Glasmalerei zwischen Tradition und Überleben

Innovation und Nachwuchs-förderung sind entscheidend, um das alte Handwerk der Glasmaler in die Zukunft zu führen.

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Roger Scholz und Aline Dold engagieren sich fürs Überleben des Glasmalerberufes.

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Glasmalerin Aline Dold engagiert sich für das Überleben des traditionellen Glasmalerberufes.

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Glasmaler Roger Scholz.

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Glasmaler Roger Scholz.

Wir treffen Roger Scholz in der Klosterkirche Königsfelden im aargauischen Windisch. An den zwischen 1320 und 1360 entstandenen Glasmalereien werden im Rahmen einer umfassenden Restaurierung gerade die Schutzgläser ersetzt. «Das ist das Faszinierende an diesem Beruf», sagt er stolz. Man könne mithelfen, jahrhundertealte grossartige Kunstwerke zu erhalten. Kunst und Geschichte auf Glas würden so bewahrt.

Diese Bewahrung der Vergangenheit zeichnet den Beruf aus, ist aber gleichzeitig auch das Problem der Branche: Den Glasmalateliers geht die Arbeit aus. Der Hauptanteil der Aufträge kommt von den Kirchen, die restauriert werden müssen. Ein Markt, der sich in Zukunft nicht vergrössert, höchstens gleich bleibt – und neue Kirchen werden in absehbarer Zeit wohl auch nicht gebaut. Ein weiterer grosser Teil des Umsatzes ist ebenfalls eingebrochen: Wappenscheiben für Schützenvereine werden immer seltener nachgefragt.

Neue Märkte erschliessen

Es ist also höchste Zeit, die Branche in die Gegenwart zu transferieren und neue Märkte zu evaluieren und zu erschliessen. «Wir müssen uns dafür einsetzen, dass Glas bei Architekten und Designern wieder eine grössere Rolle spielt», sagt Scholz. Tatsächlich ist es so, dass die weitläufigen Glasfassaden und Fensterfronten in der modernen Architektur ideal wären, diesen in Abstimmung mit der Fassade – beispielsweise Sichtbeton – mit Farben eine Identität zu verleihen. Roger Scholz führt zusammen mit seinem Bruder Patrick die Glasmalerei Scholz in Rümlang bereits in dritter Generation und setzt natürlich alles Inte-resse daran, dass die Branche sich weiterentwickelt, um zu überleben. Sie haben damit die Nachfolge in ihrem Familienbetrieb gelöst. Roger Scholz hat sich nach einer Lehre als Polymechaniker und einem Maschinenbaustudium entschlossen, noch eine Lehre als Glasmaler anzuhängen, um zusammen mit seinem Bruder in die Fussstapfen seines Vaters zu treten.

Nur noch eine Lernende

Im August hat eine einzige Lernende ihre Ausbildung als Glasmalerin EFZ gestartet; die bis dahin letzte schloss diesen Sommer ab. Sie ist sozusagen die Hoffnungsträgerin einer ganzen Branche, in der man sich natürlich auch die Frage stellt, ob sie überhaupt überleben kann. Anders als bei anderen handwerklichen Berufen wie Gipser, Maurer oder Schreiner liegt es nicht an der Nachfrage. Die Betriebe werden regelmässig nach Lehrstellen angefragt, antworten aber in den meisten Fällen abschlägig. Viele Jugendliche finden den vielfältigen und kreativen Beruf interessant und wären bereit, die vierjährige Lehre anzutreten. Doch es fehlt an Lehrstellen.

Die wenigen Glasmalateliers, die es in der Schweiz gibt, sind meist Einzelbetriebe, viele Inhaber stehen ohne Nachfolgereglung kurz vor der Pensionierung. Diese Kleinststrukturen verhindern eine umfassende Ausbildung Lernender. Das Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation (SBFI) macht bereits Druck und verlangt ein konstantes Angebot an Lehrstellen – und vorzugweise mehr als nur eine. Sonst könnte die Aufhebung der eidgenössischen Anerkennung des Berufs drohen.

Rotationsprinzip

Aline Dold ist Geschäftsführerin des Glasateliers Dold in Winterthur. Auch sie ist gerade mit der Restaurierung der Glasfenster in der Klosterkirche Königsfelden beschäftigt. Die Glasmalerlehre hat sie bei ihrem Vater in Zürich absolviert und 2004 das vor über 100 Jahren gegründete Familienunternehmen übernommen. Beim Schweizerischen Fachverband für Glasmalerei engagiert sie sich als ÜK-Verantwortliche für die Ausbildung. Auch sie sieht die Problematik in der Branche, vor allem auch das Fehlen von Lehrbetrieben. «Wir versuchen nun, eine Art Rotationsprinzip einzuführen, das heisst, dass verschiedene Ateliers die Ausbildung übernehmen.» Dadurch erhielten die Auszubildenden sowohl Einblicke in verschiedene Betriebe, als auch eine umfassende und breite Ausbildung, die den Anforderungen der Berufsprüfung entspreche. Ausserdem wäre dadurch die Bereitschaft der Ateliers auch grösser, einen Lehrling auszubilden. Die Hauptargumente dafür, keine Lehrlinge auszubilden, lägen oft in der zeitlichen und administrativen Belastung und der Unsicherheit bezüglich der zukünftigen Auftragslage. Mit diesem Modell würden diese Vorbehalte weitestgehend ausgeschaltet und die Betriebe könnten besser planen und ihre Aufträge entsprechend einteilen.

Weniger Bürokratie gefragt

Die Kantone erteilen den Lehrbetrieben die sogenannte Bildungsbewilligung. Vorab wird geprüft, ob die Voraussetzungen für die Ausbildung im entsprechenden Beruf grundsätzlich erfüllt werden. Hier erwartet Aline Dold ab und zu auch etwas mehr Toleranz und Verständnis für die Anliegen der Branche – vor allem angesichts dessen, dass man schliesslich um jeden Lehrbetrieb kämpfe. Wenn sich die Toilette in einem Kleinstbetrieb in der Privatwohnung der Inhaberin befindet, ist das ein Grund, das Gesuch abzulehnen. Und wenn die Werkstatt nur über Oberlicht verfügt, ebenso. Das sei den Lernenden nicht zuzumuten. Das Beispiel zeigt, dass als wichtiger Teil der Nachwuchsförderung vor allem innovative Lösungen und flexible Ansätze von Betrieben und Behörden gefragt sind, um die Zukunft der Branche zu sichern.

Gerold Brütsch-Prévôt

Redaktioneller Mitarbeiter Zürcher Wirtschaft

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