Mit der Taschenlampe durch die Nacht

Offene Fenster, überhitzte Geräte, laufende PCs, verdächtige Geräusche: Was ein Wachmann auf seinem Rundgang in einem KMU-Betrieb so alles entdeckt – und wie gefährlich sein Job wirklich ist.

Gerold Brütsch-Prévôt

Beim Rundgang mit dem Nachtwächter wird auch die Umgebung unter die Lupe genommen.

Als er sich umdreht, steht der Jugendliche mit gezücktem Messer vor ihm. Eine Situation, die ihm durch Mark und Bein geht, umso mehr, weil sie ihn völlig unvorbereitet trifft. Gerade vorher hatte er nach einer längeren Diskussion eine Gruppe alkoholisierter Jugendlicher von einem Firmengelände gewiesen. Anscheinend wollte das der junge Mann, stark unter Alkoholeinfluss, so nicht hinnehmen und folgte ihm, um ihn zur Rede zu stellen.

Gefragt war nun die Vorgehensweise, die die Bewachungsspezialisten von Securitas in regelmässigen Weiterbildungskursen vermittelt bekommen. Ruhe bewahren, keine falsche Reaktion, die Situation mit Kommunikation entschärfen. «Wir verhalten uns immer passiv, bei Bedrohungen ziehen wir uns vermittelnd zurück und alarmieren so schnell wie möglich die Polizei», sagt Lukas W.*, der seit 20 Jahren als Bewachungsspezialist bei Securitas arbeitet. Der Schutz von Leib und Leben habe erste Priorität. Als einzige «Waffe» trage er einen Pfefferspray bei sich, der aber nur im äussersten Notfall zur Selbstverteidigung eingesetzt werde. Als gutes Zureden nichts mehr nützte, wehrte er sich damit gegen den mit dem Messer bewaffneten randalierenden Jugendlichen. In der dadurch gewonnenen Zeit konnte er die Polizei alarmieren, die einige Minuten später eintraf und für Ruhe und Ordnung sorgte.

Schäden verhindern

Was sich wie eine Szene aus einem «Tatort»-Krimi liest, ist allerdings die absolute Ausnahme. Gerade im Bewachungsdienst kommen Bedrohungen des Personals praktisch nie vor. Hier geht es vor allem darum, Kundenobjekte detailliert und sorgfältig zu kontrollieren. Diese Überwachung hält unerwünschte Besucherinnen und Besucher fern und schützt vor grösseren Schäden. Offene Wasserhähne stehen ganz oben auf der Liste der Vorkommnisse bei der Kontrolle von Toiletten und Waschräumen; durch das Zudrehen kann eine folgenschwere Überschwemmung verhindert werden. Lichterlöschen im Büro, in der Werkstatt oder im Ausstellungsraum wird von den Mitarbeitenden regelmässig vergessen – hier sorgt der Securitas-Mann fürs Stromsparen und damit niedrigere Energiekosten. Computer werden übrigens nie abgestellt, weil möglichweise über Nacht ein Update läuft. Im Rahmen der präventiven Sicherheit wird die Temperatur in Serverräumen und technische Geräte, die 24 Stunden in Betrieb sind, auf Überhitzung überprüft.

