«Hoffe, dass mich KI irgendwann ersetzt»

Kühe, die sich selbst melken lassen, Roboter, die den Stall reinigen und Futter verteilen – was wie Zukunftsmusik klingt, ist auf dem Hof von Adrian Haggenmacher längst Realität. Der Meilener Landwirt setzt konsequent auf Automatisierung und will sich in Zukunft noch mehr von künstlicher Intelligenz unterstützen lassen.

Bild: ab

Adrian Haggenmacher nutzt bereits viel Elektronik auf seinem Hof.

Herr Haggenmacher, Ihr Hof wirkt auf den ersten Blick ganz traditionell – dahinter steckt allerdings ein Hightechbetrieb. Wann begann diese Entwicklung?

Adrian Haggenmacher: Das liegt in der Familie. Schon mein Grossvater war sehr zukunftsorientiert und hatte als einer der Ersten in der Region eine Silofräse auf unserem Hof. Mein Vater war in den 70er-Jahren dann einer der Ersten in der Schweiz, die einen Laufstall gebaut haben – damals eine kleine Revolution. Und 1999 haben sich mein Vater und mein Onkel einen Melkroboter zugelegt, ebenfalls gehörten sie zu den Ersten hierzulande.

Haben Sie also die Zukunft auf dem Hof sprichwörtlich in die Wiege gelegt bekommen?

Haggenmacher: Ja, das kann man so sagen. Ich habe den Betrieb 2010 übernommen, und 2015 mussten wir unseren Milchkuhstall neu bauen, weil er nicht mehr den Tierschutzvorgaben entsprach – die Boxen waren einen Zentimeter zu schmal. Anstelle einer kostspieligen Anpassung entschieden wir uns für einen völlig neuen, zukunftsorientierten Stall. Mein Ziel war es, eine Umgebung zu schaffen, in der die Kühe möglichst selbstständig agieren können, während ich nur lenkend eingreife. Ich arbeite gerne mit Kühen, aber am Ende bin ich als Mensch immer ein Fremdkörper in der Herde. Deshalb wollte ich den Stall so gestalten, dass die Tiere ihre natürlichen Abläufe beibehalten und ich nur minimal, aber gezielt eingreifen muss. Genau hier kommt die Technik ins Spiel.

Wie sieht das in der Praxis aus?

Haggenmacher: Unser Stall ist vollautomatisiert: Der Melkroboter ermöglicht es den Kühen, sich rund um die Uhr nach eigenem Bedarf melken zu lassen. Ein Putzroboter hält den Boden sauber, was das Risiko von Klauen-krankheiten reduziert. Der Futterroboter sorgt dafür, dass immer frisches Futter zur Verfügung steht. Er misst mit dem Laser die Futtermenge in der Krippe und mischt automatisch eine neue Ration, wenn zu wenig Futter darin enthalten ist.

«Unser Stall ist vollautomatisiert:
Der Melkroboter ermöglicht es den
Kühen, sich rund um die Uhr nach
eigenem Bedarf melken zu lassen.»

Adrian Haggenmacher
Landwirt, Meilen



Und die Kühe? Sind die glücklicher mit so viel Technik?

Haggenmacher: Ich glaube schon… Sie werden gemolken, wenn sie das Bedürfnis dazu haben, was ihrem natürlichen Rhythmus entspricht. Dadurch gibt es weniger Stress, sie sind gesünder und ruhiger – und geben
nachweislich mehr Milch.

Lohnt sich das für Sie auch finanziell?

Haggenmacher: Wirtschaftlich betrachtet gleichen sich die höhere Milchproduktion und die zusätzlichen Wartungskosten aus. Doch für mich zählt vor allem die gewonnene Flexibilität. Arbeit gibt es nach wie vor, aber ich muss meine Feldarbeit nicht mehr um vier Uhr nachmittags unterbrechen, um zu melken, sondern kann vorher oder nachher nach den Kühen schauen. Ausserdem und kann ich sonntags entspannter in den Tag starten. Mit dem Futterroboter spare ich mir täglich anderthalb Stunden Arbeit, zudem konnte ich einen Traktor einsparen und den
Stall schmaler bauen, was Kosten reduziert. Die Investition hat sich mehr als gelohnt – ich habe weniger Aufwand und effizientere Abläufe.

