Noch einmal Winnetou
Noch einmal beginne ich mit dem Indianerhäuptling Winnetou. Und zwar deshalb, weil ich diesen Namen bereits Oktober letzten Jahres im Titel meines Editorials hatte. Damals ging es um die kulturelle Aneignung und das Bild, das Karl May zeichnete. Und weil dieses Bild gemäss Social-Media nicht mehr so richtig in die aktuelle Zeit passen soll, mussten Kinderbuch und Film über die «Woke»-Klinge springen.
Sauhatz
Diesmal meine ich aber die Wasser-Glacé, die wir alle kennen. Im Zuge der öffentlichen Empörung hat der Hersteller nun beschlossen, die Glacé zwar immer noch Winnetou zu nennen. Aber das schöne Porträt des Häuptlings mit Federschmuck ist verschwunden. Irgendwie aber doch nicht so ganz, denn weiterhin sind zwei bunte Federn über dem Namen zu sehen. Frisco/Nestlé haben sich also der Veränderung angepasst, wenigstens ein bisschen… Sie wollen nicht auf die Idee verzichten, aber als Firma auch nicht einer öffentlichen Sauhatz (neudeutsch: Shitstorm) zum Opfer fallen. Raffiniert!
In Zeiten von Social-Media ist nicht mehr wahnsinnig viel nötig, dass man an den Pranger gestellt wird. Und als KMU kann man sich das noch viel weniger leisten als die grossen Firmen. Wir müssen also in solchen Situationen sehr überlegt und pragmatisch reagieren. Und vor allem sollte man es sich verklemmen, die Welt retten zu wollen. Das sollen weiterhin anonyme Privatmenschen erledigen (z.B. Trimubutz96 oder wie sie alle heissen) oder Firmen, die mit ihrem Produkt völlig einzigartig sind (siehe www.dubler-mohrenkopf.ch). Aber sogar auf der Dubler-Homepage steht heute bereits: «Beim Mohrenkopf handelt es sich um einen Schokokuss.»
Neue Spielregeln auch für KMU
Wir können diese Erkenntnisse nun direkt in unser tägliches KMU-Leben übertragen. Die Veränderung der Gesellschaft ist im Gange, die neuen Generationen haben andere Massstäbe und Ziele. In der Woke-Diskussion und der öffentlichen Empörung verschieben sich die Ansichten immer mehr. In den Unternehmen bekommen wir das aber vor allem bei Lohnfragen und bei den Ansprüchen bei Neuanstellungen zu spüren. Die Arbeit ist nicht mehr im Mittelpunkt des Lebens, Work-Life-Balance ist das Zauberwort. Darauf hätten wir vielleicht auch ein bisschen mehr achten können. Wenn die Forderung bei einem 80%-Job aber ist, dass der Lohn trotzdem bei 100% liegen soll, damit man sich das Leben leisten kann, wird es für die KMU schwierig. Weil im Moment überall zum Teil verzweifelt Leute gesucht werden, müssen wir uns trotzdem darauf einlassen und vielfach über unseren Schatten springen. Das sollten wir so clever wie möglich machen, dazu dürfen wir gerne bei Frisco/Nestlé lernen. Auch wenn uns das mit den Federn eigentlich unverständlich bleibt.
Übrigens: Das Wort «Indianer» wird offiziell nicht mehr verwendet, neu sind das die «indigenen Völker Nordamerikas», die «Native Americans» oder die «First Nation». Damit kann ich leben. Ich halte einfach fest, dass wir KMU dann eigentlich auch so etwas ähnliches wie eine erste Nation sind. Denn zu Beginn der Schweiz gab es uns, die Verwaltung kam dann erst später.
Werner Scherrer
Präsident KMU- und Gewerbeverband Kanton Zürich KGV
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