Gefährliche Wohlfühl-Narkose

Eines vorweg: Wir sind sehr dankbar! In den vergangenen Jahren hat die Wirtschaft in der Schweiz gebrummt, auch die KMU konnten davon profitieren. Es waren zwar nicht einfach Milch und Honig, die im Wirtschaftsfluss geflossen sind. Aber wer sich eingesetzt hat und die Arbeit nicht scheute, hat davon profitieren können. Und wie im Schlepptau dieses brummenden Motors ging es auch der Schweizer Bevölkerung gut bis sehr gut! Wenn man aber keine besonderen Herausforderungen spürt, dann besteht immer auch die Gefahr, dass man sich zurücklehnt und (zu) vieles als selbstverständlich annimmt. Der Mensch ist im Grundsatz seit jeher ökonomisch, sonst hätten wir wohl nie den Weg aus der Höhle gefunden. Im Klartext heisst das, dass immer versucht wird, mit kleinstmöglichem Einsatz das bestmögliche Ergebnis zu erzielen. Im besten Falle wird die frei werdende Energie dann in die nächsten Herausforderungen gesteckt und wir kommen alle gemeinsam vorwärts. 

Wenn wir diese Energie aber nicht in den nächsten Schritt investieren, dann kann man schnell auch in eine sogenannte Wohlfühl-Narkose verfallen. Das passierte auch manchen unserer KMU, obwohl für uns alle schon immer klar war, dass einem nichts geschenkt wird. Dann werden plötzlich bewährte Verbindungen wie zum Beispiel Gewerbevereine und -verbände hinterfragt. «Es geht uns ja auch so gut, diesen alten Zopf braucht eigentlich niemand mehr und den Mitgliederbeitrag können wir uns auch noch sparen…» Es erinnert mich immer wieder an den berühmten Hans-im-Glück, bei dem sich ein Goldklumpen tatsächlich auf einer einzigen Reise in Luft auflöste. Das darf uns nicht passieren! Aber schon seit der Gründung des KGV im Jahre 1854 wissen wir, dass unsere Gewerbeorganisation in fetten Wirtschaftsjahren nicht so zur Geltung kommt, dafür in schwierigen Zeiten extrem wichtig ist. Und genau das wurde in den vergangenen zwei Jahren auf allen Ebenen bewiesen.

Gefährlicher für uns alle ist aber die Wohlfühl-Narkose in unserer Bevölkerung, siehe oben: Es geht uns gut bis sehr gut! Das hat dazu geführt, dass das Gespür für die Wirtschaft in vielen Kreisen verloren ging. Einige unanständige Beispiele haben genügt, dass die Meinung in der Öffentlichkeit weg von «wirtschaftsfreundlich, weil nützlich für uns alle» hin zu «sehr kritisch, weil wir das ja eigentlich gar nicht brauchen» gedreht hat. Dabei wird leider sehr gerne vergessen, dass uns nur eine stabile Wirtschaft den Standard garantieren kann, an den wir uns bereits gewöhnt haben und den wir alle so geniessen. 

Und weil ich positiv begonnen habe, höre ich gerne auch positiv auf. Trotz Covid und allen anderen Herausforderungen, die uns zurzeit plagen, ist die Wirtschaft stabil und krisenresistent. Das ist zum allergrössten Teil der Verdienst unserer KMU. Denn wir KMU sind schnell und anpassungsfähig und damit ein Garant, dass trotz widrigen Umständen immer wieder ein Weg gefunden wird. Und das geschieht deshalb, weil bei uns Menschen mit Herzblut an der Spitze ihrer Firmen stehen.

Werner Scherrer

Präsident KMU- und Gewerbeverband Kanton Zürich KGV

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