Wer will heute noch Gipser werden?

Der Gipserberuf steht, wie viele andere Handwerkerberufe auch, in der Hitparade der Wunschberufe abgeschlagen am hinteren Ende. Während der Arbeitsmarkt händeringend nach Fachleuten sucht, nimmt die Zahl der Lernenden alarmierend ab.

Bild adobe.stock.com/amedeoemaja

Gipser haben zu Unrecht ein schlechtes Image bei Jugendlichen.

Vielleicht hat der Beruf die falsche Bezeichnung, denn er bietet einiges mehr als vermutet. Das Tätigkeitsgebiet der Gipser-Trockenbauer ist in den letzten Jahren immer breiter geworden. Sie sind wahre Alleskönner: Sie konstruieren Wände, Decken und Verkleidungen, isolieren Häuser gegen Kälte und kreieren Stuckaturen und Reliefe.

Trotzdem winken die meisten Jugendlichen ab; der Gipserberuf steht in der Hitparade der Wunschberufe abgeschlagen am hinteren Ende. Das bestätigt auch der Schweizerische Maler- und Gipserunternehmer-Verband (SMGV) auf Anfrage: «Sehr viele Eltern sehen ihre Kinder lieber in einem Studium als in einer Berufslehre. Handwerksberufe sind allgemein nicht im Trend. Die Gipser-Trockenbauer-Berufe gelten in den Köpfen der Eltern- und Gross-elterngeneration als schmutzig und körperlich sehr anstrengend. Wir stellen zudem leider fest, dass auch Oberstufenlehrpersonen und Berufsberater Jugendlichen sogar davon abraten, einen Bauberuf zu wählen. Diese Beeinflusser haben ein falsches Bild. Die Gipser-Trockenbauer-Berufe sind sehr vielfältig. Zudem ist durch Automatisierung und Digitalisierung der körperliche Aspekt weniger wichtig geworden.»

Starker Ausbildungsrückgang

Auch Michael Huber, stellvertretender Geschäftsführer des Gipsergeschäfts Schirmer AG in Horgen, sorgt sich um seinen Berufsstand: «Vor zehn Jahren haben schweizweit noch jedes Jahr 120 Gipser EFZ abgeschlossen – heute sind es gerade noch 80», sagt er. Und in diesen 80 seien auch solche mit einer zweijährigen Lehre mit Berufsattest dabei. Die Gründe dafür sieht er in der akademisierten Berufswelt und auch im schlechten Image der Handwerkerberufe. Aber nicht nur: «Die meisten Jugendlichen wissen gar nicht, was ein Gipser, eine Gipserin genau macht», ergänzt er. Kein Wunder, denn selbst die Hälfte der Lehrkräfte hätten keine Ahnung davon, wie kürzlich eine Umfrage ergeben habe. Und gerade sie seien wichtige Beeinflusser für die Berufswahl.

Lehrerschaft nicht interessiert

Um den Schülerinnen und Schülern die Berufe in der Gipser- und Malerwelt aufzuzeigen, wurden 170 Schulen eingeladen, am Berufswahltag Ende September 2023 teilzunehmen. Nur 20 antworteten, einige schrieben sogar zurück, von solchen Einladungen in Zukunft abzusehen. Michael Huber, der sich auch im Zentralvorstand des Schweizerischen Maler- und Gipserunternehmer-Verbandes (SMGV) engagiert, zeigt sich enttäuscht. «Ich bin überzeugt, dass wir an diesem Berufswahltag das Interesse von vielen Jugendlichen hätten wecken können und sie so wenigstens für eine Schnupperlehre zu motivieren», ist Huber überzeugt.

Wir suchen seit sage und schreibe fünf Jahren händeringend einen Gipser EFZ. Das ist wirklich ein Ding der Unmöglichkeit

Lukas Gebauer, Geschäftsführer Franz Reinhardt AG, Standort Uster

Gipser EFZ sind Mangelware

So verwundert es nicht, dass sich bei den Gipserbetrieben nicht einmal mehr Schnupperlehrlinge melden und Lehrstellen immer weniger besetzt werden können. Das stellt auch Lukas Gebauer, Geschäftsführer des Ustermer Standorts der Franz Reinhardt AG, fest. «Wir suchen seit sage und schreibe fünf Jahren händeringend einen Gipser EFZ. Das ist wirklich ein Ding der Unmöglichkeit», sagt er. Dabei biete der Gipserberuf für Jugendliche mit handwerklichem Flair auch nach dem Lehrabschluss grossartige Möglichkeiten – das zu kommunizieren sei wichtig. Wer sich engagiere und begeistert seinen Beruf ausübe, könne bereits während der Lehre viel erreichen. Er nennt als Beispiel Michael Ryter, der seine Lehre bei der Franz Reinhardt absolviert, der bei den Swiss Skills, den Schweizer Berufsmeisterschaften, im Finale Gold geholt und sich so für die Weltmeisterschaft im kommenden Jahr in Lyon qualifiziert habe.

Nicht aufgeben und kämpfen

Michael Huber stellt fest, dass viele Betriebe resigniert aufgegeben hätten, Lehrlinge zu suchen. «Das wäre das Ende unserer Branche und letztendlich auch ein gesellschaftliches Problem», meint er. Gerade im Rahmen des Klimaschutzes spielten die Gipserbetriebe eine Schlüsselrolle, wie andere Handwerkerberufe auch. Für Huber ist die Motivierung für die Gipserberufe eine Herzensangelegenheit, die er sogar in der Diplomarbeit in seiner Ausbildung als Stuckateurmeister aufgegriffen hat, in der er mögliche Wege zur Verbesserung der Situation aufzeigt. Eine Schlüsselrolle spielen darin die einzelnen Betriebe. «Wichtig ist die Einsicht, dass wir proaktiv mit dem Thema umgehen sollten. Die Jugendlichen sind unsere Zukunft und es liegt an uns, ihr Potenzial abzuholen. Und dafür muss jeder einzelne Betrieb seinen Beitrag dazu leisten», schreibt er.

Auch der SMGV hat das erkannt: «An unseren Veranstaltungen und den Delegiertenversammlungen rufen wir unsere Mitglieder dazu auf, genauso stark und hartnäckig um den Nachwuchs zu kämpfen, wie sie es tun, um Aufträge zu gewinnen.» Zudem sollen Nachwuchskampagnen dafür sorgen, Jugendliche für die Gipser-Trockenbauer-Berufe zu begeistern und das falsche Image in der Öffentlichkeit zu korrigieren.

Gerold Brütsch-Prévôt

Redaktioneller Mitarbeiter Zürcher Wirtschaft

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