Mieter im goldenen Käfig

Bestandsmieter sparen gegenüber Neumietern schweizweit total 6,9 Mrd. Franken pro Jahr, was viele vom Umzug abhält. Als Folge sind grosse Wohnungen häufig unterbelegt und kleine überbelegt. Jedes zweite Zürcher Einfamilienhaus wird von Mietern bewohnt. Dies zeigt die Studie «Immobilien aktuell» der Zürcher Kantonalbank.

Quelle BFS/ZKB

Auch in der Stadt Zürich ist der «Verweilbonus» hoch.

Bestandsmieterinnen und -mieter haben derzeit guten Grund, an ihrer Wohnung festzuhalten – selbst wenn sie von der Grösse oder der Lage nicht mehr passend ist. So sparen Bestandsmieter im Kanton Zürich im Schnitt 16 Prozent gegenüber Neumietern, was jährlich 3000 Franken entspricht. In der Stadt Zürich zeigt sich dieser Verweilbonus mit 26 % bzw. rund 5300 Franken noch ausgeprägter. Dies zeigt die Studie «Immobilien aktuell» des Immobilienresearchs der Zürcher Kantonalbank.

Während die Angebotsmieten schweizweit seit 2008 um knapp 25 % zugenommen haben, sind die Bestandsmieten relativ stabil geblieben. Letztere sind durch Regulierungen geschützt und dürfen nur in seltenen Fällen angepasst werden. Dabei zeigt sich: Je regulierter und je gefragter ein Mietwohnungsmarkt ist, desto grösser fällt der Verweilbonus aus. So liegt dieser in Genf – ein hoch regulierter Mietmarkt – bei 54 %.

Hochburg der Langzeitmieter

«Strikte Mietregulierungen erleichtern die Situation für Bestandsmieter, sie schaffen aber auch finanzielle Fehlanreize. Mieter bleiben in ihren Wohnungen, obwohl sie zu klein sind, zu gross oder aus sonstigen Gründen eigentlich nicht mehr passen. Bestandsmieter befinden sich zunehmend in einem goldenen Käfig», sagt Ursina Kubli, Leiterin Immobilienresearch bei der Zürcher Kantonalbank.

So wohnt ein Mieter in der Stadt Zürich im Durchschnitt bereits seit zehn Jahren in der gleichen Wohnung; bei 15 % der Mieterinnen und Mieter sind es sogar zwanzig Jahre. Dies sorgt für Verteilungsprobleme: In der Stadt Zürich sind beispielsweise 7 % aller 1- bis 3-Zimmer-Mietwohnungen überbelegt und sogar 65 % aller grossen Wohnungen mit fünf Zimmern und mehr unterbelegt. (Als unterbelegt gilt hierbei, wenn die Anzahl der Personen kleiner als die Anzahl der Zimmer minus 1 ist; als überbelegt, wenn es mehr Personen als Zimmer hat.)

Aber: Ein Umzug in eine kleinere Wohnung ist nicht selten mit höheren Kosten verbunden. «Wer vor 25 Jahren im Kanton Zürich in eine Vier-Zimmer-Wohnung gezogen ist, würde heute für den gleichen Mietpreis nur noch eine Zwei-Zimmer-Wohnung finden. Es verwundert also nicht, dass Mieter eher ein Zimmer leer stehen lassen, als sich nach einer kleineren – und teureren – Wohnung umzuschauen», sagt Ursina Kubli.

Angebotsmieten steigen 2024

Zwar müssen sich auch bestehende Mieterinnen und Mieter auf steigende Kosten einstellen – der Referenzzinssatz dürfte im Dezember ein zweites Mal angehoben werden; an der deutlichen Differenz zu den Bestandsmieten wird dies jedoch wenig ändern. Denn: In diesem Jahr dürften die Angebotsmieten im Kanton Zürich um deutliche 5,5 % steigen, 2024 nochmals um 4,5 %; schweizweit um 3,5 % bzw. 4 % im nächsten Jahr.

