Selig im Strampler

Nicole Barandun, Präsidentin des stadtzürcher Gewerbeverbands, war als Kind auf vielen Kleideranzeigen zu sehen. Nicht an alle Shootings hat die Mitgründerin einer Anwaltskanzlei gute Erinnerungen. Aber nebst Durchhaltewillen und einem Sinn für Qualität waren auch einige weitere positive Lektionen darunter.

Nicole Barandun, Präsidentin des Gewerbeverbands Stadt Zürich und KGV-Vizepräsidentin, nimmt ihren Eltern die «Kommerzialisierung» ihrer frühen Kinderjahre nicht übel. Im Gegenteil: Einige Geschichten regen noch heute zum Schmunzeln an.

Der Klassiker: Nicole Barandun 1972 im Strampler «Jumbo» von Bébé-Jou.

Mit ihrer «Werbefamilie» von Charles Vögele erlebte sie einiges.

Müsste es nicht heissen «er-tragbar»? Bei einem Shooting für einen portablen Fernseher schlug klein Nicole (unten rechts) schmerzhaft ihren Kopf am Türrahmen an.

Die Jeans aller «Familienmitglieder» waren fürs Foto mit Karton beschichtet, erinnert sich Nicole Barandun noch heute.

Auch für Coop machte Nicole Barandun (unten rechts) Reklame.

Und für Migros.

Für die Textil-Revue sogar im Vierfarbendruck.

Nicole, wie kam es zu deinen ersten «Modelaufträgen» als Kind?

Nicole Barandun: Meine Eltern waren sehr jung, als ich geboren wurde. Da waren die Fotoshootings der Tochter da sicher ein willkommener Zustupf in die Haushaltskasse.

Hatte jener Fototermin mit dem Bébé-jou-Strampler bzw. darauffolgende irgendeinen Einfluss auf deine spätere Karriere als Gründerin einer eigenen Anwaltskanzlei und Gewerbepräsidentin der Stadt Zürich?

Barandun: Da nach meinen ersten Shootings keine Anfrage einer grossen Agentur kam, musste ich notgedrungen etwas Vernünftiges lernen. Die frühe Erkenntnis, dass man sein Produkt oder seine Dienstleistung gut vermarkten muss, schadete sicher nicht. Obwohl – aufdringliche Werbung ist uns Anwälten verboten.

Warum hast du die Modelkarriere nicht weiterverfolgt?

Barandun: Der Anfang vom Ende war ein Shooting mit Winterkleidern im Sommer. Ich fand: Nein, das will ich nicht mehr. Fairerweise muss ich sagen, dass meine Eltern das sofort akzeptiert haben. Wenn nun aber entsprechende Angebote kämen, wäre ich für ein Comeback bereit. Allerdings nicht für Strampler. Und die Vereinbarkeit mit meinem Beruf müsste gewährleistet sein – wie immer heute.

Hast du deinen Eltern nicht irgendwann als Teenager vorgeworfen, Deine Seele verkauft zu haben? Solche späten Erkenntnisse kennen wir ja auch von anderen «Werbekindern».

Barandun: Na ja, ganz so schlimm war es nicht. Allerdings hatte ich einmal ein Engagement in einem Werbespot für einen tragbaren Fernseher. Mein «Werbepapi» trug einen dieser Apparate unter dem einen Arm und mich unter dem anderen und betrat so das Wohnzimmer. Leider waren wir alle zusammen zu breit für die Tür und mein Kopf schlug ziemlich hart am Türrahmen auf. Die ganze Aufmerksamkeit lag wohl beim damals sehr teuren Fernsehgerät. Erst als eine Assistentin ein Brunchli organisierte, erklärte ich mich zur Wiederholung der Szene bereit. Das mussten meine Eltern natürlich öfters hören…

«Leider waren wir alle zusammen zu breit für die Tür und mein Kopf schlug ziemlich hart am Türrahmen auf.»

Nicole Barandun, Präsidentin Gewerbeverband Stadt Zürich

…deine echten Eltern. Aber du warst immer wieder mit dieser «Werbefamilie» (Mutter, Vater, Bruder) in verschiedenen Kampagnen von Charles Vögele zu sehen. Hast du sie auch ein wenig ins Herz geschlossen?

Barandun: So viele Aufträge hatte ich dann auch nicht, aber viele waren bei Charles Vögele. Und nein, Kontakt habe ich nicht mehr. Hingegen kann ich mich noch sehr gut an ein Bild erinnern – eine Reklame für Schlaghosen. Da hatten wir alle Kartonröhren in den Hosenbeinen, damit die Hosen schön fielen. Das war äusserst unangenehm. Schon damals machte man alles dafür, dass das Produkt gut wirkte. Das erklärt vielleicht, warum ich nicht so glücklich aussah.

