Du schaffst das, Franz! Oder: Schule macht die Lehrerin

Es reden grad alle von der Schule, von Kindern, die schlecht lesen, stümperhaft rechnen etc. Und alle wissen, was falsch läuft: zu viel Integration, zu wenig repetitives Üben, zu viel Fremdsprachen, zu wenig Deutsch, zu viel Zeitgeist, zu wenig Konzentration…

Warum passiert dann nichts? Weil Schulreformen meist nach der Art «Hühnerhofsyndrom» ablaufen: Der Reformeifer trommelt aufgeregt aufs Dach, drinnen rennen sie wild durcheinander, nach geraumer Zeit sitzen alle wieder auf denselben Stangen. Logisch. Reformen, die nur an der Architektur der Schule schrauben, bringen nichts – solange sie nicht die Seelen der Lehrerinnen gewinnen. Natürlich müssen wir die Stoffpläne ändern. Doch im Kern ist Schule eine Sache der Beziehung. Schule macht nicht die Infrastruktur. Schule machen die Lehrer.

Ist sogar wissenschaftlich evident. Siehe John Hattie: Visible Learning. Eine gigantische Metastudie, wertet 50 000 Einzelstudien aus, nimmt Erfahrungen von 250 Millionen Schülern auf. Und bilanziert glasklar: Das Geschwärme für eigenverantwortliches Lernen ohne Lehrer? Vergessen. Die Frage nach privater oder öffentlicher Schule? Drittrangig. Finanzielle Ressourcen der Schule? Fallen kaum ins Gewicht. Didaktische Reformen? Geschenkt. Was zählt, ist der Lehrer. Wie bereitet er den Stoff auf? Wie stringent führt er durch die Stunde? Erreicht er die Kinder? Kann er sich für das, was er da unterrichtet, selber erwärmen?

Lernen müssen Schüler schon selber, klar. Doch Lernen ist kein mechanischer Vorgang. Es ist eine höchst persönliche Affäre. Warum löst ein Schüler Matheaufgaben im Nu – und ein anderer knorzt endlos herum? Weil Mathe eine Domäne von Hirnbestien ist? Ne, der rein verstandesmässige Anteil ist bescheiden. Es entscheidet das sogenannte «Ich-Konzept», die Einstellung zu sich, diese Haltung «Hey, das kann ich doch», Appetit auf Problemknacken, Frechheit.

Woher hat das die Schülerin? Sie muss es vorgelebt kriegen. Sie braucht ein leibhaftes Gegenüber, das ihr etwas zutraut, sie fordert und fördert. Bildung ist nicht, was man hineinstopft, sondern was man herausholt. Wer holt sie heraus? Die Lehrerin.

Wie damals bei Franz Käppeli, dem erfolgreichen Unternehmer, Biochemiker ETH, aufgewachsen als elftes von zwölf Kindern einer Bauernfamilie im Freiamt. Später baute er «Labor medica AG» auf zum führenden medizinischen Laboratorium, wurde ein vermögender Mann, stiftete Millionen für die Renovation des Klosters Muri. Warum? Weil er sein reiches Leben dem Glück verdanke, als Bub gute Lehrer gefunden zu haben. Gute Lehrer? Sie hätten ihm stets Mut gemacht, ihm zugetraut, woran er selber nie geglaubt hätte: «Du schaffst das, Franz!»

Die gute Lehrerin bringt Schülern nicht nur allerlei bei. Sie öffnet ihnen eine Tür zur Welt, nimmt ihnen die Angst vor dem Lernen, macht ihnen Mut zur Neugier, weckt ihr Selbstvertrauen, bestärkt ihren Leistungswillen.

Darum sollte jede Schulreform bei der Lehrerin beginnen.

Ludwig Hasler

Philosoph, Physiker, Autor und Menschenkenner lhasler@duebinet.ch

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