IT-Anlass KGV und Swisscom: Künstliche Intelligenz im KMU
Daten werden mit der zunehmenden Digitalisierung zum Anlageobjekt. Doch wann lohnt sich eine Investition in künstliche Intelligenz für KMU, und wo macht es Sinn, abzuwarten? Dieser und weiteren Fragen zur Datensicherheit widmete sich der zweite gemeinsame IT-Event von KGV und Swisscom.
25. Juni 2024 Mark Gasser
Matthias Mohler zeigte Beispiele künstlicher Intelligenz aus der KMU-Praxis auf.
Matthias Mohler zeigte Beispiele künstlicher Intelligenz aus der KMU-Praxis auf.
Daniel Borloz, IT-Security-Experte von Swisscom, wies unter anderem auf die Tücken der Phishing-Mails hin.
Gut 20 KMU-Vertreterinnen und Vertreter kamen an den gemeinsamen IT-Anlass von Swisscom und KGV.
Matthias Mohler zeigte Beispiele künstlicher Intelligenz aus der KMU-Praxis auf.
Beim Apéro tauschten sich die Unternehmerinnen und Unternehmer rege aus zum Thema.
Beim Apéro tauschten sich die Unternehmerinnen und Unternehmer rege aus zum Thema.
Es scheint auf den ersten Blick unheimlich: Daten scheinen sich mit der zunehmenden Rolle von künstlicher Intelligenz KI in der Wirtschaft zu verselbständigen. Daten werden dabei als Anlageobjekt betrachtet. Denn: Durch Lernprozesse (Machine Learning) generiert die KI auch ständig neue Daten auf der Suche des jeweils wahrscheinlichsten Resultats. Die Analyse von strukturierten und unstrukturierten Daten schafft so ungeahnte Möglichkeiten – nicht nur, wie bislang, in organisierter, strukturierter, tabellarischer Form, sondern auch als Muster menschlicher Sprache, Text und Bild. Kurzum: Das menschliche Hirn wird simuliert – indem das System mit menschlichen Erfahrungen antrainiert wird.
KI-Beispiele aus der Praxis
«So wird das Paradigma der genauen Kalkulation ein Stück weit über Bord geworfen», sagte Matthias Mohler, Head of Artificial Intelligence AI und Data Content Swisscom (Schweiz) AG, am gemeinsamen Event von KGV und Swisscom vom 18. Juni. Er widmete sich vor den 25 KGV-Mitgliedern dem Einsatz der KI in KMU: Mohler zeigte anhand echter Schweizer Kundenbeispiele auf, wie der grösste Nutzen aus KI-Projekten gezogen wird. «Ein profundes Verständnis dafür, was für Daten Sie haben, wo sie herkommen und wie sie genutzt werden können, ist die Basis, um in dieser neuen Welt zu bestehen und Mehrwert aus den Daten zu holen», so Mohler.
Eine Baufirma lässt mit KI Ausschreibungen für öffentliche Bauprojekte anhand von Mustererkennung des Aushubs analysieren, ob sich eine Submission sich lohnt. Ein anderer Kunde aus dem Baugewerbe lässt Offerten automatisiert verarbeiten. Ein CargoBahnunternehmen berechnet mit der KI Ankunftsprognosen und durchschnittliche Verspätungen, um die Wartezeiten zu minimieren.
Im Gesundheitsbereich arbeiteten Konkurrenten zusammen, um genug verlässliche, repräsentative Daten generieren zu können. Auch die Erkennung von Objekten wie Baumaschinen auf Bildern ist mittlerweile mit hoher Präzision möglich. Dasselbe gilt etwa für Dokumente wie öffentliche Ausschreibungen, welche die KI neu formulieren kann.
Wann lohnt sich aber eine Investition in künstliche Intelligenz? Zunächst unterschied Mohler zwischen öffentlich verfügbaren KI-Diensten wie ChatGPT oder Gemini, die aber nicht spezifisch für die Fragestellung trainiert sind; spezialisierter sind Enterprise Softwarelösungen wie SAP oder Salesforce; noch individueller, aber auch teurer sind eigene KI-Modelle basierend auf unternehmenseigenen (selbst trainierten) Daten. «Wenn etwas nur dreimal im Jahr vorkommt, dann ist es kein Fall für die KI. Wenn ihr aber Tausende von Offerten verschickt oder erhaltet, ist das eine Indikation dass es interessant sein könnte.»
