«Innovativster Zweig der Bauwirtschaft»
Holz erlebt in der Schweizer Architektur einen Boom – auch dank neuer Fertigungstechniken wie 3D-Fräsverfahren und automatisierter Montage. Zukünftig wird der Holzbau durch hybride Bauweisen, die Holz mit anderen Materialien kombinieren, weiter an Bedeutung gewinnen und die Bauindustrie klimafreundlicher gestalten.
21. November 2024 Anna Birkenmeier
Das neue Kinderspital in Zürich ist zu einem grossen Teil aus Holz.
In Winterthur entsteht derzeit mit einer Höhe von 100 Metern das höchste Wohnhaus der Schweiz aus Holz, und kürzlich öffnete das neue Kinderspital Zürich seine Türen – mit einer Gebäudehülle, die vollständig aus Holz gefertigt wurde. Diese Bauten spiegeln einen deutlichen Trend wider: Holz erlebt einen Boom in der Schweizer Architektur. Ein Blick auf öffentliche Bauprojekte zeigt denn auch, dass die verbaute Holzmenge zwischen 2012 und 2018 um über siebzig Prozent gestiegen ist. «Holz ist ein nachwachsender Baustoff, der effizientes und nachhaltiges Bauen ermöglicht und durch digitale Innovationen weiter an Bedeutung gewinnt», erklärt Stefan Kurath, Professor für Architektur an der Zürcher Hochschule für angewandte Wissenschaften ZHAW.
«Der Holzbau ist ein Wachstumsmarkt».
Und Hansjörg Steiner, Zentralpräsident Holzbau Schweiz ergänzt: «Holz wird als Baustoff immer beliebter. Der Holzbau ist ein Wachstumsmarkt». Die Begeisterung für Holz als Baustoff hat viele Gründe. Holz ist ein natürlicher CO₂-Speicher, nachhaltig und wiederverwendbar; es strahlt eine wohltuende Behaglichkeit aus, schafft eine heimelige Atmosphäre und verbessert das Raumklima. Zugleich machen neue digitalisierte Fertigungstechniken wie 3D-Fräsverfahren sowie die automatisierte Verarbeitung und Montage durch Roboter Holz zu einem vielseitig einsetzbaren Werkstoff. Kurath betont, dass «die Schweizer Holzwirtschaft heute der innovativste Zweig der Bauwirtschaft ist – technologisch, ökologisch und dynamisch».
Modulbauweise
Ein zusätzlicher Vorteil des Holzbaus ist die Modulbauweise: Wände, Böden und Tragkonstruktionen können in der Fabrik vorgefertigt und dann zur Baustelle transportiert werden – dieses Vorgehen spart Zeit und damit Kosten. Insbesondere bei Aufstockungen bestehender Gebäude werden Holzbauweisen aufgrund des geringeren Gewichtes im Zusammenhang mit der angestrebten Innenentwicklung weiteren Aufschwung erfahren, zeigt sich Stefan Kurath überzeugt.
Klimafreundlich – mit Vorbehalt
Im Vergleich zu Stahl und Beton, deren Herstellung grosse Mengen CO₂ freisetzt, stellt Holz eine klima-freundliche Alternative dar. Dies gilt jedoch vor allem unter der Voraussetzung, dass das verwendete Holz aus nachhaltiger Forstwirtschaft stammt und bevorzugt in der Schweiz produziert wird. Allerdings werden derzeit
«mehr als 70 Prozent der Werkstoffe/Halbfabrikate, die der Holzbau verbaut importiert», sagt Hansjörg Steiner. Und das, obschon genügend Holz produziert werde und die Nachfrage nach Schweizer Holz gross sei. Er sieht denn vorallem einen Engpass in der Holzindustrie: «Das Wachstum in der Holzindustrie ist viel
langsamer als beim Holzbau. Zusätzlich werden diverse Halbfabrikate im modernen Holzbau Standard nicht in der Schweiz produziert.»
Unbeliebtes Hartholz
Besonders gefragt ist dabei Weichholz, während Hartholz, das etwa 30 Prozent der Schweizer Wälder ausmacht, bislang kaum als Baumaterial verwendet wird. Der Grund liegt in den aufwendigen und teureren Verarbeitungsprozessen von Laubholz. Einige innovative Holzbaubetriebe entwickeln jedoch neue Technologien, um diese Lücke zu schliessen. Die Hoffnung: Laubholz könnte aufgrund seiner hohen Festigkeit, dereinst Stahl und Beton ersetzen.
Sicherheitsbedenken
Frühere Sicherheitsbedenken gegenüber dem Holzbau, insbesondere in Bezug auf Brandschutz, sind heute weitgehend ausgeräumt. In der Schweiz wurden die Brandschutzvorschriften gelockert, sodass es weniger darauf ankommt, aus welchem Material ein Gebäude gebaut ist, sondern wie es konstruiert wurde. Stefan Kurath erläutert: «Während sich Stahl bei starker Hitze verformt, bleibt der Kern von dickem Bauholz stabil.» Neuere Forschungen bestätigen, dass Holzgebäude heutzutage genauso sicher sind wie Stahlkonstruktionen – die äussere Schicht kann zwar brennen, doch der Kern bleibt standhaft und gewährleistet die Stabilität.
In Zukunft hybride Bauweisen?
Da in der Schweiz zu wenig lokales Holz vorhanden ist, um das gesamte Bauvolumen abzuwickeln, liegt die Zukunft bei hybriden Konstruktionsweisen. Bei diesen wird das Holz mit andere Materialien kombiniert wird. Kurath erklärt, dass «die Hybridbauweise es uns erlaubt, CO₂- intensive Baustoffe zu reduzieren und Holz gezielt einzusetzen». Dieser Ansatz gilt als zukunftsweisend, insbesondere in einer Bauindustrie, die für etwa 40 Prozent der weltweiten CO₂- Emissionen verantwortlich ist – verursacht vor allem durch die Produktion und Verwendung nicht erneurbarer Baumaterialien und nicht zirkulärer Bauweisen.
Holz in Architekturwettbewerben
ETH-Professor und Holzbauspezialist Andrea Frangi fasste die Entwicklung einst treffend zusammen: «Das 19. Jahrhundert war das Jahrhundert des Stahls. Das 20. Jahrhundert gehörte dem Beton. Das Jahrhundert, in dem wir uns jetzt befinden, ist das neue Zeitalter des Holzes.» Das zeigt sich auch in den Architektur-wettbewerben. Es gibt kaum eine Ausschreibung, in der nicht Holz- und Hybridkonstruktionen vorgeschlagen werden. Das wird die Baubranche langfristig transformieren, wovon auch Kurath überzeugt ist.
Anna Birkenmeier
Redaktion Zürcher Wirtschaft
Ihre Meinung ist uns wichtig
Das Thema ist wichtig.
Der Artikel ist informativ.
Der Artikel ist ausgewogen.