Ohne Angst

Mit der Taschenlampe durch die Nacht – es ist ein einsamer Job, vor allem bei den Kontrollrunden ausserhalb des Gebäudes. Dunkle Nacht, die Laternen gelöscht, die Strassen ohne Verkehr gespenstisch ruhig – die Stadt ist zur Ruhe gekommen. Der Strahl der Taschenlampe leuchtet jeden verborgenen Winkel aus. Zugänge, Türen und Fenster werden überprüft, die Nummern von Autos notiert, die auf den Besucherparkplätzen stehen. Der genaue Einsatz und der Rundgang ausserhalb und innerhalb des Gebäudes ist mit den
Auftraggebern auf die individuellen Sicherheitsbedürfnisse abgestimmt. Durch die codierten Kontrollchips, die durch das Bewachungspersonal mit dem Handy gescannt und abgearbeitet werden, ist der Kontrollgang lückenlos dokumentiert. Auch zur Sicherheit des Personals – denn so ist immer klar, wer sich wo zuletzt befand. «Angst?», wiederholt Lukas W.
die entsprechende Frage. «Angst nicht, nein. Ganz am Anfang vielleicht eine Art Unbehagen. Die Geräusche in der Nacht, die dunklen Hinterhöfe …» Aber einsam sei er auf keinen Fall, er liebe die Selbstständigkeit und vor allem die grosse Verantwortung in seinem Job. Und ja, immer wieder werde er gefragt, wie sich der Nachtdienst mit der Familie vereinbaren liesse. «Die Kinder finden es total lässig», lacht er. «In diesem heissen Sommer war ich mit ihnen fast jeden Nachmittag in der Badi.»

Tipps vom Profi

«Auch Kleinstbetriebe können sich gegen Einbrüche schützen, ohne dass sie viel Geld investieren müssen», ist Lukas W. überzeugt. Erfahrungsgemäss werden Objekte vor dem Einbruch meist beobachtet. Deshalb sei es wichtig, sie unregelmässig zu überwachen, damit für die Einbrecher kein Zeitfenster wahrnehmbar sei. Ein gekipptes Fenster ist für Einbrechende ein offenes und kann mit einer simplen Schnur ohne Gewaltanwendung schnell geöffnet werden. Die Massnahme, Fenster nach mehreren Einbrüchen einfach zu vergittern sei allerdings keine gute Idee, meint Lukas W. Man müsse zumindest prüfen, ob damit beispielsweise bei einem Feuerausbruch nicht Fluchtwege versperrt werden.

Licht schreckt Eindringlinge ab. So ist es sinnvoll, den Aussenbereich mit Zeitschaltuhren oder Bewegungsmeldern in unregelmässigen Abständen zu beleuchten. Eine Einbruchmeldeanlage schützt Geschäftsräume zuverlässig vor unbefugtem Eindringen. Polizei, Feuerwehr oder Sicherheitsdienste werden sofort alarmiert, sobald jemand einen Einbruchversuch unternimmt. Das ermöglicht ein schnelles Eingreifen und gibt Kriminellen kaum Zeit, ernsthaften Schaden anzurichten. Neuste Haustechnik- und Smart-Home-Systeme können auch Geräteschäden melden und in medizinischen Notfällen Hilfe alarmieren. Und durch mit dem Handy gekoppelte Überwachungskameras können die Geschäftsräume von überallher überwacht werden. Moderne Anlagen lösen sogar Push-Nachrichten auf das Smartphone aus, sobald sich jemand unbefugt Zutritt verschafft.

Fenster – das schwächste Glied

KMU müssen das Thema Sicherheit ganzheitlich analysieren und optimieren. Sicherheit ist genauso sicher, wie ihr schwächstes Glied. Heute steht vor allem die angespannte Cyberbedrohungslage im Fokus; Angriffstaktiken, die praktisch im Minutentakt weiterentwickelt und immer gefährlicher werden. Wer denkt dabei schon an ein offenes Fenster? Die Bedrohung durch Einbrüche? An einen gestohlenen Laptop? Sicherheit umfasst technische Massnahmen, Schutz und Überwachung der Räumlichkeiten, Schulung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und die Kontrolle der Einhaltung der vereinbarten Massnahmen. Bis hin eben zu den einfachen Regeln, dass die Fenster beim Verlassen der Büroräume oder der Werkstatt geschlossen werden müssen, sichere Passwörter für den PC und das Herunterfahren desselben vor dem Feierabend.

Gerold Brütsch-Prévôt

Redaktioneller Mitarbeiter Zürcher Wirtschaft

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