Ein KMU gründen aus einer Hand

Die Zürcher Kantonalbank will ihre Kräfte in Sachen «Gründen» bündeln – das heisst: Nebst den bereits etablierten Gefässen, um Startups mit Risikokapital zu versorgen, hat die ZKB vermehrt die «klassischen» Gründungen im Blick. Der neue Gründerdesk liefert Hilfestellung und Begleitung in der wichtigen Startphase für Gewerbetreibende.

Bild Mark Gasser

Michael Loosli (35) ist Leiter Betreuung & Fachsupport Firmen bei der Zürcher Kantonalbank. Er baut den neuen «Gründerdesk» mit auf.

Wenn einer weiss, aus welchem Holz Gründerinnen und Gründer von KMU geschnitzt sind, dann ist es Michael Loosli. Der 35-Jährige und sein Team vom «Gründerdesk» der Zürcher Kantonalbank haben ein Flair für Chancen, Risiken und Erfolgsaussichten von initiativen Menschen, die eine Firma aufbauen wollen.

Bekanntlich stellt in der Maslow’schen Bedürfnispyramide die Selbstverwirklichung die Spitze dar. Hat der Mensch alle anderen Bedürfnisse befriedigt, kann er nach Selbstverwirklichung streben. «Und Selbständigkeit stellt die höchste Form der Selbstverwirklichung dar», so Loosli. «Das Gründen wird daher immer Thema sein – auch für die Generation Z», kontert er eine Frage zu modernen Work-Life-Ansprüchen.

Gründerdesk – was ist das?

Bei der ZKB wird der Unternehmensgründung besondere Aufmerksamkeit geschenkt. Doch was ist das neu geschaffene Gefäss genau, der «Gründerdesk»? Vorweg: Es handelt sich zwar nicht um einen einzelnen Standort oder gar «Bürotisch», wie der Name vermuten lässt, aber durchaus um eine Konzentration auf einige wenige.
Um die Verantwortlichkeiten klarer zu regeln und spezifischer auf die Bedürfnisse der Gründer eingehen zu können, will die ZKB nun mit dem Gründerdesk «eine eigene Disziplin» schaffen – die Bündelung der Beratungsleistungen bedeutet physisch eine gewisse Zentralisierung: Die 16 Kundenberaterinnen und -berater werden in wechselnden Gruppen künftig an fünf Standorten für KMU-Gründungen und die damit verbundenen Kreditgesuche zuständig sein: City, Oerlikon, Winterthur, Uster, und Dietikon.

«Gründerinnen und Gründer versuchen, schlank wenig Investitionen zu tätigen – so ist es für uns ein langfristiges Investment.»

Michael Loosli, Leiter Betreuung & Fachsupport Firmen ZKB

Während die City-Filiale in Zürich als Homebase aktuell aufgebaut wird und auch Rekrutierungen stattfinden, sollen die Teams in unterschiedlicher Besetzung in Winterthur und Oerlikon (wo bereits Beratungstage stattfinden) ab dem Sommerhalbjahr an vier, in Dietikon und Uster an drei Tagen im Einsatz sein.

Der neue Fokus ist aus Bankensicht eher langfristig interessant: «Aus Bankenoptik verdient man mit Gründerinnen und Gründern nicht viel Geld. Sie versuchen, schlank wenig Investitionen zu tätigen – so ist es für uns ein langfristiges Investment und gleichzeitig eine Mission, den Kanton langfristig zu unterstützen.» Die verstärkte Zuwendung zu KMU-Gründungen erinnert entfernt an die Entstehungsgeschichte der Zürcher Kantonalbank. Auch sie wurde aus dem KMU-Umfeld gegründet – und auch damals gab es wenige Alternativen. Die ZKB hat das Gewerbe in ihrer DNA – ist sie doch vor über 150 Jahren genau aus diesem heraus entstanden: Von Alfred Eschers Schweizer Kreditanstalt (später Credit Suisse) abgelehnt, forcierten Gewerbe und Landwirtschaft kurzerhand die Gründung einer staatlichen Bank – die spätere Zürcher Kantonalbank.

Heute hat sich die Gründerszene natürlich gegenüber damals verändert. Was gleich blieb: Überdurchschnittlich viele Gründerinnen und Gründer bringen keine höhere Ausbildung mit. Was Loosli aber auch auffällt: Viele haben einen Migrationshintergrund – die Kombination zwischen Arbeitseinstellung und Risikobereitschaft sei da wohl der Treiber. «Fremdsprachen sind bei unserem Gründerdesk sehr gefragt.»

