«Peers durchleben dieselbe wilde Zeit»

Am 31. Oktober und 1. November finden in den Winterthurer Eulachhallen wieder die Startup Nights statt, die heuer rund 8000 Gäste anziehen. Organisatorisch laufen die Fäden bei Alyssia Kugler zusammen, der Geschäftsführerin des Entrepreneur Club Winterthur, der den Event organisiert.

Bild zVg

Alyssia Kugler, Organisatorin der Startup Nights in Winterthur, des schweizweit grössten Startup-Events.

Ihre Begeisterung für Startups und Innovationen motiviert sie, die Startup-Szene und die Innovationskraft in Winterthur und der Schweiz zu unterstützen: Alyssia Kugler (26) organisiert mit ihrem Team die Startup Nights, den schweizweit grössten Startup-Event, was etwa auch den Aufbau eines freiwillig arbeitenden Teams sowie die Partnerpflege oder -suche beinhaltet. Im Jahr 2018 war die heutige Geschäftsführerin des Entrepreneur Club Winterthur (ECW), die an der ZHAW ihren Bachelor in Journalismus mit Vertiefung Unternehmenskommunikation absolviert hat, Mitbegründerin des Startup-Magazins «Founded», ebenfalls aus dem Kreis des ECW.

Die Startup Nights zielen darauf ab, das nationale Startup- und Innovationsökosystem zu vernetzen sowie mit Wissen und Inspiration zu versorgen. Ist es Zufall, dass der Event in Winterthur mit heute rund 8000 Besuchern so gross wurde?

Alyssia Kugler: Nein, sicher nicht. Hauptsächlich ist das wohl ECW- und Startup-Nights-Gründer Raphael Tobler, dem heutigen Präsidenten der Swiss Startup Association, zu verdanken, der immer vorausgegangen ist und alle nachgezogen hat. Er hatte eine starke Vision und eine sehr hohe Leistungsbereitschaft und tat sehr viel dafür, dass es so weit kommen konnte. Die Startup Nights fanden von Anfang an guten Anklang und vergrösserten sich von 2018 bis 2021 stetig, als wir zwischen 800 und 1300 Gästen im Technopark Winterthur verzeichneten. Dann wagten wir den grossen Sprung: Wir, die den Anlass mitorganisieren, sind alles Macher. Und wenn wir vier Jahre lang dasselbe machen, sind wir fast wieder unterfordert. So wechselten wir die Location, buchten die Eulachhallen, und erweiterten den Anlass von einem auf zwei Tage. Und kamen dann auf 8000 Gäste, also sechsmal mehr als zuletzt 2021.

Wie haben Sie diesen Sprung geschafft?

Kugler: Wir sind stark über unser Netzwerk gewachsen, der Event, die Stimmung, das sprach sich herum. Durch ein gutes Team – hauptsächlich von Volunteers – konnten die Aufgaben gut verteilt werden. So ist es kein Zufall, sondern viel visionäres Denken, viel Leistungsbereitschaft und Risikobereitschaft im Spiel – tatsächlich unternehmerisch.

Was macht die Startup Nights in den Eulachhallen in Winterthur besonders im Vergleich zu anderen Startup-Events?

Kugler: Für Startups ist es sehr wichtig, gut vernetzt zu sein. Und bei uns ist es sehr familiär, Community-getrieben, und man kommt sehr einfach ins Gespräch. Jeder kennt jeden um drei Ecken, also kommt man sehr schnell dazu, sein Netzwerk zu erweitern.

Wir bieten keinen hochpolierten Event – ohne einheitliche Stände, mit Selbstbedienung an den Kühlschränken, kostenlosem Essen, damit man sich wie zu Hause fühlt, und abgedunkelten Räumen, um dem Etikett «Nights» gerecht zu werden. Das bestätigt: Die Atmosphäre stimmt für viele.

Welche Kriterien werden angewandt, um die innovativsten Startups von Winterthur und Umgebung zu küren?

Kugler: Bei der Vorauswahl wird schon geprüft, ob die Geschäftsidee skalierbar ist, wie hoch der Grad der Innovation und die Einzigartigkeit sind. Auch die Zusammensetzung des Teams sowie der Product-Market-Fit (Marktnachfrage) müssen positiv bewertet werden. Aber ich kann dazu nicht zu viel sagen, denn am Schluss bewerten es die Investoren. Sie treffen die Vorauswahl und haben einen eigenen Kriterienkatalog.

Ihre persönlichen Highlights der diesjährigen Startup Nights?

