«Nachhaltigkeit ist en vogue»

Neu kaufen anstatt wiederverwerten: Nachhaltigkeit ist zwar überall ein grosses Thema, in den Köpfen angelangt ist es vielfach aber nicht. Dabei hätten Elektrogeräte eine oft doppelt so lange Lebensdauer. Das Zürcher Unternehmen Green-iTech GmbH macht sich das zunutze, bereitet alte Computer neu auf und verkauft diese Secondhand.

Bild Anna Birkenmeier

Stefan Flüge in seinem EDV Secondhand Geschäft in Zürich Wollishofen

Jährlich werden in der Schweiz rund 1,5 Millionen neue Laptops in Betrieb genommen. Ein Glück für Sie?

Stephan Flüge: Ich finde die Zahl eher bedenklich. Aber ja, unser Business funktioniert auch dank dem Konsumverhalten der Schweizerinnen und Schweizer. Es ist nach wie vor viel Geld vorhanden und oftmals ist es einfach bequem, ein neues Gerät zu kaufen, anstatt es reparieren zu lassen oder sich ein Secondhandprodukt anzuschaffen. Unser dreiköpfiges Team hat der Ressourcenverschwendung und Wegwerfmentalität in der EDV deshalb den Kampf angesagt! Denn oftmals reicht eine kleine Auffrischung und Optimierung und der Computer ist wieder wie neu. Allerdings zeigt sich schon, dass die Qualität der neuen Computer gesunken ist – der Konsument soll schliesslich möglichst schnell etwas Neues kaufen, damit das Wirtschaftswachstum erhalten bleibt.

Dazu wird die Lebensdauer von Geräten bewusst verkürzt. Gibt es diese Sollbruchstellen in den Geräten tatsächlich?

Flüge: Das bezweifle ich. Kein Hersteller könnte es sich leisten, dass ihm eine solche Manipulation nachgewiesen wird. Das wird anders, diskreter gemacht: Bei einem Drucker heisst es nach 100 000 Seiten Druck, dass der Hersteller die verkaufte Qualität nicht mehr garantieren kann. Deswegen wird angezeigt, dass etwa der Druckknopf ersetzt werden muss, was technisch nicht möglich ist. Somit wird der Konsument gezwungen, einen Neuen zu kaufen.

Bei KMU ist der Nachhaltigkeitsgedanke oft stärker ausgeprägt; sie lassen ihre Produkte reparieren oder statten gleich ihr ganzes Büro mit Secondhand-Computern aus.

Stefan Flüge, Geschäftsführer von Green-iTech GmbH

Inflation, Klimakrise und eine ungewisse Zukunft – Inwiefern hat sich das Konsumverhalten verändert?

Flüge: Es wird gespart; das spüren wir und sehen es als Chance. Nachhaltigkeit ist derzeit en vogue. So sehr ist der nachhaltige Gedanke allerdings noch nicht in den Köpfen angelangt. Ich denke da insbesondere an unsere fordernde Klimajugend.

Zählen die Greta-Anhänger denn nicht zu Ihrer Kundschaft?

Flüge: Definitiv nicht. Unsere Klientel sind mehrheitlich Menschen um die 60+. Was die Jungen fordern, lebt, nach meiner Wahrnehmung die ältere Generation. Unser Angebot ist, zumeist aus Kostengründen, auch bei vielen Familien willkommen. Allerdings erlebe ich immer wieder, dass die Eltern ihre Kinder schon fast dazu zwingen müssen, ein Secondhand Produkt zu akzeptieren.

Viele Grossunternehmen tauschen alle zwei bis drei Jahre ihre gesamte EDV aus. Hat hier ein Umdenken stattgefunden?

Flüge: Nach einem gewissen Zeitraum sind die Geräte abgeschrieben und die Unternehmen schaffen sich, alleine aus diesem Grund, neue an. Früher wurden Jahr für Jahr tausende Geräte weggeschmissen bzw. ins Recycling gegeben und man hatte keine Chance, an diese heranzukommen. Hier hat ein Umdenken stattgefunden und diese Produkte fliessen wieder in den Markt ein. Auch wir beziehen teilweise über diesen Kanal unsere Ware, bereiten sie auf und verkaufen sie wieder. Bei KMU ist der Nachhaltigkeitsgedanke oft stärker ausgeprägt; sie lassen ihre Produkte reparieren oder statten gleich ihr ganzes Büro mit Secondhand-Computern aus.

 Die Schweiz ist Weltmeister im Recyceln: 98 Prozent der Elektrogeräte werden rezykliert. Worin liegt denn der Vorteil von Secondhand contra Recyceln?

Flüge: Mit jedem Elektrogerät das man kauft, bezahlt man direkt eine Recyclinggebühr mit. Der hohe Recycling-Wert ist erfreulich, allerdings werden dabei auch Ressourcen verbraucht. Das beste Recycling ist die Weiterverwendung des Produktes!  Der Kauf eines secondhand PCs spart rund 1.8 Tonnen CO2 ein.

Ein vielgenanntes Argument für den Kauf eines neuen Gerätes ist der verminderte Stromverbrauch. Was sagen Sie dazu?

Flüge: Stromsparen ist ein Thema, aber die Einsparungen bei einem Laptop oder PC sind so gering, dass es nicht wirklich ein Argument ist. Da fallen bei einem Secondhandgerät die eingesparten Ressourcen wie Lycium, Aluminium oder seltene Erden ganz anders ins Gewicht. Teilweise verbrauchen neue Geräte übrigens mehr Strom, weil sie eine höhere Leistung haben.

Die EU fordert, dass es in Zukunft 10 Jahre Ersatzteile für Elektrogeräte geben muss. Macht das Sinn?

Flüge: Es macht Sinn, die Forderung zu stellen – was dabei herauskommt, ist allerdings fraglich. 10 Jahre ist eine lange Zeit und eine Ressourcenverschwendung könnte die Folge sein. Wir werden viele Ressourcen für die Ersatzteile brauchen und dafür, sie zu lagern. Möglicherweise ist es da sinnvoller, alte Geräte «auszuschlachten» und Einzelteile davon wiederzuverwerten. Die EU-Vorschrift, dass USB-C Kabel Standard werden, begrüsse ich hingegen sehr. Nebst dem, dass einem der Kabelsalat in Zukunft erspart bleibt, muss weniger produziert und entsorgt werden.

Anna Birkenmeier

Redaktion Zürcher Wirtschaft

Ihre Meinung ist uns wichtig

Das Thema ist wichtig.

icon_thumbs_up
icon_thumbs_down

Der Artikel ist informativ.

icon_thumbs_up
icon_thumbs_down

Der Artikel ist ausgewogen.

icon_thumbs_up
icon_thumbs_down

Anzeige