zu bauen. Fortan verbrachte Andrin mit seinem Bruder – einem Landmaschinenmechaniker – und dem Vater viel Zeit beim gemeinsamen Schrauben. Grundsätzlich findet er Gefallen «an allem, was man flicken kann», wie er sagt. Und wenn er gerade mal ein Teil aus Kunststoff braucht, kreiert er dieses mit dem 3D-Drucker kurzerhand selber. Auch von Elektronik hat er eine Ahnung: An seiner Racing-Drohne gibt es immer wieder mal etwas zu programmieren oder zu löten.

Meiers Ausbildung als Töffmechaniker fällt in eine Zeit, in der vieles in der Branche im Wandel begriffen ist: Statt der überholten Vergasertechnik dominieren Einspritzanlagen, ausserdem enthalten Töffs heute viel Elektronik in Form von Steuergeräten, Modulen wie dem ABS-System und anderen Komponenten. «Beängstigend ist die ganze Technologie nicht», meint Gehrig auf eine entsprechende Frage. «Ich bin schon 40 Jahre auf dem Beruf – der wandelt sich wie jeder Beruf. Da muss man dranbleiben und sich selber eben weiterbilden, oder Weiter-bildungskurse von Markenvertretungen absolvieren.» Eine der gewichtigsten Änderungen: Vieles muss wie bei der Fahrzeugtechnologie mittels Diagnostik analysiert, einiges kann nur als Ganzes ersetzt werden. «An vielen Modulen kann man nicht mehr viel selber machen», weiss Andrin Meier.

Trotz zunehmender Elektronik werden im Töffgewerbe E-Motorräder noch selten nachgefragt. Daher hat das hauseigene Motorradgeschäft auch nur je einen E-Roller von BMW und Piaggio im Sortiment. «Der Töff ist für die Besitzer mit Emotionen verbunden: Man will ihn hören, will ihn spüren. Deshalb gibt es viel Zubehör für einen individuellen Umbau», sagt Andrin Meier. Mit seiner Berufswahl ist er jedenfalls zufrieden. Die Hektik ist beim Motorradmechaniker auf die warmen Monate konzentriert, während es in den kalten Monaten eher ruhig sei. : Dann werden viele Maschinen der Werkstatt übergeben, um grössere Reparaturen oder Umbauten ausführen zu lassen. «Das gefällt mir.» Mit viel Liebe zum Detail frischt er derzeit eine 1987er BMW R80 G/S im Lehrbetrieb auf. Das komplett zerlegte Motorrad wird im Laufe der nächsten Zeit zu einem neuwertigen Schmuckstück.

Vom grassierenden Fachkräftemangel bleiben auch die Auto- und Motorradmechaniker nicht verschont. «Es gibt fast keine Fachgeschäfte, die keinen Mechaniker suchen – vor allem grössere», weiss Werkstattchef Gehrig. Diese Distanz zu handwerklichen Tätigkeiten beginne aber schon weit vor der Berufswahl. «Das wird von den Eltern kommen», meint Meier schulterzuckend. «Von ehemaligen Schulkollegen weiss ich, dass sie immer weniger selber reparieren zu Hause. Und den Raum für Werkzeug und Werkstatt muss man natürlich auch haben.» Sein Lehrmeister fügt an: «Das Interesse am selber Herumschrauben ist nicht mehr hoch.» Das kann er mit Zahlen belegen: Die Anfragen für Schnupper- und Berufslehren im weitherum bekannten Motorradgeschäft nähmen jährlich ab.

Polymechaniker Thomas Mohr

Sowohl Handwerk als auch das Arbeiten mit Digitaltechnologie umfasst der vielseitige Beruf Po-lymechaniker mit Fachrichtung CNC-Fräsen. Der Schweizer Meister in dieser Fachrichtung kommt aus dem Kanton Zürich – auch er mit grossem Vorsprung: Der Wetziker Thomas Mohr legte an den SwissSkills in Bern im September die sauberste Arbeit von allen Teilnehmenden hin.