Eine Lösungsmöglichkeit sieht Ursina Kubli in besseren Rahmenbedingungen für den Wohnungsbau: «Ein wachsendes Angebot würde den Anstieg der Angebotsmieten dämpfen und somit auch das weitere Auseinanderdriften von Angebot- und Bestandsmiete bremsen.»

Wachstumsverlangsamung

Im Gegensatz zur Situation für die Neumieter dürfte es sich für Eigenheimkäufer etwas entspannen. Auf breitflächige Preisrückgänge können sie zwar nicht hoffen – das Wachstum dürfte dieses Jahr schweizweit noch bei 1% liegen, 2024 bei 0,5% (Kanton Zürich: 2023 bei 2% und 2024 bei 1%). Aber: Käuferinnen und Käufer haben wieder etwas mehr Zeit für vertiefte Abklärungen.

Auch wird nicht mehr alles zu jedem Preis gekauft. «Überrissene Preise, wie wir sie zu Pandemiezeiten gesehen haben, werden aktuell nicht mehr gezahlt. Das Preis-Leistungs-Verhältnis muss Sinn ergeben – das gilt genauso für gute wie für schlechte Lagen. Aus finanziellen Überlegungen muss derzeit niemand mehr kaufen. Wer sich jetzt für eine Immobilie entscheidet, will, dass wirklich alles stimmt», sagt Ursina Kubli. Das zeige sich auch daran, dass vermehrt ein zweiter Vermarktungsversuch – üblicherweise einhergehend mit einem niedrigeren Preisschild – notwendig ist.

Zürich: Hohe Mieterquote in Einfamilienhäusern

Ein Eigenheim zu kaufen – erst recht ein Einfamilienhaus (EFH) – bleibt für die allermeisten Schweizerinnen und Schweizer jedoch weiterhin ein ferner Traum. Nicht nur die hohen Kosten sind ausschlaggebend, sondern auch das weiterhin überschaubare Angebot. Eine Alternative könnte sein, ein EFH zu mieten. So sind gemäss Immobilienresearch der Zürcher Kantonalbank schweizweit 13 % aller EFH vermietet.

Es fällt auf, dass an attraktiven Lagen besonders häufig EFH vermietet werden. Als absolute Spitzenreiterin tut sich dabei die Stadt Zürich hervor: Rund 23% aller EFH sind hier vermietet. Zählt man Genossenschaften mit, wäre es sogar fast jedes zweite Haus. Auch bei den attraktiven Zürichseegemeinden Horgen und Meilen gelangen besonders viele Einfamilienhäuser auf den Mietmarkt.

«Ein Einfamilienhaus an attraktiver Lage ist wie ein Sechser im Lotto – das gibt man ungern auf. Mit einer Vermietung können sich Eigentümer Optionen offenhalten. So können sie etwa die Zeit überbrücken, bis die Kinder mit ihrer eigenen Familie einziehen», sagt Ursina Kubli. Der Anteil der vermieteten EFH an zentralen Lagen dürfte gemäss Kubli weiter zunehmen. So ist in der Stadt Zürich jedes zweite Haus in den Händen von über 60-Jährigen, die sich perspektivisch mit einer geeigneten Wohnform für das Alter auseinandersetzen dürften – und damit einhergehend mit der Entscheidung, das Haus zu verkaufen oder es zu vermieten, um daran festzuhalten.

In der Zürichseeregion (Stadt Zürich plus die Bezirke Horgen und Meilen) müssten Interessenten für ein Einfamilienhaus mit vier bis fünf Zimmern mit einer durchschnittlichen Monatsmiete zwischen 3000 und 4900 Franken rechnen. Im restlichen Kanton Zürich kommen sie mit 2400 bis 3400 Franken deutlich günstiger weg. Häufig werden EFH auch befristet vermietet. Befristete EFH sind im Schnitt 15% günstiger als vergleichbare unbefristete.

Zürcher Wirtschaft

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