«Stimmung unter den KMU ist interessiert, aber verhalten»

Die Schweiz-chinesische Handelskammer SwissCham lud kürzlich in Dongguan in der südchinesischen Provinz Guangdong zum ersten «Greater Bay Area Economic Forum». Die «Zürcher Wirtschaft» war auf einer Chinareise vor Ort und konnte Jürg Burri, den Schweizer Botschafter in China, abfangen.

Bild Mark Gasser

Botschafter Jürg Burri am Greater Bay Area Economic Forum in Dongguan Ende Juni.

Jürg Burri, der Schweizer Botschafter in China, begrüsste in Dongguan in der südchinesischen Provinz Guangdong Ende Juni zum ersten «Greater Bay Area Economic Forum» mit Schweizer (Unternehmer-)Beteiligung und von der Schweiz-chinesischen Handelskammer organisiert. Die Schweizer Firmen, die hier zu Besuch kamen oder gar Investitionspläne hegten, seien überrascht vom «wirtschaftlichen Gespür» in China. Es seien auch weitere positive Punkte zu erwähnen wie der für Kaderpersonen aus Europa überraschende Umgang mit Innovation. So werde in chinesischen Tochterfirmen die innovative Tradition von Schweizer Unternehmen weitergeführt. Die «Zürcher Wirtschaft» erhielt am Rande der Veranstaltung vor Ort Gelegenheit, den Botschafter einige Fragen zu stellen.

Schweizer Unternehmen, so hört man hier in China, seien etwas vorsichtiger geworden mit dem Markteintritt in China. Das spürten wir konkret bei den Absagen in unserer Reisegruppe. Womit kann das zu tun haben – hängt das hauptsächlich mit Post-Covid-Bedenken oder der Haltung Chinas zum Ukrainekonflikt zusammen, die Sie auch in Ihrer Ansprache erwähnt haben?

Jürg Burri: Generell ist die Stimmung unter den Unternehmen derzeit interessiert aber verhalten. Der chinesische Markt ist weiterhin riesig, die Innovationskurve steil, aber neue Gesetze und die Spannungen mit den USA verunsichern.

Warum die Reise wenig Anmeldungen hat – das ist schwer zu sagen. Vielleicht hängt es auch mit der Visa-Pflicht oder einer zu kurzfristigen Planung für die Unternehmen zusammen. Erst seit vier, fünf Monaten darf man wieder ohne Auflagen nach China reisen. Es braucht eben immer Zeit, bis die durch Reiseverbote gekappten Beziehungen wieder anlaufen. Diese Anlaufzeit nach dreijährigem Unterbruch haben sicher einige in China, aber auch in der Schweiz unterschätzt.

Es gibt viele Sonderentwicklungszonen, die in China auch von der Regierung unterstützt werden. Hier ist es wichtig, mit der Regierung und Regierungsvertretern zusammenzuarbeiten. Geht es auch ohne diese Abhängigkeiten?

Burri: Die chinesische Regierung stellt den Universitäten sehr viele Mittel zur Verfügung, um Innovationsparks aufzubauen. Die Provinzen kreieren sogenannte Sonderentwicklungszonen. Beide Instrumente stellen sicher, dass man als Firma, wenn man sich niederlässt,  Fördergelder und Steuerrabatte erhält s. In China ist vom Boden über die Industrieparks bis hin zu den Innovationszentren alles auf eine Art mit dem Staat verbunden und somit kontrollierbar. Wer meint,  in China ein komplett regierungsunabhängiges Umfeld finden zu können, täuscht sich.

China will seinerseits den Geldabfluss von Investoren ins Ausland verhindern. Wie schwierig ist es für chinesische Firmen, im Ausland zu investieren?

Burri:  Es stimmt, dass China weiterhin Kapitalverkehrskontrollen anwendet, auch wenn eine gewisse Liberalisierung stattgefunden hat. Investitionen im Ausland sind aber grundsätzlich möglich, und Chinas gut ausgebautes Netz von Investitionsabkommen – auch mit der Schweiz – sichert Investitionen in beide Richtungen ab.

Wenn China bei uns investiert, geschieht dies häufig über Niederlassungen in Europa, Singapur oder Hongkong. China will unsere Märkte kennenlernen und testen. Die Rendite steht also selten im Vordergrund. Hinzu kommt, dass es in China eine sehr starke Industriepolitik gibt, die man so in der Schweiz nicht kennt. Dadurch glaube ich, dass chinesische Firmen grosse Anreize haben, sich innerhalb des eigenen Landes weiterzuentwickeln.

Für welche Branchen bestehen derzeit aus Ihrer Sicht die besten Chancen, in China zu investieren? Gerade in der IT-Branche soll es in China eine hohe Arbeitslosenquote geben.

Burri: Ich mache keine Investitionsberatung, aber generell wird die chinesische Gesellschaft älter und vermögender. Qualität, Hightech und Gesundheitsprodukte sind also gefragt. Was ich auch feststelle, ist, dass in China die Digitalisierung – hier spreche ich von den Geschäften – weit fortgeschritten ist. Viele Schweizer Firmen wollen einen Fuss in der Türe haben, da sie sich dadurch einen Blick in die Zukunft  erhoffen. Sie sehen, wie der ganze Internethandel funktioniert, und ähnlich ausgeprägt könnte er in der Schweiz und Europa in zehn Jahren sein. Es ging hier einfach viel schneller und so ist man viel weiter.

Gibt es eine Anlaufstelle bei der Botschaft für Schweizer KMU mit Fokus auf den Markteintritt in China?

Burri: Die Schweizer KMU sind eine Priorität des Schweizer Aussennetzes – und zwar in Form des Swiss Business Hub China. Er erbringt viele und kostengünstige Dienstleistungen. (Anm. der Red.: Der Swiss Business Hub China ist die Vertretung von Switzerland Global Enterprise (S-GE), der offiziellen internationalen Agentur zur Förderung von Handel und Investitionen in Peking, Schanghai und Guangzhou.)

Cleantech war ein Stichwort dieses Forums: Sind chinesische Firmen bereit, dazuzulernen und mit Schweizer Firmen zusammenzuarbeiten?

Burri: Das ist ein Zusammenarbeitsbereich, bei dem die Chinesen viel Interesse zeigen. Es gibt in China gewaltige Investitionen in grüne Energie, insbesondere Solar- und Windenergie. Die Chinesen orientieren sich daran, was in anderen Ländern funktioniert und sich auf dem Markt bewährt. Aber sie entwickeln vor allem ihr eigenes Land sehr schnell weiter und setzen nun auch selber Standards.

Mark Gasser

Chefredaktor
Zürcher Wirtschaft

Ihre Meinung ist uns wichtig

Das Thema ist wichtig.

icon_thumbs_up
icon_thumbs_down

Der Artikel ist informativ.

icon_thumbs_up
icon_thumbs_down

Der Artikel ist ausgewogen.

icon_thumbs_up
icon_thumbs_down

Anzeige