Schloss-Garage: Integration mit Tradition

Seit Jahren beschäftigt die Schloss-Garage Winterthur Menschen mit Beeinträchtigungen. Der spontane Entscheid ist zur festen Überzeugung geworden: Die Integration beeinträchtigter Mitarbeiter ist nicht nur eine soziale Verantwortung, sondern auch wirtschaftlich interessant – wenn die Rahmenbedingungen stimmen.

Bild zvg

Die Schloss-Garage Winterthur ist ein Drei-Generationen-Betrieb.

Wann genau Christian und Julia Maier damit begonnen haben, Menschen mit Beeinträchtigungen in ihrem Unternehmen zu integrieren, wissen sie nicht mehr genau. «Wir sind vor vielen Jahren in die Sache hineingestolpert», erinnert sich Julia Maier, die sich im Familienbetrieb um die Mitarbeitenden kümmert. Irgendwann kam eine Anfrage von einer Institution: Ob sie einem jungen Mann mit psychischer Beeinträchtigung ein Praktikum ermöglichen könnten? Ohne lange zu zögern, sagten sie zu – und machten gute Erfahrungen. Als der Betrieb später eine Teilzeitstelle zu vergeben hatte, kam man auf den ehemaligen Praktikanten zurück und stellte ihn an. «Noch heute gehört er zu unserem 25-köpfigen Team», sagt Christian Maier. Später folgten weitere Anfragen von Stiftungen, und inzwischen arbeiten in der Schloss-Garage drei Menschen mit Beeinträchtigungen, zwei von ihnen beziehen eine IV-Rente.

«Geht nicht um Wohltätigkeit»

Der Betrieb ist und war immer offen, Neues auszuprobieren und sich sozial zu engagieren. «Es sind oft tragische Umstände, die jemanden in die IV führen. Wenn wir unterstützen können, machen wir das gerne», sagt Julia Maier. So wie etwa den 28-Jährigen Administrationsleiter Severin*, der noch vor gut drei Jahren nach einem schweren Motocross-Unfall im Rollstuhl sass. An eine Rückkehr in seinen Lehrberuf als Karosseriespengler war nach sechs Hüft- und Beinoperationen nicht mehr zu denken. Der junge Mann liess sich mithilfe der SVA Zürich zum Kaufmann umschulen und bewarb sich bei der Schloss-Garage. Dort richteten sie ihm im Mai 2021 eine 60-Prozent-Stelle ein. Von Beginn an habe man «auf Augenhöhe gearbeitet», sagt Severin im SVA-Portrait. Christian Maier sagt: «Severin war attraktiv für uns», zum einen, weil er viel von Autos verstand, zum anderen, weil die IV-Stelle der SVA Zürich in den beiden Jahren der berufsbegleitenden Umschulung den Lohn nahezu vollständig übernahm. «Er hat uns fast nichts gekostet – ausser Aufmerksamkeit.»

Die IV muss dafür sorgen, dass möglichst viele Menschen mit Beeinträchtigungen in normale Unternehmen integriert werden können und die finanziellen Mehrkosten

Christian Maier


Die Maiers betonen, dass es bei der Integration nicht um Wohltätigkeit gehe, sondern auch darum, die wirtschaftliche Machbarkeit sicherzustellen. «Wir sollten uns als Gesellschaft dafür einsetzen, dass wir eine (Arbeits-)Welt schaffen, in der wir alle arbeiten und leben möchten, mit und ohne Behinderung.» Schliesslich sei die Anstellung von Menschen mit Beeinträchtigung auch ein Gewinn fürs Unternehmen – solange eben die Rechnung aufgehe.

IV ist in der Pflicht

Und hier sieht Christian Maier vor allem die Invalidenversicherung (IV) in der Pflicht, KMU bei der Integration zu unterstützen. Die IV müsse dafür sorgen, dass möglichst viele Menschen mit Beeinträchtigungen in normale Unternehmen integriert werden können und die finanziellen Mehrkosten, die dadurch entstehen, ausgeglichen werden. «Menschen mit Beeinträchtigung haben unterschiedliche Bedürfnisse, arbeiten manchmal langsamer oder brauchen öfter eine Pause – darauf einzugehen ist kein Problem, solange die Kosten aufgefangen werden», betont Julia Maier. Diese Gegebenheiten kommuniziert Julia Maier auch offen den anderen Mitarbeitenden. Denn: «Eine der grössten Herausforderungen bei der Integration ist die Akzeptanz innerhalb des Unternehmens», betonen die Maiers. Daher müsse klar kommuniziert werden, dass die betroffenen Mitarbeitenden weniger verdienen oder das Unternehmen Kosten spart. Offene und transparente Kommunikation sei hier entscheidend. In der Schloss-Garage gibt es keine speziellen Strukturen für die Mitarbeitenden mit Beeinträchtigungen. Stattdessen liegt der Fokus darauf, sie schnell in die Arbeitsprozesse zu integrieren und produktiv zu machen. Flexibilität ist der Schlüssel – sei es durch prozentuale Anstellungen oder flexible Arbeitszeiten. «Das gibt den Mitarbeitenden das Selbstbewusstsein, dass sie trotz ihrer Beeinträchtigung einen wertvollen Beitrag am Unternehmenserfolg leisten können», sagt Julia Maier.

Machbar für KMU

Die Maiers sind überzeugt, dass KMU die nötige Flexibilität besitzen, um Menschen mit Beeinträchtigungen erfolgreich zu integrieren. Sie glauben, dass es für jedes KMU möglich sein sollte, eine solche Integration umzusetzen, wenn die Rahmenbedingungen stimmen. Dazu brauche es die richtigen Anreize, passende Unterstützung und eine Kultur der Offenheit und Akzeptanz innerhalb des Unternehmens. Nur so könne sichergestellt werden, dass die Integration gelingt und die Betroffenen einen echten Mehrwert für das Unternehmen darstellen.

Integration von Flüchtlingen

Haben Julia und Christian Maier auch schon schlechte Erfahrungen mit der Integration von Menschen mit besonderen Bedürfnissen gemacht? «Nein», sagen die beiden, ohne zu überlegen. Allerdings seien sie vor Jahren bei der Integration von zwei eritreischen Flüchtlingen gescheitert. Anfänglich lief es gut, doch im Laufe der Zeit zeigten sich Probleme, die unter anderem auf die Anreizstrukturen im System zurückzuführen waren. «Man kann ohne Arbeit fast das gleiche Einkommen erzielen, was die Motivation untergräbt», erklärt Christian Maier. Menschen, die mehr arbeiten, sollten auch mehr verdienen können, ohne dass ihre zusätzlichen Einkünfte vollständig auf ihre Sozialleistungen angerechnet werden. Dieses Missverhältnis erschwere derzeit die nachhaltige Integration in den Arbeitsmarkt.


Fazit: Mit der richtigen Unterstützung und den passenden Rahmenbedingungen kann jedes KMU Menschen mit besonderen Bedürfnissen integrieren und sogar einen Mehrwert daraus ziehen. Wichtig ist dabei, dass die Integration nicht als Last, sondern als Chance gesehen wird – für die Unternehmen und für die betroffenen Menschen.
*Name geändert

Anna Birkenmeier

Redaktion Zürcher Wirtschaft

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