Bei Mikrounternehmen gibt es ein weiteres Gefäss, das für Mikrokredite geschaffen wurde: Der Verein Go, für den die ZKB als Partnerbank die Kredite abwickelt, wodurch das Kreditrisiko somit bei der ZKB liegt, ist auf Risikokapitalfinanzierungen bis 40 000 Franken programmiert. Loosli bezeichnet diese Finanzierungsspritzen als «niederschwelliges Venture Capital für KMU».

ZKB und ihre Gewerbe-DNA

Die ZKB ist in der Startupszene bekannt als einer der grossen Investoren beziehungsweise Risikokapitalgeber für hochinnovative, aber auch hoch volatile Startups. «Die Szene stellt aber in der Gründergesamtheit im Kanton eine verschwindend kleine Grösse dar: Viele erreichen die ‹Skalierungsphase› gar nicht oder wollen sie gar nicht erreichen.» Im Bereich Startups gibt es auch viele weitere Fördermassnahmen. «Die Kapitalnot für Startups hat in den letzten Jahren deutlich abgenommen», sagt Loosli. «Als Anlagenotstand herrschte, stieg die Risikobereitschaft, gerade im Niedrigzinsumfeld, und viele Private begannen in Startups zu investieren.»

Der grösste Teil sind konven-tionelle Gründungen: Menschen, die sich im Gewerbeumfeld selbständig machen – vom IT-Support über das Tätowierstudio, vom Friseursalon bis zum Kebabstand. Oft versorgten sich deren Gründerinnen und Gründer aber mit eigenem Kapital oder solchem aus ihrem Umfeld nach dem Motto: Family, Friends and Fools. In der Regel denken diese gerade in einer frühen Unternehmensphase gar nicht an die Bank. Und das möchte der Gründerdesk ändern. «Wir versuchen, uns in diesem Ökosystem der Gründer bereits in einer frühen Phase bemerkbar zu machen.» Meist wechseln Kunden die einmal geknüpften Bankbeziehungen nicht – man denke nur an den ganzen Zahlungsverkehr und die Lohnkonten. «Wir wollen ja möglichst früh mit Gründenden in Kontakt kommen, um die Erfolgschancen des Unternehmens zu erhöhen», so Loosli. «Im Extremfall liegt nur eine Geschäftsidee eines Menschen vor, den man nur subjektiv beurteilen kann. Anhand dessen muss man eine Risikoabwägung machen, ob eine Gründerfinanzierung in Erfolg resultieren kann oder nicht.»

Obwohl die Kreditbeträge bei Neugründungen in der Regel kleiner seien als bei bestehenden KMU, sei die Zinsstruktur ähnlich wie bei einer normalen Fremdkapitalfinanzierung. «Das ist unser Beitrag an die KMU-Gründungsszene», sagt Loosli.

Drei Gründungsphasen

Die Gründung lässt sich in drei Phasen einteilen: Am Anfang steht die Vorbereitungsphase von der Idee über die Marktanalyse bis zum Gründungsentscheid. «Da wollen wir unsere Präsenz erhöhen.» Gefolgt wird sie von der Loslegephase – dem Übergang vom Denken ins Handeln: Verträge abschliessen, Rechtsform wählen, Bankbeziehungen etablieren, Versicherungen abschliessen. Die dritte Phase ist die Startphase beziehungsweise die Etablierungs- und Wachstumsphase.

In der ersten und der letzten Phase möchte die ZKB vermehrt aktiv sein – also mehr in die Vorbereitung und das Etablieren/Wachsen entwickeln. Der Gründerdesk vereint die Zuwendung zu den bisweilen von den Angeboten überforderten Gründerinnen und Gründern sozusagen als neue «Disziplin». «Aber wir müssen natürlich stetig am Beratungserlebnis arbeiten, damit die Gründer aus einer Hand einen unkomplizierten Prozess erleben.» In diesem Biotop der Gründerszene ist der Gründerdesk die Drehscheibe, die selber gewisse Leistungen und Angebote erbringt für Gründerinnen und Gründer – etwa die Kapitaldeponierung bei der Gründung einer GmbH oder AG und die Versorgung mit weiteren Bankendienstleistungen.

Vieles kann auch automatisiert bewältigt werden – etwa mithilfe der «Jurata» Legaltech-Rechtsberatungsplattform. ZKB kooperiert mit dieser im Bereich Online-Gründungsservice. Auch Softwarepartner sind im Pool der Partner mit drin. Die Ideen vieler KMU-Gründerinnen und Gründer seien sehr vielfältig – und teils exotisch. Jährlich kommen bei der Zürcher Kantonalbank 2500 bis 3000 Onboardings (Aufnahme neuer Geschäftsbeziehungen) zustande – der grösste Teil davon als Gründungen. «Mich faszinierte an diesem Geschäftsbereich immer der Mut, etwas auf eigenes Risiko zu starten.»

Mark Gasser

Chefredaktor
Zürcher Wirtschaft

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