Die Swisscom bietet nicht nur massgeschneiderte Lösungen und die Entwicklung neuer Anwendungen an, sondern beispielsweise auch Tagesworkshops für Entscheidungsträger, Fach- und IT-Experten zum Thema.
Diesmal kam eine kleinere Gruppe Gewerblerinnen und Gewerbler in den Swisscom Business Campus, die sich mit dem Thema auseinandersetzt und einen Einsatz prüft. So etwa ein Vertreter eines Umweltdienstleisters, der sich mit der Frage beschäftigt, ob Entsorgung und Recycling via Bilderkennung durch KI effizienter gelöst werden könnte. Oder ein Unternehmer, der Rettungswagen mit Elektroantrieb baut und die Einsätze mit KI optimieren möchte.
Cyberangriffe verhindern
Daniel Borloz, Management Security Consultant Swisscom (Schweiz) AG widmete sich den gängigen Angriffen und zeigte Ansatzpunkte für die Prävention und Erkennung von Sicherheitslücken sowie die Reaktion auf Cyberangriffe. Im Fokus lag dabei der Faktor Mensch. «Deswegen ist es am wichtigsten, das Bewusstsein der Mitarbeiter zu schulen», so Borloz. «Die Frage ist nicht ob, sondern wann der Angriff kommt.»
Dabei schwingt eine Angriffsvariante der psychologischen Manipulation obenaus: 92 Prozent aller Cyberangriffe via Ransomware erfolgen mit einem Phishing-E-Mail – also viel häufiger und skalierbarer als das persönliche oder telefonische Gespräch. Da nützten beim erfolgreichen Ködern durch einen falschen Klick und der Preisgabe von Unternehmensdaten alle technischen Vorkehrungen nichts. Die erste Verteidigungslinie dieses «Einfallstores» ist daher ein hohes IT-Sicherheitsbewusstsein unter Mitarbeitenden. Indizien für gefälschte E-Mails sind etwa dubiose Adressen und Links. Es lohne sich daher, auch bei vermeintlich seriösen Mails 30 Sekunden lang zu überlegen: «Ist es ein echtes oder ein Phishing-Mail?»
Borloz zeigte Möglichkeiten auf, um Awareness zu schulen – etwa mit einer Demo, kurzen Weblearnings, Quizzes oder Rollenspielen (Gamification). Giuseppe Barcellona, Leiter KMU Region Deutschschweiz, wies darauf hin, dass es massgeschneiderte Swisscom-Lösungen für KMU gebe.
Im Anschluss beantwortete Borloz eine Frage zu verfänglichen Stellendossiers: Ein Word-Dokument, das in diesem Kontext dubiose Bestätigungs-Aufforderungen beinhalte, gehöre zu den sehr spezifischen «Targeted Attacks». Minimieren könne man die Verseuchung des Systems mit der Speicherung externer Dokumente auf einem lokalen, nicht mit dem Internet verbundenen PC. Dabei lohne es sich in jedem Fall, einen Blick auf die Domain des Senders zu werfen.
Für kleine KMU nannte er als niederschwellige Top Massnahme das Weblearning zu Phishing-E-Mails. Der Lizenzpreis für den Cyberschutz von Swisscom reiche von wenigen Franken pro Mitarbeiter und Jahr bis zu mehreren Tausend Franken für eine Kampagne für KMU. Swisscom kreiert auch kundenspezifische Vorlagen mit speziellem Fokus wie Phishing-Simulationen und Reportings für die interne Schulung.
Die Aufbruchstimmung und die neuen Möglichkeiten gerade im Bereich KI sorgten im Anschluss für einen regen Austausch der gut 20 Anwesenden mit den Swisscom-Fachleuten oder untereinander.
Mark Gasser
Chefredaktor
Zürcher Wirtschaft
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