Kugler: Übergreifend finde ich es das Beste, dass wir ein Umfeld schaffen, in dem alle sehr optimistisch sind und sich gegenseitig unterstützen. Man kann hingehen, eine Idee teilen, und erhält entweder Zuspruch, konstruktives Feedback oder Kritik. Und das ist sehr wichtig, um Entrepreneurship und Gründung zu fördern.Ein anderes Highlight ist die Pitching Competition, bei der Investoren gegenüber ein Geschäftsmodell gepitcht werden muss – ähnlich dem Format von «Höhle der Löwen», aber live. Insgesamt pitchen acht Startups und am Schluss evaluiert die Jury, welche Top 3 an der Preisverleihung einen Geldbetrag erhalten.

Wie unterstützen die Startup Nights (lokale) Startups dabei, innovative Ideen in die Realität umzusetzen?

Kugler: Es gibt zum Beispiel Workshops zu verschiedenen Themen. Bei einigen sprechen wir ganz frische Startups an, etwa bei der Klärung der ganzen Fragen um Rechtsform und Investorensuche, oder für erfahrene Startups behandeln wir Fragen rund um Mitarbeiterbeteiligung, Tipps für erfolgreiche PR mit kleinstem Budget oder die besten Exit-Strategien je nach Phase oder Grösse des Startups. Weiter haben wir auf der Hauptbühne Keynotes und Panels. Diese dienen vor allem der Inspiration, aber auch dazu, um die Erfahrungen anderer Unternehmer mitzunehmen. Allgemein ist der Peer-to-Peer-Kontakt sehr wertvoll – vermutlich wertvoller als der Input eines Experten oder Coaches. Denn die Peers durchleben dieselbe «wilde Zeit» und man kann sich gegenseitig auf vielen Ebenen weiterhelfen. Und das spricht fürs Networking und die offene, ungezwungene Atmosphäre.

Welche Vision haben Sie für die Zukunft der Startup Nights in Winterthur?

Kugler: Gerade gestern hatten wir Vorstandssitzung zu dem Thema und fanden: Wir wollen den Event nicht mehr grösser machen. Aber Side-Events werden wir sicher vergrössern, ebenso wie andere Events während des Jahres. Etwa Investoren-Events: Ziel ist es, Investoren zusammenzubringen, aber auch bestehende weiterzubilden und neue potenzielle Investoren anzusprechen. Das können etwa wohlhabende Menschen sein, die ans Thema Private Equity Management herangeführt werden. Auch an den Startup-Nights ist ein Investoren-Event geplant.

Und sonst?

Kugler: Wir werden das Nachwuchs-Programm ausweiten, um den Karriereweg Gründen unter Studierenden, aber auch Gymnasiasten bekannt zu machen. Und den Hackathon Winterthur (wo Hacker in 48 Stunden echte Cases aus KMU programmieren und einen Prototyp codieren) werden wir wieder durchführen. Zweimal fand dieser vor Corona in Winterthur statt, einmal auf Mandatsbasis für den Kanton Thurgau – gemeinsam mit der Kantonsschule Romanshorn. Eine der Aufgabenstellungen daraus an die rund 25 Viererteams: Tour de Suisse Velos wollte ihren Onlineshop verbessern.

Welche Herausforderungen haben Sie als Organisatorin bei der Planung und Durchführung der Startup Nights erlebt?

Kugler: Ich finde, die grösste Herausforderung ist, dass wir zum grössten Teil auf Volunteer-Basis arbeiten. So ist die Organisation auf sehr vielen Schultern verteilt, das bedingt eine grosse Koordinationsarbeit und macht das Ganze komplex. Das Führen von Volunteers, die eine andere Motivation und andere Ansprüche haben als Mitarbeitende, ist für mich die wohl grösste Challenge. Wir wollen Startups so wenig wie möglich belasten, deshalb sind wir hauptsächlich über Partnerschaften finanziert. Standplätze etwa sollen so günstig wie möglich sein. Das ist eine Challenge, aber auch eine schöne Aufgabe, finde ich. So erweitert man sein Netzwerk und schafft wieder viele Synergien zwischen Startups und Firmen. Hinzu kommen die Ticket Sales: Viele kommen unglaublich spontan. So ist es schwierig, zu beurteilen: Haben wir nun genug Tickets, oder braucht es noch eine riesige Marketingkampagne – mit Geld, das wir vielleicht gar nicht haben?

Wen wird man auf dem Panel an den Startup Nights «Innovation trifft Erfahrung: So profitieren KMU und Startups voneinander», an dem sich auch der KGV beteiligt, antreffen?

Kugler: Im Panel, das von Bert Hofmänner vom KMU-Verband Winterthur und Umgebung moderiert wird, ist Jeremias Wehrli von Cyltronic (Entwickler von Elektrozylindern) und Christian Kramer, CEO und Co-Founder FOOD2050 aus Startup-Perspektive dabei und ein Industrie-Player mit Peter Mühle, R&D Manager Isliker Magnete AG sowie Christian Gerber, Head of Innovation bei ZFV Unternehmungen.

Mark Gasser

Chefredaktor
Zürcher Wirtschaft

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