Leben auf Pump und Folgen für KMU
Immer mehr Menschen in der Schweiz leben auf Pump. Heute konsumieren, morgen bezahlen – so lautet die Devise. Sehen sich auch Schweizer KMU zunehmend unter Druck gesetzt, Teilzahloptionen anzubieten? Die «Zürcher Wirtschaft» hat sich umgehört.
26. Juni 2023 Anna Birkenmeier
Bei KMU wird nur vereinzelt in Raten gezahlt.
Vier von zehn Personen in der Schweiz leben in Haushalten mit mindestens einer Art von Schulden, acht Prozent in Haushalten mit mindestens drei Schuldenarten. Als Verschuldungsarten gelten etwa Fahrzeug-Leasings, Klein- oder Konsumkredite oder Ratenzahlungen. Für viele scheint es praktisch, das Auto, das neue Smartphone, den Blumenstrauss für die Freundin oder sogar die Ferien auf Pump zu beziehen. Sparen war einmal. Im Zeitalter von E-Commerce reicht ein Klick und das Wunschobjekt ist «gekauft». Immer mehr Unternehmen bieten deshalb die Möglichkeit, den Preis in Raten abzustottern – oft ohne einen Aufpreis gegenüber sofortzahlenden Kunden. Sogar die Swiss bietet Flüge auf Pump an.
«Kauf auf Rechnung» beliebt
Laut Untersuchungen sagen 26 Prozent der Onlinehändler, dass die Nachfrage beim Kauf auf Rechnung stark ansteigt. Kein Wunder also, dass 78 Prozent von ihnen den Kauf auf Rechnung anbieten. Oft beinhaltet dieser Teilzahloptionen. Bei grösseren Detailhändlern, wie etwa Globus oder Manor, lässt die Zahlung per Kundenkarte keine Konsumwünsche offen. Bezahlt wird später – bei Bedarf bequem in Raten. Und das Angebot wird rege genutzt, wie Globus bestätigt. Auch Interdiscount und Steg Electronics berichten, dass die Nachfrage nach Ratenzahlungen deutlich zugenommen hat. Sie arbeiten dazu mit externen Anbietern zusammen. Mit der Zahlungsmoral der Kunden haben sie dann nichts mehr zu tun.
Verheerende Zahlungsmoral
Mit der Option «Kauf auf Rechnung» können zwar neue Kunden gewonnen werden, zugleich kann deren mangelnde Zahlungsmoral zu massiven Problemen führen. Kunden mit schlechter Zahlungsmoral verursachen demnach nicht nur Ärger und Kosten, sondern können auch die Existenz des
Unternehmens bedrohen. «Viele KMU leiden darunter, dass Kunden ihren Zahlungspflichten nur schleppend nachkommen», sagt dazu die Rechtsanwältin Sonja Stark-Traber. Gemäss dem European Payment Index (EPI), der auf einer Befragung von mehreren tausend Unternehmen in der Schweiz und den meisten europäischen Ländern beruht, erhöhten sich in Europa sowohl der Zahlungsverzug als auch die Zahlungsausfälle. Einer der Hauptgründe sei dabei ein zunehmend negativer Wertewandel; Mahnungen und selbst Betreibungen würden als Kavaliersdelikte empfunden. Ein weiterer Grund: Kaufwünsche möchten ohne Rücksicht auf die tatsächlichen finanziellen Möglichkeiten sofort befriedigt werden. Die Folgen können für ein KMU gravierend sein: «Sie müssen deswegen Umsatzeinbussen in Kauf nehmen, mit Liquiditätsengpässen kämpfen oder im schlimmsten Fall Arbeitsplätze streichen», so Stark-Traber.
Frühzeitig Massnahmen treffen
«Zahlungsausfälle lassen sich zwar häufig nicht gänzlich vermeiden, aber einige frühzeitig getroffene Massnahmen können helfen, das Ausfallrisiko zu minimieren», weiss die Rechtsanwältin. So sollte insbesondere bei Neukunden und vor Vertragsschluss eine Bonitätsprüfung vorgenommen werden. «Dadurch können Risiken frühzeitig erkannt und vermieden werden», sagt Stark-Traber. In der Praxis zeige sich zudem, dass viele Verträge und AGB Ungenauigkeiten oder Widersprüche enthalten, die es findigen Schuldnern ermöglichen, ihre Zahlung vorübergehend oder gänzlich zurückzuhalten. «Man sollte deshalb unbedingt darauf achten, dass insbesondere die geschuldeten Leistungen, die Zahlungsfristen und -konditionen sowie die Folgen bei Zahlungsverzug klar und vollständig geregelt werden. Das effizienteste vertragliche Sicherungsmittel ist die Vereinbarung einer Vorleistungs- oder Anzahlungspflicht des Kunden. In diesem Fall sollte die Lieferung bzw. Dienstleistungserbringung erst dann erfolgen, wenn der Kunde die Leistung vorgängig vollständig oder teilweise bezahlt hat.
Ratenzahlungen kaum Thema
Ein positives Bild zeichnet eine Umfrage unter kleineren Zürcher KMU. Sie zeigt, dass Privatkunden nur vereinzelt nach Ratenzahlungen verlangen, und wenn diese gewährt würden, sei die Zahlungsmoral der Kundschaft gut. «Bei Kunden, welche wir kennen, gewähren wir in Ausnahmefälle eine Ratenzahlung. Aber dies kommt wirklich nicht häufig vor», sagt Tiziana Zürni vom Camera Store & Papeterie an der Hottingerstrasse. Ähnlich tönt es bei Martin Oberholzer von Kochphoto AG in Zürich: «Unsere Kunden bezahlen ihre Ware sofort. Eine Nachfrage nach Ratenzahlungen erleben wir selten.» Muhammet Caglak von Deluxe IT wiederum sagt: «Wenn jemand ehrlich ist, dann gewähren wir, den Betrag in zwei Raten zu bezahlen. Bis zur vollständigen Bezahlung bleibt der Computer bei uns.» Und bleibt da nicht die Sorge, dass die Kundschaft zu Online-anbietern abwandert, die den Kauf auf Rechnung mit Teilzahlungsoptionen anbieten? Diese Gefahr sei zwar da, die Befragten sehen das indes entspannt. Denn: Die Beratung und der Service seien im Geschäft doch ein schlagendes Argument für die Direktzahlung.
Anna Birkenmeier
Redaktion Zürcher Wirtschaft
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Tipps für Rechnungssteller
Nicht nur Rechnungen sollten möglichst zeitnah gestellt werden, sondern auch mit der Durchsetzung offener Forderungen sollte nicht zu lange zugewartet werden. Zahlt der Kunde auch nach zwei oder drei Mahnungen und auf letzte Fristansetzung hin nicht, sollten rechtliche Schritte geprüft werden. Eine Betreibung oder die Einreichung eines Schlichtungsgesuchs beim Friedensrichter genügen in vielen Fällen, um den Schuldner zur Zahlung zu bewegen.
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Nicht nur Rechnungen sollten möglichst zeitnah gestellt werden, sondern auch mit der Durchsetzung offener Forderungen sollte nicht zu lange zugewartet werden. Zahlt der Kunde auch nach zwei oder drei Mahnungen und auf letzte Fristansetzung hin nicht, sollten rechtliche Schritte geprüft werden. Eine Betreibung oder die Einreichung eines Schlichtungsgesuchs beim Friedensrichter genügen in vielen Fällen, um den Schuldner zur Zahlung zu bewegen.