Ueli Maurer und Ständeratskandidat Gregor Rutz auf der KGV-Bühne

Der KGV-Herbstkongress im Zürcher Kaufleuten war politischer als auch schon: Mit Ständeratskandidat Gregor Rutz und alt-Bundesrat Ueli Maurer wurden Fehlentwicklungen in Bern beleuchtet, die es aus Sicht des Gewerbes zu korrigieren gilt. Und Maurer erörterte die Frage: Wie kehren wir dahin zurück?

Bilder: André Springer

Moderator Dominik Feusi (rechts) im Gespräch mit Gregor Rutz und Alt Bundesrat Ueli Maurer

«Wenn wir kommen, muss es etwas knallen», meinte KGV-Präsident Werner Scherrer am Herbstkongress im Kaufleuten, als der emotionale KGV-Imagefilm eingespielt wurde. Es war der Startschuss für einen Kongress mit rund 240 Gästen aus der Zürcher KMU-Szene, den er bewusst als Kontrastprogramm der Generalversammlung mit «Infotainment» ankündigte. Dennoch: Keine Regel ohne Ausnahme. «Heute werden wir politisch», verriet Scherrer. 108 Ortsvereine, 12 Bezirksvereine, fast 17’000 Mitglieder habe er im Rücken, wenn er politisch etwas bewegen wolle. «Wir sind eine Macht.» Und diese Macht gilt es nun, angemessen in Bern zu einer Vertretung zu verhelfen. So verbuchte der KGV Erfolge bei der Nationalratswahl mit der Wiederwahl von Bruno Walliser (SVP), der sich auf der Bühne für die Stimmen bedankte, und KGV-Vizepräsidentin Nicole Barandun (Die Mitte), die sich per Videoaufzeichnung meldete. «Ohne Eure Stimmen hätte ich den Sprung in den Nationalrat nicht geschafft», so Barandun. Es gebe genug Anliegen des Gewerbes, um sie in Bern einzubringen. «Wir im Gewerbe müssen schauen, welche Gesetze in Bern beschlossen und umgesetzt werden. Deshalb ist es wichtig, Gewerbetreibende in Bern zu haben», meinte Walliser.

Doch eine Rechnung war noch offen: Gregor Rutz gelte es, im 2. Wahlgang des Ständeratswahlkampfs die Stimme zu geben. «Ich möchte jemanden in Bern, der die Wirtschaft vertritt», so Scherrer. Gesetze, Verordnungen, Auflagen und neue Regulierungen träfen häufig das Gewerbe hart.

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KGV-Präsident Werner Scherrer am Herbstkongress im Kaufleuten

Da hakte alt-Bundesrat Ueli Maurer ein. Er wurde als Gastredner warm empfangen – nicht zuletzt seiner träfen Sprüche wegen. Das Thema seines Referats: «Keine goldenen Fesseln – mehr Unternehmertum». Es gebe eine grosse Diskrepanz zwischen dem Glashaus in Bern und den Normalbürgern. «Der Graben wird weiter und das ist gefährlich.» Die «gut gemeinten» goldenen Fesseln seien oft das Gegenteil von gut – und die bringe man kaum mehr weg. Der Verwaltungsapparat wachse immer mehr, noch stärker bei den Kantonen als beim Bund. Ein verabschiedetes Gesetz werde jeweils vom «Moloch» der Verwaltung im Zuge der Umsetzungs- und Vernehmlassungsphase aufgebauscht. «Das kostet auch immer mehr – es gibt immer mehr Parlamentarier, die sich darum kümmern.» Vieles, was geregelt werde und zum Aufbau des Bürokratiemonsters beitrage, sei durchs Ausland importiert: Die Datenschutzverordnung und Bestimmungen im Gesundheitswesen gab er als Beispiele.

Als Bundesrat habe er stets versucht, Gesetze zu vereinfachen, zu verschlanken. Daher sei der politische Alltag ein Hebel: übers Parlament, über die Verbände. Aber das wirke nur bedingt. «Wir müssten versuchen, diese Entwicklung radikaler zu beeinflussen.» Doch wie kehrt man zurück zur liberalen Wirtschaftsordnung?

Als Faustregel gelte: Ein neues Thema müsse 5 oder 10 Jahre lang bewirtschaftet werden. «Es muss immer wieder gehört werden.» Beispiel: Invalidenversicherung. Erst als man von «Scheininvaliden» zu sprechen begann, wurde eine Revision diskutiert. Maurers Hauptforderung: Freiheitliche Wirtschaftsordnung, Personalstopp beim Staat und Steuersenkung – das sei das Rezept für mehr unternehmerische Freiheit. Um diese Forderungen durchzusetzen, gelte es auch, mehr Verantwortung zu übernehmen. Das gelte auch für die Verbände. «Und jetzt haben wir die Chance dazu», verwies er auf die neuen Mehrheitsverhältnisse.

Podium mit Maurer und Rutz

Nebelspalter-Vize-Chefredaktor fragte Maurer im Gespräch dann provokativ: «Wenn man dem zuhört, scheint es, als hätten Sie komplett versagt.» Maurer konterte: Im VBS habe er stets bei einem Abgang gefordert, es müsse begründet werden, warum sie wieder besetzt werden müsse. «Es kamen etwa fünf Begründungen.» Auch bei der Zollverwaltung wären fast 450 Stellen abgebaut worden. Aber Maurers Nachfolgerin hat den Chef entlassen. Das zeigte für Maurer: «Die Wirtschaftsverbände müssen etwas politischer werden und einheitlicher fordern.» Das Parlament müsse diese Forderungen spüren, «dann gibt das mehr Gewicht für Gewerbeanliegen.» Wirtschaftsverbände nehme man indes meistens nicht so geschlossen wahr. «Sie reiben sich an der EU oder an anderen Fragen auf.»

