Hohe Lohnprämien in der Verwaltung

Bund und Kanton Zürich zahlen höhere Löhne als die Privatwirtschaft. Dabei geht das nicht mit einer Effizienzsteigerung einher. Im Gegenteil: Beide wachsen munter weiter. Henrique Schneider, designierter neuer Direktor des sgv, macht sich Sorgen – unter anderem um die Fachkräfte in der Privatwirtschaft.

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Guter Arbeitsplatz: Beim Bund werden Mitarbeitende gut versorgt.

Man könnte meinen, dass Angestellte, die besser bezahlt werden, produktiver werden und eine Effizienzsteigerung bewirken. Aber dem ist nicht so – zumindest, wenn man das Verwaltungswachstum als Massstab beizieht: Der am schnellsten wachsende Sektor ist der öffentliche. Staatsangestellte verdienen mit derselben Ausbildung auch mehr als in der Privatwirtschaft – praktisch über alle Branchen hinweg. Der Weg auf der Verwaltung ist lohntechnisch meist vorgezeichnet: Oft sind Lohnerhöhungen vorprogrammiert, viele Stellen gelten praktisch als unkündbar. Und: Beim Bund und bei den Kantonen gibt es Lohnprämien gegenüber der Privatwirtschaft, sogenannte Public-Private-Sector-Pay-Gaps. Im Schnitt betragen diese in der Bundesverwaltung 11,6 Prozent, in den Kantonsverwaltungen 4,3 und in den Gemeindeverwaltungen 3,4 Prozent.

Das zeigt die Studie «Lohnprämie für Staatsangestellte: Verwaltungslöhne unter der Lupe» des Instituts für Schweizer Wirtschaftspolitik in Luzern vom Februar 2023. Die Studie adressierte insbesondere die Frage: Was würden statistische Zwillinge in der Privatwirtschaft und in der Verwaltung verdienen? Unter Berücksichtigung des unterschiedlich zusammengesetzten Arbeitskräftepools schliessen die Autoren, dass Staatsangestellte beim Bund also knapp 12 Prozent mehr verdienen als in der Privatwirtschaft mit denselben Qualifikationen. Mit steigendem Lohn nimmt allerdings die Lohnprämie ab, je tiefer die Lohnstufe, desto grösser der Unterschied zur Privatwirtschaft.

«Mich überrascht nicht, dass die Studie hohe staatliche Löhne bestätigt. Aber das Ausmass mit 12 Prozent erstaunt mich», sagt Henrique Schneider, designierter neuer Direktor des Schweizerischen Gewerbeverbands sgv. «Das ist ein echtes Problem.» Auch die Höhe des Teuerungsausgleichs von 3,5 Prozent bei Bund und Kanton Zürich überrasche ihn.

Kanotn Zürich mit Spitzenlöhnen

Auch im Zürcher Kantonsrat löste bei der Budgetberatung der Teuerungsausgleich fürs Staatspersonal von 3,5 Prozent und zusätzlichen 0,8 Prozent für indi-
viduelle Lohnerhöhungen Kopfschütteln aus: Zürich ist damit Spitzenreiter unter den Kantonen – und unter den Branchen. Der Kantonsrat strich in der Folge beim Versuch, diese Fehlentwicklung zu korrigieren, die Teuerungs- und Lohnmassnahmen um 100 Millionen Franken zusammen. Der Regierungsrat entschied, den Teuerungsausgleich für das Staatspersonal beizubehalten, sieht aber neu höchstens 0,2 Prozent statt 0,8 Prozent der Lohnsumme für individuelle Lohnerhöhungen und Einmalzulagen vor.

Die kantonale Verwaltung ist ausserdem um 1400 Stellen gewachsen im vergangenen Jahr auf total rund 50 000. Das ist teilweise mit der Personalaufstockung im Bildungsbereich von allein 500 neuen Stellen erklärbar, oder auch mit Zentrumskosten wie dem Universitätsspital. In beiden Bereichen sei zudem der Anreiz von 3,5 Prozent Teuerungsausgleich gerade auch wegen des Fachkräftemangels gerechtfertigt, meinte etwa Finanzdirektor Ernst Stocker am Herbstkongress des KGV sinngemäss. Freilich hätten auch Gerichte, die Digitalisierung und einige andere Verwaltungsbereiche zugelegt – im Gegensatz wiederum zur Kernverwaltung. Bei Dienstleistungsberufen sei man gerade hohe Löhne aus der Privatwirtschaft gewohnt – insbesondere bei den Banken. Ferner habe der Kanton Zürich 2022 einen Rekordüberschuss von rund 750 Millionen Franken erzielt.

Die Studie bestätigt: Die Lohnverzerrungen herrschen auch bei Fachkräften mit Berufslehre. Dass zu hohe Löhne bezahlt werden bei Bund und Kanton, verschärft also auch das Problem des Fachkräftemangels – Schneider wendet das Beispiel der am meisten betroffenen Berufsgruppen an. «Extrem gesucht sind Informatiker, Telematiker, Mediamatiker. Und selbst diese werden vom Bund besser bezahlt als in der Privatwirtschaft. Und diese Leute fehlen dann bei den Firmen.»

Schneider glaubt auch nicht, dass der föderalistische Wettbewerb um die besten Leute zwischen den Kantonen und zwischen Bund und Kanton(en) diese Entwicklung ungesund befeuert – die Löhne beim Bund haben mit anderen Worten kaum Sogwirkung für die Lohnkorrekturen bei den Kantonen. Dass Regierungsräte die Löhne damit rechtfertigen, die besten Leute nicht an Bund oder andere Kantone verlieren zu wollen, sei eine «Self-fulfilling prophecy» – eine selbst heraufbeschworene Prophezeiung. Ausserdem gebe es gar keinen Grund, systematisch nach den sogenannt besten Angestellten im Arbeitsmarkt für die Verwaltung zu suchen. «Man kann auch mittelmässige Leute gerade in Bereichen einstellen, in denen man gar nicht produktiv sein kann.»

Die Verwaltung steigere ausserdem selber die Komplexität von Abläufen, «weil sie gern Maximallösungen sucht». Er zitiert das geflügelte Wort: Die Bürokratie (wörtlich: die «Herrschaft der Verwaltung») wurde erfunden, um die Bedürfnisse der Bürokratie zu stillen. Die Bürger seien nicht unschuldig beim Wachstum. «Wir geben dem Staat auch immer mehr Aufgaben – beispielsweise bei der Kinderbetreuung», sagt Schneider.

Vorstösse geplant

Wie lässt sich die Spirale stoppen? Schneider verweist auf eine Motion, die der abtretende sgv-Direktors Hans-Ulrich Bigler 2018 anstiess: Er forderte die Einführung eines «Systems zum Management der Produktivität des Personals in der Bundesverwaltung», um die aktuelle Personalaufstockung zu stoppen. Immerhin wurde er von der Finanzkommission des Nationalrats unterstützt. «Natürlich war die Verwaltung dagegen, und das Parlament getraute sich nicht, gegen die Verwaltung zu entscheiden», so Schneider. Der sgv sei nun aber daran, eine zweite Serie an Vorstössen zum Thema vorzubereiten. «Das Rad zurückzudrehen ist vermutlich nicht möglich – aber mindestens die Entwicklung zu stoppen und die Lohnmasse beim Bund einzufrieren.»

Mark Gasser

Chefredaktor
Zürcher Wirtschaft

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