Zu viel oder zu wenig?

Ich war mit meiner Frau in den Sommerferien – wie alle Jahre drei Wochen «streunend» in Italien, wie aufmerksame Leserinnen und Leser wissen. Und das war nach meiner Meinung definitiv eher ZU WENIG.


Rom: Überfluss an Kultur
Italien ist ein klassisches Beispiel für den Titel. Wir trafen irgendwo in einem Wäldchen tief im Niemandsland auf ein Loch im Berg. Ein Höhleneingang. Tatsächlich der Eingang zu einem fast 6 Kilometer langen Tunnel, mit dem Kaiser Claudius 50 n. Chr. den Wasserstand eines ganzen Sees regulieren liess. Wie gesagt, irgendwo abseits im Wald, kein Tourismus, nix. Typisch für Italien. Und auch in Rom kann man um einen (modernen) Häuserblock ziehen und steht plötzlich vor einem Teil eines römischen Bauwerkes. Bezüglich Kultur ist Italien ein Klassiker für ZU VIEL. Alles das gehört ganz einfach zum täglichen Leben, egal, wie alt die Häuser und Brücken bereits sind. Erlauben Sie mir deshalb den mutigen Vergleich zur KMU-Situation in der Schweiz: rund 90 Prozent aller Unternehmen in der Schweiz (immerhin 540’000 Firmen!) haben 1–9 Mitarbeitende. Es ist so etwas von normal für unser Land, dass wir den wahren Wert selbst immer wieder massiv unterschätzen. Dabei sind 90 Prozent in diesem Fall eher ZU WENIG, weil die KMU der Schweiz mit ihrer Struktur die bekannte Stabilität geben. Die Schlussfolgerung drängt sich auf: Ohne Römer kein Italien, ohne KMU keine Schweiz!
Während der vergangenen drei Wochen habe ich wie jedes Jahr herausgefunden, dass ich für meine Gesundheit ZU WENIG mache. Als Unternehmer und Verbandsmensch ist immer alles andere mindestens so wichtig wie Bewegung, Sport und Ernährung. Work-Life-Balance? Pfeif ich drauf, ein Modewort, wir sind ja schliesslich noch aus richtigem Holz geschnitzt, gell. Das machen wir dann, wenn wir nichts Besseres zu tun haben. Nur: Warum habe ich bloss jedes Jahr nach den Ferien das Gefühl, ich sei ausgeruht so viel effizienter, ich hätte fast ZU VIEL Energie? Dass ich meine Aufgaben in der gefühlt halben Zeit erledige und erst noch mehr Spass dabei habe? Jetzt kann man zwar (auch wie jedes Jahr) hoffen, dass dieser Zustand möglichst lange andauert.


Mehr Flexibilität, mehr Erholung, mehr Effizienz
Aber Hand aufs Herz: Wir wissen alle, dass der alte Trott uns schneller einholt als uns lieb ist. Trotzdem sollten wir aus dieser Einsicht lernen, denn die Rechnung geht am Schluss sicher auf: ein bisschen mehr für sich selbst schauen, dafür ein bisschen effizienter arbeiten. Und das muss durchaus auch für unsere Mitarbeitenden gelten. Auch KMU müssen künftig offen sein für neue Arbeitszeitmodelle – nicht zuletzt aus reinem Eigeninteresse. Die Schlussfolgerung hier: gleicher Zeitaufwand über alles und mehr Spass beim Erledigen unserer Aufgaben.
Liebe Unternehmerinnen, liebe Unternehmer, wir wissen ganz genau, wie es geht. Einzig das Leben pfuscht uns immer wieder dazwischen… Aber bitte keine Ausrede, in unserer Rolle dürfen und können wir vieles selbst bestimmen. Ich meinerseits werde darauf achten, dass in meinem Leben künftig ein bisschen weniger ZU VIEL und ein bisschen mehr ZU WENIG Platz hat.

Werner Scherrer

Präsident KMU- und Gewerbeverband Kanton Zürich KGV

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