Party ohne Kater? Treibhausgase absaugen, basta!

Neujahrsvorsatz durchgehalten? Null Alkohol im Januar? Ganz nach dem Motto der Zeit: Genuss ja – aber mit Mass! Vor zehn Jahren gab eine Pille zu reden, die soll uns berauschen, als hätten wir zwei Flaschen Bordeaux getrunken – bloss ohne die üblichen Lästigkeiten danach. Der britische Pharmakologe David Nutt mixte sie, sie schaltet unser Hirn alkoholfrei auf Trunkenheitsmodus. Mit im Set die Ausnüchterungspille, die uns «sofort wieder normal» werden lässt. Ein Rausch sozusagen mit On- und Out-Knopf, null Risiko. Pharma als Produzentin reuelosen Glücks.

Im Handel erhältlich immerhin: die Fettweg-Spritze. Dank Wegovy, dem Adipositas-Medikament, schlemmen wir grenzenlos – und bleiben fit und schlank. Es geht also doch noch voran mit der Zivilisation. Die Menschen vor uns mussten wählen zwischen Ekstase und Askese – keine Sünde ohne Reue. Wir feiern Party ohne Kater.

Funktioniert das auch gesellschaftlich? Befreit uns Technik von den Sorgen um die Folgen unserer exzessiven Lebensart? Schon gehört von der Motte «Galleria mellonella»? Sie frisst Wachs – und Plastik, was kein Wunder ist, denn Wachs ist eine natürliche Art von Plastik, chemisch ähnlich dem Polyethylen. Also: Motten züchten – und fröhlich weiter mit dem Plastikmüll. Dito Bienensterben: Japanische Forscher bestäuben Pflanzen mit Seifenblasen; hapert noch, doch wir glauben gern daran.

Erst recht glauben wir ans Entsorgen der Treibhausgase. Zurücksaugen, basta! Carbonschlürfer holen Kohlendioxid aus der Luft, pumpen es in Gewächshäuser, quasi als Pflanzentreiber, lagern es in grossen Mengen im Meeresboden ein. Technisch machbar. Als besonders sicher gilt die Speicherung in basischem Gestein wie Basalt. Leitet man das Gas dort samt Wasser in die Tiefe, ändert es seinen Zustand: CO₂ mineralisiert, wird zu festem Carbonat. Island speichert so bereits ein paar Tausend Tonnen. Die Inselnation hat Kapazitäten für mehrere Millionen, spekuliert auf ein kleines Wirtschaftswunder. Das Geschäft wittern auch Dänemark, Grossbritannien, die Niederlande. Und Fossil-Multis, sie könnten die Löcher, aus denen Öl und Gas kamen, einfach wieder stopfen. Das Tolle daran: Es muss sich wenig ändern. Keine ungeliebten Windräder, keine Alpensolarplantagen, keine Fusionsreaktoren. Wir können fossil weiter verpulvern – neu gar ohne schlechtes Gewissen.

Weniger toll: Wohin stopfen wir Hunderte Milliarden Tonnen? Ohne Erfahrung mit dieser Endlagerung? Vor allem: Es wird brutal teuer. CO₂ lässt sich nicht vom Himmel winken, man muss es binden, zum Beispiel an Aminlösungen, dann wieder freigeben. Geht nur mit Temperaturen über 100 Grad, braucht also enorm Energie. So kehrt der Kater doch zurück – nämlich als Kosten: Wir werden Energie künftig doppelt bezahlen, für die Produktion (wie bisher, schon heute immer teurer) – und neu für die Entsorgung der Emissionen.
Da wäre es – rein ökonomisch – wohl doch schlauer, emissionsfreie Energie voranzutreiben.

Ludwig Hasler

Philosoph, Physiker, Autor und Menschenkenner lhasler@duebinet.ch

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