Stichwort EU: Der Bundesrat hat die Verhandlungen wieder aufgenommen. In der aktuellen personellen Konstellation sei kein grosser Wurf zu erwarten. «Lieber im jetzigen Zustand bleiben, bis ein Fortschritt absehbar ist.» Auch auf der Gegenseite sei wenig zu erwarten. Gerade Minister zeigten oft mehr Kompromissbereitschaft, die EU-Kommission blockiere die Bemühungen dann aber. Präsidentin Ursula von der Leyen habe sich wohl über den Tisch gezogen gefühlt – so sei von ihr wenig zu erwarten. Doch sei die Kommunikation beim Bundesratsentscheid auch suboptimal gewesen.

Maurer erzählte aus dem Nähkästchen: In einer dreistündigen Bundesratssitzung würden auch mal 100 Geschäfte behandelt. Die Verwaltung bereite diese vor. Oft behandle man nur Details, statt diese grundsätzlich zu hinterfragen. Paradebeispiel: die ganze Detaildiskussion über Abstände während Corona.

Ist der Bundesrat also von der Verwaltung gesteuert? Fragte Feusi sinngemäss. Er habe gute Chefbeamten auf der Verwaltung gehabt, meinte Maurer. Der diskursive Austausch über neue Geschäfte sei ihm wichtig gewesen. Im Bundesrat müsse man Aufträge absetzen, führen können und Verantwortung delegieren. Darauf werde bei der Bundesratswahl zu wenig geachtet. «Jede Kioskfrau hat mehr Verantwortung – das sagte ich auch meinen Leuten in Bern.» Kurzum: Statt auf Führungserfahrung, werde zu stark auf die richtige Partei, Sprachregion oder Geschlechterkonstellation geschaut.

Bilder: André Springer

Alt Bundesrat Ueli Maurer referierte zum Thema «Keine goldenen Fesseln – mehr Unternehmertum.»

Liberal ist nicht gleich liberal

Auch Ständeratskandidat Gregor Rutz betrat dann die KGV-Bühne. Riskiert Rutz den Marktzugang zur EU? Fragte Feusi provokant. Er staune, meinte Rutz, was als wirtschaftsliberal gelte. Er stehe für bessere Rahmenbedingungen, damit die Wirtschaft arbeiten kann, stelle Eigenverantwortung ins Zentrum, bin für weniger Abgaben und Steuern, und dass man neue Märkte – auch Asien und die USA – erschliessen könne.

Je nach Zeitung politisiert Tiana Moser oder Gregor Rutz näher bei der FDP. Ueli Maurer brach eine Lanze für Rutz, der den Stallgeruch des Gewerbes trage, zu diesem Bezug habe und Respekt für dessen tagtägliche Leistungen. «Fürs Gewerbe ist Gregor sicher der, der eure Anliegen versteht und durchsetzt.»

Er werde für Selbstverantwortung und gute Rahmenbedingungen kämpfen, wenn er gewählt werde, versprach Rutz – wie bereits im Nationalrat. Er sah die internen Diskussionen der FDP die Unterstützung seiner Person als ihr Problem. Doch im Parlament sei die Zusammenarbeit mit der FDP sehr konstruktiv. In der Staatspolitischen Kommission des Nationalrats habe er mit vielen Vollzeitpolitikern diskutiert. Am Ende, statt das Problem zu lösen, würden Postulate produziert, die wiederum mehr Bürokratie generierten. Möglicherweise ändert sich das nun: In seiner Kommissionen mit 25 Vertretern werde die SVP neu 9 statt 7 Mitglieder stellen. Fortan sei es einfacher, mit der FDP oder der Mitte die Mehrheit zu stellen. Maurer erlebte als Bundesrat, dass man gerade mit der FDP «in den Kommissionen hervorragend arbeiten konnte.» In den Medien werde das anders dargestellt. «Die Allianz ist in Bern viel stärker, als man sie in der Öffentlichkeit wahrnimmt». Er habe die Zusammenarbeit als sehr konstruktiv empfunden.

KGV-Gewerbecup

Scherrer nahm anschliessend «Scheininvadilität» als Steilpass, als möglichen Kampfbegriff gegen die Bürokratie «Scheinverwaltungsangestellte» zu verwenden. Einen «Schein» gab es dann für sechs Gewerbevereine – allerdings war damit Leistung verbunden. Beim «Gewerbe-Cup» werden jeweils jene der 108 Ortsvereine mit dem grössten Mitgliederzuwachs gekürt.

KGV-Geschäftsführer Thomas Hess dankte den Sponsoren, allen voran der Zürcher Kantonalbank als «Presenting Partner», und stellte die sechs Gewerbevereine im Kanton mit dem grössten relativen sowie dem grössten absoluten Wachstum im Rahmen des «Gewerbe-Cup» vor. Die Gewinner-Checks über 2000 Franken erhielten die beiden Gewerbevereine Aathal-Seegräben und Turbenthal (letztere zum zweiten Mal in Folge). Die weiteren Checks über 1000 und 500 Franken sicherten sich die Gewerbevereine Schwamendingen sowie Gewerbe und Industrie Dietlikon (jeweils 2. Platz) und als drittplatzierte der Gewerbeverein Zell und der HGV Wädenswil.

Bilder: André Springer

Die glücklichen Gewinnerinnen und Gewinner des Gewerbe-Cups 2023

Mark Gasser

Chefredaktor
Zürcher Wirtschaft

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