Onlineshopping: Konsumwahnsinn oder nachhaltige Alternative?

Die Wahl zwischen Online- und Offline-Einkauf ist für die Umwelt letztendlich nicht ausschlaggebend; entscheidend ist vielmehr das individuelle Konsumverhalten.

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Kaum vergleichbare Studien: Über den ökologischen Fussabdruck von Online-Shopping lässt sich streiten.

Die «Handelszeitung» geht mit dem Black Friday Ende November des vergangenen Jahres hart ins Gericht: «Konsumwahnsinn», titelt sie und führt dafür auch gleich die Argumente auf. Die Shopping-Gier veranlasse uns oft dazu, Spontankäufe zu tätigen und Dinge zu kaufen, für die wir gar keinen Bedarf hätten und deshalb früher oder später im Abfall landeten. Vor allem Online-Einkäufe seien kritisch für das Klima, weil sie hohe CO2-Emissionen verursachten. So seien während der Black-Friday-Woche 2022 schätzungsweise 1,2 Millionen Tonnen CO2 allein durch Lastwagen-Transporte in Europa freigesetzt – 94 Prozent mehr als in einer durchschnittlichen Woche. Der Black Friday löst heutzutage keine Anstürme im stationären mehr Handel aus, sondern spielt sich vorwiegend per Mausklick ab.

Versandhandel effizienter?

Dass der Onlinehandel den Konsum anheize und hohe CO2-Emissionen verursache, sei durch Studien längst widerlegt, sagt Tobias Billeter, Head of Corporate Communications bei Digitec Galaxus. «Der stationäre Handel hört es zwar nicht gerne, doch der Versandhandel ist aus Klimasicht effizienter.»

Das belege eine Untersuchung des Freiburger Öko-Instituts, die zwar nicht mehr ganz aktuell, aber dennoch eine gute Vergleichsbasis sei. Darin wurden die Emissionen verglichen, die beim Kauf von Schuhen entstehen. Diesem konkreten Fall aus der Praxis zufolge verursache der Schuhkauf im stationären Handel doppelt so viel CO₂ wie der Onlineeinkauf. Grund dafür sei vor allem der Stromverbrauch in den Geschäften. Die Retourenflut – das grosse Problem des Onlinehandels – ist in dieser Kostenzusammenstellung allerdings nicht berücksichtigt.

«Wie auch immer, wir können den Konsumentinnen und Konsumenten schlussendlich ja nicht vorschreiben, wie und wo sie einzukaufen haben», sagt Billeter. Online oder offline sei dem Klima egal – viel entscheidender hingegen sei, was und wie konsumiert würde.

Konsumverhalten entscheidend

Tatsächlich ist das Konsumverhalten wohl der grössere Treiber, wenn es darum geht, die Nachhaltigkeit eines gekauften Artikels über alles zu beurteilen. Zudem besagt eine Studie des Umweltbundesamts (UBA) in Deutschland, dass der Anteil von Transport und Handel eines Produkts nur zwischen einem und zehn Prozent liege. Umwelteinwirkungen werden entlang des Lebensweges eines Produktes verursacht – also von der Herstellung, der Distribution, der Nutzung bis hin zur Entsorgung. Dazu kommen die jeweiligen vor- und nachgelagerten Prozesse. Das heisst, dass bereits vor der Produktion die Gewinnung von Rohstoffen und deren Umweltauswirkungen in die Öko-Bilanz aufgenommen werden müssten.

Das Beste ist das Neuste

Ein verbreitetes Beispiel für nicht-nachhaltiges Konsumverhalten ist der ständige Drang, immer das neueste Produkt zu besitzen, sei es ein Smartphone, ein Modell von elektronischen Geräten oder Modeartikel. Dies führt dazu, dass Produkte oft ersetzt werden, obwohl sie noch funktionsfähig sind. Das ist schlecht für die Umwelt.

Ärgerlich für den stationären Fachhandel ist im Zusammenhang mit dem Onlineshopping der Beratungsklau. Skrupellos lässt man sich heutzutage im Laden vom ausgebildeten Personal beraten, um den Artikel anschliessend als Schnäppchen im Internet zu kaufen. Probiert den Laufschuh unter fachkundiger Anleitung, um ihn dann beim günstigsten Anbieter online zu bestellen. Kurvt mit dem Kinderwagen im Fachgeschäft herum, um ihn dann vom Internethändler per Mausklick portofrei ins Haus liefern zu lassen. Lässt sich im Reisebüro eine Fernreise ausbrüten und bucht diese dann direkt beim Tour Operator im Reiseland.

Beratungsklau geht um

Den Beratungsklau kennt auch Hans-Peter Waller vom gleichnamigen Zweirad-Center in Uster. «Früher hatten wir Kinderanhänger da, damit wir diese vor Ort den Eltern vorführen und diese fachmännisch beraten konnten», sagt er. Nicht wenige hätten sich für die Beratung bedankt und seien ein paar Tage später mit einem billigeren Modell von der Konkurrenz oder aus dem Internet an ihrem Schaufenster vorbeigeradelt. Von schlechtem Gewissen keine Spur. Die Devise des Fachgeschäfts, das bereits in der dritten Generation geführt wird: «Verkaufen kann letztlich jeder. Bei uns erhält man dazu die professionelle Beratung und nach dem Kauf den Service und, wenn nötig, führen wir auch Reparaturen aus». Und das sei letztendlich das Erfolgsrezept und führe zu einer treuen Stammkundschaft. Es ist für den Fachhandel zu hoffen, dass diese Rechnung aufgeht.

Nachhaltige Pizzalieferung

Und wie nachhaltig ist es eigentlich, wenn man sich die Pizza via Online-Shop ins Haus liefern lässt? Genau beziffern könne man das nicht, meint Marko Jovanovic, Inhaber des Restaurants Il Basilico, der von zwei Zürcher Standorten aus auch Pizzas und andere italienische Gerichte ins Haus liefert. «Aber wenn wir 300 Pizzen pro Abend ausliefern und dem gegenüberstellt, dass dafür in den Haushalten 300 einzelne Backöfen auf 180 Grad aufgeheizt werden müssten, könnte die Rechnung doch recht positiv aussehen», meint er. Zudem plane er die Touren nachhaltig von zwei Standorten aus, verwende abbaubaren Karton und habe bereits sechs Elektro-Scooter im Einsatz.

Gerold Brütsch-Prévôt

Redaktioneller Mitarbeiter Zürcher Wirtschaft

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