Wie hat sich Ihre Arbeit als Landwirt durch diese Technologien verändert?

Haggenmacher: Ich bin weniger im Stall und mehr am Computer. Der Melkroboter liefert mir kontinuierlich Daten – zur Wiederkauaktivität, zur Milchtemperatur, zum Gewicht der Kühe. Anhand dieser Informationen sehe ich sofort, wenn mit einer Kuh etwas nicht stimmt, und kann mich gezielt um sie kümmern. Früher musste ich im Akkord melken und hatte kaum Zeit, auf einzelne Tiere einzugehen. Heute nimmt mir der Roboter die Massenarbeit ab, und ich kann mich auf jene Kühe konzentrieren, die ein Problem haben.

Ist das schon künstliche Intelligenz oder nur Statistik?

Haggenmacher: Noch ist es reine Statistik. Der Roboter zeigt mir: «Hier stimmt etwas nicht, schau nach!», aber ich muss immer noch selbst handeln. KI könnte in Zukunft aber weitergehen. Erste Tests gibt es bereits mit Robotern, die das Gangbild der Kühe analysieren und so Krankheiten früher erkennen können.

Wo stehen wir in der Schweiz in Sachen Automatisierung der Landwirtschaft im internationalen Vergleich?

Haggenmacher: Skandinavische Länder sind führend, was auch an der Betriebsstruktur liegt. Ein Melkroboter rentiert sich erst bei 45 bis 64 Kühen. In der Schweiz liegt der Durchschnittsbetrieb bei nur 25 Kühen – daher ist diese Technik hier noch nicht so verbreitet. Aber das ändert sich langsam: Mittlerweile nutzen immer mehr Betriebe Melkroboter.

«Mit dem Futterroboter spare ich mir
täglich anderthalb
Stunden Arbeit.»

Adrian Haggenmacher
Landwirt, Meilen



Glauben Sie, dass KI in der Landwirtschaft eine grosse Rolle spielen wird?

Haggenmacher: Ja, aber wir stehen erst am Anfang. In Zukunft könnte mich KI bei den Abläufen entlasten – etwa indem sie selbstständig den Tierarzt ruft oder meine Mitarbeiter und mich daran erinnert, welche Massnahmen bei welcher Kuh anstehen – sei es Impfen, Entwurmen, Trockenstellen oder gezielte Gesundheitschecks. Als Mensch kann man solche Dinge leicht übersehen, und es kostet viel Zeit, alle Informationen manuell herauszusuchen und weiterzugeben.

Wie sieht es mit KI auf dem Feld aus? Gibt es dort schon smarte Lösungen?

Haggenmacher: Ja, aber noch nicht flächendeckend. Es gibt Roboter, die mit Kameras über das Feld fahren und nur dort Pflanzenschutzmittel spritzen, wo Unkraut wächst. Damit könnte man bis zu 98 Prozent der Chemikalien einsparen. Im Gemüsebau ist die Technik schon weiter und wird sicher früher serienreif sein als im Ackerbau.

Die Landwirtschaft kämpft mit Fachkräftemangel. Kann KI hier helfen?

Haggenmacher: Das ist meine Hoffnung! KI könnte künftig administrative Prozesse übernehmen, sodass ich auch Leute ohne spezielle Ausbildung einsetzen kann. Denn ausgebildete Mitarbeiter zu finden, die Führungsaufgaben übernehmen können und wollen, ist in der Landwirtschaft sehr schwierig. Auch die hohe Arbeitsbelastung mit Arbeitswochen von teilweise 70 Stunden hoffe ich mittels KI etwas senken zu können. Ich wünsche mir sogar, dass mich die KI ein Stück weit ersetzt und meinen Mitarbeitern klare Anweisungen geben kann – damit der Betrieb auch in meiner Abwesenheit reibungslos läuft und ich etwas mehr Zeit für die Familie habe.

Könnten Maschinen und Algorithmen also irgendwann den Landwirt ersetzen?

Haggenmacher: Nein, das glaube ich nicht. Aber sie werden uns vieles erleichtern und den Beruf des Landwirts verändern. Was mechanische Roboter betrifft, die durch den Stall fahren und Kühe misten, sind wir noch weit entfernt – aber die Entwicklung geht in diese Richtung

Anna Birkenmeier

Redaktion Zürcher Wirtschaft

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