Mobilität: Digitalisierung hilft dem Gewerbe nur teilweise

Kunden zu bedienen und Baustellen zu beliefern, wird für das Gewerbe in den Städten immer mehr zur Herausforderung. Die Digitalisierung vereinfacht vieles, löst die Probleme aber nicht.

Bild zvg

Der «Sesmo» (Schibli Elektro Service Mobil) der Firma Kyburz.

Gewerbetreibende könnten sich durchaus fragen, aus welchem Grund ihre Kundinnen und Kunden nicht gleichbehandelt werden, wie diejenigen von Taxiunternehmen. Taxifahrzeugen ist es erlaubt, Busspuren zu benutzen, um ihre Kunden pünktlich ans Ziel zu bringen. Der Handwerker dagegen steht händeringend im Stau, während die Kundschaft wartet und wartet. Warum dem Wirtschaftsverkehr nicht generell die gleiche Sonderbehandlung gewähren wie dem öffentlichen? Und wenn der Bund darüber nachdenkt, Busspuren für mit ab drei Personen besetzten Autos zu öffnen, so müsste das doch auch für das Gewerbe möglich sein. Intelligente Verkehrsampeln, die Fahrzeuge erkennen können, wären eine Lösung dafür.

Ein guter Mix ist wichtig

«Das wäre natürlich traumhaft, wenn unsere Servicemonteurinnen und Servicemonteure auf dem Weg zu unserer Kundschaft die Busspur benützen dürften», sagt Jan Schibli, Inhaber der Schibli-Gruppe. «Neben dem Stau ist aber eines unserer Hauptprobleme nach wie vor die fehlenden Parkplätze. Wir müssten sie auch ausserhalb der Blauen Zone nutzen können», ergänzt er. Aus dieser Not geboren ist vor rund acht Jahren die Idee, die Kundschaft wie die Post mit einem Elektrofahrzeug zu bedienen. Dieser umfährt Staus problemlos auf dem Veloweg und kann auf engstem Raum parkiert werden. Gerade für die Ausführung von Kleinaufträgen sei dies das ideale Verkehrsmittel. «Eine wirklich gute, kundenfreundliche Idee – und ohne Parkbusse seit acht Jahren», wie Schibli augenzwinkernd anfügt.

Umdenken gefragt

Ganz generell müssten aber die Unternehmen umdenken und sich an die neuen Gegebenheiten anpassen, ist Schibli überzeugt. Moderne Mobilität müsse heute ein guter Mix sein zwischen motorisiertem Verkehr, kleineren, elektrisch betriebenen Fahrzeugen und dem öffentlichen Verkehr – ausgerichtet auf die entsprechenden Aufträge und die Kundenbedürfnisse.

Lieferungen in der Nacht

Auch für Rolf Schlagenhauf vom gleichnamigen Maler- und Gipsergeschäft mit Standorten in und rund um Zürich ist die Mobilität ein grosses Thema. Fehlende Parkplätze und der stockende Verkehr stehen auch hier an erster Stelle. Für ihn wäre ebenfalls wichtig, dass das Parkieren auf allen Parkplätzen mit Tagespässen möglich wäre. «Wir haben gerade aktuell in einer Projektgruppe zum Thema Mobilität verschiedene Massnahmen erarbeitet, die nun laufend umgesetzt werden», sagt er. Führungskräfte arbeiten ab sofort mobil standortunabhängig, damit sie auf dem Weg vom und zum Arbeitsplatz keine Zeit verlieren und schnell und flexibel die verschiedenen Baustellen erreichen können. Ausserdem wird geprüft, die Baustellen nachts zu beliefern, um dem Verkehr auszuweichen. «Unser Problem ist, wie wir mit schwerem Material auf die Baustelle kommen – dafür nützen uns veloähnliche oder kleinere Fahrzeuge nichts.» Teil des Mobilitätkonzeptes ist es auch, dass immer mehr Mitarbeitende mit dem ÖV direkt auf die Baustelle zur Arbeit fahren. Vor allem die jüngere Generation sei offen und flexibel für solche Lösungen.

Analoge Probleme lösen

Der Megatrend Digitalisierung zaubert mittelfristig keine neuen Mobilitätkonzepte für Städte aus dem Hut, die eine Entlastung für das Gewerbe bringen könnten – auch weil diese eine breite Bedürfnispalette abdecken müssen. Den KMU bleibt also nur die Möglichkeit, innerhalb der Rahmenbedingungen den räumlichen Austausch von Personen und Gütern zu optimieren. Dafür helfen natürlich die technologische Entwicklung, die Digitalisierung und die Bereitstellung intelligenter Infrastrukturen. So kann die virtuelle Beratung und Auftragsentgegennahme automatisiert werden – die Möglichkeit, den Inhalt schriftlicher Kundenanliegen mittels intelligenter KI-Bots automatisch zu erkennen und zu beantworten, hat auch für KMU ein riesiges Potenzial.

Drohnen auf dem Bau bereits im Einsatz

Durch die Nutzung von GPS-Trackings und Echtzeit-Verkehrsdaten können Handwerker ihre Routen planen und sie bereits in die Auftragsplanung integriert werden. Und durch die IoT-basierte Wartung, durch die Geräte und Einzelteile mittels Sensoren automatisch melden, wenn eine Auswechslung oder eine Reparatur fällig ist, können unnötige Fahrten reduziert werden. Noch vage am Horizont bewegen sich autonome Fahrzeuge oder Drohnen, die Handwerker aus der Luft und unabhängig von Staus unterstützen können. Drohnen werden auf dem Bau heute bereits eingesetzt. Sie können den Fortschritt des Baus überwachen, den Einsatz von Maschinen und Material dokumentieren und bei der Planung und Endkontrolle wichtige Aufgaben übernehmen. Dereinst werden sie auch Material anliefern können und – wie es die Post bereits vorgemacht hat – als ferngesteuerte Kuriere eingesetzt werden. Sie sind so eine Ergänzung zu anderen Transportmitteln, vor allem für dringende Lieferungen und an schwer zugänglichen Orten.


Letztendlich allerdings kann auch die künstliche Intelligenz den Stadtregierungen nichts entgegensetzen, wenn diese Parkplätze abbaut und den Langsamverkehr übermässig priorisiert. Denn bei aller Digitalisierung sind die Probleme der Handwerker derzeit noch analog: nämlich verstopfte Strassen und fehlende Parkmöglichkeiten.

Gerold Brütsch-Prévôt

Redaktioneller Mitarbeiter Zürcher Wirtschaft

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