Besonders die Präzision, die in seinem Beruf gefragt ist, faszinierte den jungen Wetziker schon immer, der ursprünglich auch mit dem Apparatebau liebäugelte. Die Liebe zu Details zeichne ihn auch aus, meint Teamleiter und Betreuer Patrick Stadler: «Er ist sehr wissbegierig und fragt nach Details, die selbst mir nicht in den Sinn gekommen wären.» Gerade Thomas Mohrs Konzentrationsfähigkeit, die er in der lärmigen Produktionshalle an den Tag lege, sei eindrücklich. «Wenn Thomas als Ziel hat, ein Teil anzufertigen, macht er weiter, bis es fertig ist, auch wenn gerade die Halle abbrennt.»

Beim Besuch der «Zürcher Wirtschaft» führt Mohr durch die Arbeitsgänge seines Berufs, den er im Ausbildungszentrum Winterthur AZW ausübt. Vom eher kleinen, ruhigen Raum mit den Mastercam-Programmierplätzen geht es in die grosse Produktionshalle. Im Ausbildungszentrum Winterthur werden die Lernenden praxisnah mit Aufträgen aus der Maschinenindustrie sowie der Privatwirtschaft versehen: Im ersten Lehrjahr stand das konventionelle Fräsen im Vordergrund, seit dem zweiten Lehrjahr arbeitet Mohr aber fast ausschliesslich mit modernen CNC-Maschinen. Als Hobby gibt auch er (wie Töffmechaniker Andrin Meier) an, sich im 3D-Druck auszukennen: funktionale Alltagsgegenstände wie Lampenhalter fürs Velo oder Rollen zum Aufrollen von Kabeln etwa produziert er zu Hause selber.

Die Verantwortung ist gross: Auch Kleinteile müssen oft im Hundertstel oder gar Tausendstel Millimeterbereich korrekt gefräst sein. Ausserdem kostet eine grössere industrielle Maschine schon mal 300 000 Franken. Aber umso schöner sei es, wenn man im Zug sitze und wisse, dass die Antriebswelle im Fahrgestell unter Umständen aus der eigenen Fabrikation kommt. «Relativ oft weiss ich zwar nicht genau, wo das Teil letztlich hinkommt. Aber mich fasziniert es grundsätzlich, ein Teil herzustellen, dass irgendwo gebraucht wird», sagt Mohr. Normalerweise werden die Modelle beziehungsweise Prototypen bereits als 3D-Grafiken geliefert, aber manchmal müssen anhand von Zeichnungen erst 3D-Modelle erstellt werden. Werkzeug, die Maschine selber und deren Kraft, das Material, die Stabilität der Aufspannung – viele Faktoren werden bei der richtigen Programmierung vor dem eigentlichen Fräsen berücksichtigt.

Vorbereitung auf SwissSkills

Mit dem Sieg am «Fraisa-ToolChampions-Wettbewerb» hat sich Thomas direkt für die Teilnahme an den SwissSkills in Bern qualifiziert. Rund anderthalb Monate bereitete er sich auf die Aufgaben an den SwissSkills vor. Dort mussten anhand technischer Zeichnungen Werkstücke hergestellt werden. Nach Analyse der Zeichnung musste das Teil am Computer für die Werkzeugmaschine modelliert sowie programmiert werden. Der Post-Prozessor übersetzt dabei das Programm vom PC in die Maschinensprache. Die Werkzeugmaschine musste dann mit den Bearbeitungswerkzeugen vorbereitet werden. «Für mich war der Zeitdruck die grösste Herausforderung», so Mohr. «Man muss die Zeichnungen sehr genau anschauen, oft bauen sie fast schon Fallen ein», erklärt er. So mussten die beiden komplexen Werkstücke, die am Ende zusammengefügt werden sollten, gemäss Aufgabe in der Grösse im 1/100-Millimeterbereich voneinander abweichen. Nebst den Massen und Toleranzen, die nach Absolvierung der Aufgabe und dem Fräsen der Wettbewerbsaufgaben gemessen wurden, wurde auch die Oberflächengüte, die Sauberkeit und das Aussehen des Stücks geprüft.

Mark Gasser

Chefredaktor
Zürcher Wirtschaft

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