«Eine Ergänzung zu den Banken»

Die Bürgschaftsorganisationen für KMU fördern entwicklungsfähige Klein- und Mittelbetriebe (KMU) durch Gewährung von Bürgschaften mit dem Ziel, diesen die Aufnahme von Bankkrediten zu erleichtern. Wir sprachen mit dem Geschäftsführer der BG OST-SÜD, Reto Hollenstein, über unternehmerische Entscheide und Bürgschaften, die auch in einem schwierigen, wirtschaftlichen Umfeld Sinn machen können.

Bild Mark Gasser

«Wir sehen uns als Ermöglicher»: Reto Hollenstein, Geschäftsführer der Bürgschaftsgenossenschaft BG OST-SÜD.

Die BG OST-SÜD mit Sitz in St. Gallen ist für die Ostschweiz sowie den Kanton Tessin zuständig und die zweitgrösste Organisation ihrer Art in der Schweiz. Die Genossenschaft fördert entwicklungsfähige KMU durch die Gewährung von Bürgschaften mit dem Ziel, diesen die Aufnahme von Bankkrediten zu erleichtern. In Zeiten, in denen höhere Zinsen die Kreditgewährung erschweren können, kann die Bürgschaftsgenossenschaft eine wichtige Rolle spielen.

Die Genossenschaft ist eine nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen geführte gemeinnützige Organisation. Sie verfolgt im Sinne ihres Zweckes uneigennützige Aufgaben und strebt keinen Erwerbszweck an. Die BG OST-SÜD ist keine Bank, sondern kommt dann ins Spiel, wenn die finanzierende Bank entscheidet, dass für die Gewährung des Firmenkredites zusätzliche Sicherheiten benötigt werden. «Wir sind keine Konkurrenz zu den Banken, sondern sehen uns als Ergänzung zu Bankkrediten bzw. als Ermöglicher», kommentiert Reto Hollenstein.

Ein Beispiel aus der Praxis: Grundsätzlich werden Gewerbebauten – im Gegensatz zu Wohneigentum, das zu 80% belehnt wird – nur zu 65 bis 70% von der Bank mitfinanziert. «Mit unserer Bürgschaft können die KMU in solchen Fällen gegen 85% Belehnungsanteil erreichen», so Hollenstein. Der Unternehmer oder die Unternehmerin, der oder die in der Regel also rund 30% Eigenmittel einbringen müssten, muss jetzt noch 15% an Eigenkapital beisteuern. Die Entwicklung von KMU fördern und erleichtern: Das ist auch der Grund, weshalb der KGV eine Partnerschaft mit der BG OST-SÜD als sinnvoll erachtet.

Vor einem Jahr startete Reto Hollenstein als Geschäftsführer bei der BG OST-SÜD. Es erwartete ihn keine leichte Aufgabe: Mit der wirtschaftlichen Entwicklung hat die Komplexität der Finanzgeschäfte zugenommen und die Anforderungen an die Mitarbeitenden, welche die Bürgschaftsgesuche prüfen und analysieren, sind weiter gestiegen.

Weniger Kredite genehmigt

Während die Anzahl der eingegangenen Gesuche auf erfreulichem Niveau stabil blieb, nahm die Anzahl der bewilligten Gesuche – notabene bei gleichbleibender Bewilligungspraxis – deutlich ab. Dies ist darauf zurückzuführen, dass viele Gesuche seitens Gesuchsteller zurückgezogen bzw. nicht weiterverfolgt werden. Ebenfalls hat so die Gesamtsumme der verbürgten Kredite leicht abgenommen. Die Zinsentwicklung und die in verschiedenen Branchen spürbar unsichere Konjunkturentwicklung haben das Investitionsverhalten hemmend beeinflusst. Dennoch hält Verwaltungsratspräsident Peter Schütz im Geschäftsbericht fest: «Unser Chancenpotenzial auf eine weiterhin prosperierende Wirtschaft und somit den Erhalt unseres Wohlstandes ist intakt, wenn wir mutig tragfähige Entscheide fällen und diese auch zeitnah zum Wohle unserer Volkswirtschaft umsetzen.» Mit «wir» meint er zwar in erster Linie die Politik. Aber die KMU sind mitgemeint. Und was eine Bürgschaftsgenossenschaft mit unternehmerischem Mut zu tun hat, wird im Gespräch mit Geschäftsführer Reto Hollenstein schnell klar.

Andere Belehnungsgrundlage

Da es sich nicht um Geldtransaktionen handelt, sondern Bankkredite verbürgt werden, unterstehen die Bürgschaftsgenossenschaften nicht den Eigenmittelvorschriften der Banken oder der Finanzkontrolle der Finma. «Deshalb müssen wir auch nicht die Belehnungsgrundsätze der Banken übernehmen», sagt Hollenstein.

Bürgschaften können für die Beschaffung von Liquidität, für Firmenübernahmen (z.B. Kauf eines Aktienpaketes als CEO), für Sanierungen, Erwerb von Mobiliar und Infrastrukturen oder für Gründungen vergeben werden.

Stand Covid-Rückzahlungen

Der Bund gab während Corona den vier Bürgschaftsgenossenschaften den Auftrag, die Abwicklung der Covid-Kredite sicherzustellen. Bei einer Laufzeit der Covid-Kredite von 8 Jahren könne man bereits heute eine positive Bilanz ziehen, meint Hollenstein. Aus Sicht der Bürgschaftsgenossenschaft heisst das: «Wir sehen nach rund drei Jahren, dass ein grosser Teil der ursprünglich durch die BG OST-SÜD bearbeiteten Dossiers von rund 8 Milliarden Franken zurückgezahlt worden sind.» Das lasse darauf schliessen, dass sich möglicherweise einige Unternehmen besser als befürchtet im Markt behaupten oder dass sie die Kredite im Sinne einer Liquiditätsreserve beantragt haben und anschliessend nicht benötigten.

Bei der Präsentation des Covid-Kredit-Programmes im Jahr 2020 ging man von einer Verlustquote von rund 10% aus. Bei den ordentlichen Bürgschaften liegt die Ausfallquote weit tiefer, nämlich unter 1% bei Kunden der BG OST-SÜD. Allerdings rechnet Hollenstein im laufenden Jahr mit einer höheren Ausfallquote – als verzögerter Effekt des abgeschwächten Wirtschaftswachstums.

Corona hemmte Investitionen

Trotz des «Mandats» in Zusammenhang mit den Covid-Krediten und der entsprechenden Aufstockung des Personals meint Hollenstein, dass der Bekanntheitsgrad der Bürgschaftsorganisationen nur marginal gestiegen ist respektive neue Geschäfte ausgelöst hätte. «Corona war ja oftmals gleichbedeutend mit einem Stopp der Investitionen. Das wirkt auch jetzt noch nach, in Abhängigkeit von der aktuellen Wirtschaftssituation, die manches KMU hemmt, zu investieren.» Für das laufende und nächste Jahr ist die BG OST-SÜD vorsichtig optimistisch. «Wir sind aktuell sehr oft in Kontakt mit Banken und deren Firmen- und Gewerbeberatern und hoffen, so unsere Dienstleistung breit zu kommunizieren und auch neue Geschäft zu akquirieren.» Die Erhöhung der Bürgschaftslimite von 500 000 auf neu 1 Million Franken im Jahr 2018 habe sich sehr positiv ausgewirkt, unter anderem wegen der steigenden Immobilienpreise.

Mark Gasser

Chefredaktor
Zürcher Wirtschaft

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