Kommen wir zurück auf den Strampler: Er vereint Hose, Hemd und Socken in einem und gibt warm. Ein ideales Accessoire, um seine Kinder auf einen sparsameren Winter einzustellen?

Barandun: Das ganz sicher. Und die vielen Teamssitzungen in den letzten Monaten haben uns Erwachsenen ja auch zahlreiche Einblicke in die Homeoffice-Modewelt unserer Arbeitskollegen erlaubt. Ein Strampler fällt da kaum ab. Ob er aber auch das Herz des Partners oder der Partnerin wärmt, bezweifle ich.

Robust, reissfest und bewegungsfrei steht im Inserat – sind das Attribute, die auch aufs Zürcher Gewerbe zutreffen?

Barandun: Auf jeden Fall. Dass das Zürcher Gewerbe robust ist, haben wir in den letzten zwei Jahren bewiesen. Beweglich sind wir auch. Das urbane Umfeld verlangt von uns dauernde Flexibilität und Anpassung an ein sich schnell veränderndes Umfeld.

Eigentlich wurde der Overall –oder heute: Jumpsuit – erfunden, um vor Schmutz, Feuer oder Chemikalien zu schützen – eine Hommage ans Gewerbe. Setzt Du modisch noch immer auf Evergreens?

Barandun: Das sollten wir alle unbedingt tun. Fast Fashion schadet der Umwelt , ist meist mit Ausbeutung von Arbeitern in Asien verbunden und ruiniert nach der Entsorgung gleich auch noch die traditionellen Manufakturen in Afrika. Wenn wir weniger, dafür Hochwertiges, das hält und notfalls geändert oder geflickt werden kann, in einer hübschen, gut sortierten Boutique kaufen würden, könnten wir auch Arbeitsplätze nach Europa zurückholen.

Nutzt du den Overall auch heute noch als modisches Accessoire?

Barandun: Ich hatte meine wilde Zeit in den 80er-Jahren. Big hair, buntes Make-up, Schulterpolster und natürlich Overall. Heute lasse ich von all dem die Finger. Als Schutzanzug hat er jedoch nach wie vor seine Berechtigung.

Und Overalls wärmen sich schneller auf Körpertemperatur. Mediziner raten, einzelne Körperteile gezielt zu wärmen – insbesondere die Extremitäten. Wie schützt du dich im Arbeitsalltag denn gegen Kälte?

Barandun: Ich bin ein Gfrörli – in meinem Büro hängt sogar im Sommer eine dicke Strickjacke. Man weiss ja nie. Und wenn es ganz schlimm kommt, hilft die Wärmeflasche in der Nähe der Füsse. Die Wechseljahre halten halt auch nicht immer das, was sie versprechen…

Wie steht das Stadtzürcher Gewerbe zur empfohlenen Raumtemperatur, die uns diesen Winter noch viel beschäftigen wird?

Barandun: Für alle, die sich bei der Arbeit bewegen, ist das kaum ein Problem. Das trifft eher diejenigen, die notgedrungen zum Sitzen verdammt sind. Dabei sind leider auch ältere Menschen, die ohnehin leichter frieren.

«Strampel dich frei» – wäre das nicht ein idealer Slogan fürs stadtzürcher Gewerbe im Sumpf der Verkehrsverhinderer, Parkplatzabbauer, Autobahnblockierer?

Barandun: Du hast noch das Strampeln auf dem Lastenfahrrad vergessen, das wir bald alle benützen. Spass beiseite: Das Zürcher Gewerbe ist flexibel und wenn es passt, nehmen wir den ÖV oder das Velo. Aber der ideologische Grabenkampf ist anstrengend und am Ende des Tages will Herr Zürcher versorgt sein und Frau Zürcherin will ein dichtes Dach, ein funktionierendes WC und einen aufgeräumten Garten. Und das alles zu einem gu-ten Preis und möglichst schnell. Ohne Fahrzeuge geht das nicht. Und dann muss ich allen, die die Autos aus Zürich verbannen wollen sagen, mit der Drohne kommen auch die Einkäufe von Coop at home und Zalando nicht.

Wenn Büros kühler bleiben, könnten das vor allem Frauen spüren – sie sollen schneller frieren als Männer, wie etwa die Studie «Schlacht um den Thermostat» aus dem Jahr 2019 zeigt. Grob zusammengefasst: Frauen können bei Wärme besser denken. Ergo ist die Energiekrise ein Wettbewerbsnachteil für Frauen. Sollten sie wärmere Büros haben?

Barandun: Ich würde sagen, das ruft sofort nach einer Demo für wärmere Frauenbüros. In Zürich natürlich eine unbewilligte!

Mark Gasser

Chefredaktor
Zürcher Wirtschaft

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