Druckereien und Bäcker sind besorgt
Wer kleinere Brötchen backt, spart Strom – könnte man meinen. Doch so einfach ist die Rechnung nicht. Einzig in der Menge und im Sortiment liegt laut der Bäckereikette Voland etwas Potenzial. Schwierig gestaltet sich der drohende Strommangel auch im Druckgewerbe. Hier kämpft man nicht zuletzt mit Papierknappheit.
24. Oktober 2022 Mark Gasser
Für Voland-Geschäftsführer René Schweizer hätte nur eine Sortimentsreduktion ein wenig Sparpotenzial.
Schluss mit Weihnachtsguetzli? Für Voland-Geschäftsführer René Schweizer hätte nur eine Sortimentsreduktion ein wenig Sparpotenzial.
Blick in die Backstube der Bäckereikette Voland aus dem Tösstal.
Blick in die Backstube der Bäckereikette Voland aus dem Tösstal.
Blick in die Backstube der Bäckereikette Voland aus dem Tösstal.
Papier ist geduldig. Mit anderen Worten: Alles kann aufgeschrieben werden – ob es stimmt, weiss man nicht. Nun, aktuell wird viel zum Thema Strommangel und Strompreis geschrieben. Ob dieser eintrifft, weiss man nicht. Was man weiss: Papier ist innert rund einem Jahr massiv teurer geworden und damit auch das Produzieren von Zeitungen: Wurden bis vor Jahresfrist die Papierpreise noch jährlich angepasst, so mussten sie quartalsweise und derzeit gar monatlich nach oben korrigiert werden – gegenüber 2021 um 60 bis 100 Prozent.
Die Offsetdruckerei HadererDruck AG aus Unterengstringen bezieht keinen Strom auf dem freien Markt und ist daher nicht primär wegen der Strompreise besorgt: «Uns machen vielmehr die extremen Papierpreisaufschläge zu schaffen», sagt Geschäftsführer Christian Haderer. Bei einigen Sorten gehe es im Vergleich zum Vorjahr in Richtung 100, bei anderen 60 bis 80 Prozent. Das zweite Problem sei die Erhältlichkeit: Papierfabriken wurden geschlossen oder reduzierten ihren Betrieb, hinzu kommt die Knappheit an Zellstoff. «Als es dann weltweit nach Corona wieder zu brummen begann, waren die Mengen nicht mehr verfügbar», so Haderer. «Gewisse Sorten und Formate sind nicht mehr vorhanden. Dann muss man in Einzelfällen auf anderes Papier wechseln». Besonders die kreativen, farbigen Sorten sind für die Druckerei fürs Weihnachtsgeschäft wichtig und gefragt. «Heute habe ich anderthalb Stunden verloren, um herauszufinden, wo und ob überhaupt noch produziert werde», sagt Haderer.
Papiermangel und die Folgen
Während das Papier (je nach Materialanteil) 10 oder mehr Prozent Preiserhöhung eines Auftrags ausmachen könne, unterbieten sich Druckereien trotz oder gerade wegen der Strukturbereinigung im Preis. «Und das ist ganz gefährlich für unsere Branche.» Was auch neu ist: Offerierte Papierpreise würden von den Produzenten nicht mehr garantiert.
Weniger Anteil am Produkt machen bei Haderer die Stromkosten aus, zumal auch eine Photovoltaikanlage rund 15 Prozent des Energiebedarfs abdeckt – statt ihn zu speichern, werde laufend der generierte Strom genutzt. «Nur am Wochenende speisen wir ihn ins Netz ein.» Noch mehr einzusparen sei schwierig. Einzig die Reduktion von 3 auf 2 Druckmaschinen wäre je nach Auftragslage denkbar.
Hört man sich bei Druckereien um, so kommen weitere Probleme zu den Papier- und Energiepreisen und dem drohenden Strommangel hinzu. Generell werde weniger gedruckt – Corona verstärkte diesen Trend. So werden etwa Geschäftsberichte oft nur noch online verschickt. Dazu kommen die Lieferengpässe bei Papierlieferanten. Gerade für die Produktion von klassischem Zeitungspapier ist Altpapier unabdingbar. Aber dieses ist Mangelware, was auch daran liegt, dass aufgrund der Digitalisierung weniger gedruckt wird: Ein Teufelskreis. Die Papierpreise sind auch wegen dem massiv angestiegenen Altpapierpreis (rund 250% Zunahme) stark angestiegen, wie es auf Anfrage bei CH Media heisst, einer der grössten drei Mediengruppen mit eigenen Druckereien. «Der Altpapierpreis ist deshalb viel höher, weil einerseits viel Altpapier für die Produktion von Verpackungen (Onlinehandel) gebraucht wird – und weil aufgrund der Pandemie weniger Altpapier dem Kreislauf zurückgeführt wurde», sagt Stefan Heini, Leiter Unternehmenskommunikation bei CH Media.
Umfangs- und Gewichtsreduktion stehen zur Debatte
Im Hinblick auf mögliche Strom-Kontingentierungen oder sogar Teilabschaltungen (siehe Infobox) denkt auch CH Media laut über Sparmassnahmen im Papierbereich nach – nämlich beim Umfang der Produkte und beim Gewicht des gewählten Papiers. «Bevor komplett auf Online umgestellt würde, sind als Sparmöglichkeiten auch situativ abgestimmte Doppelnummern bei den Zeitschriften oder Teilmengen verteilt übers Jahr möglich, zum Beispiel bei Katalogen», sagt Heini. Bei den eigenen Titeln würde dann etwa bei den Eigeninseraten gekürzt. «Mit sämtlichen Drittkunden würden wir situativ schauen und indivi-duelle Lösungen suchen». Und wie würden die Druckereien mit Abschaltungen umgehen? «Wir müssten ganze Schichten auslassen, und wir bekämen ein Problem mit der Rentabilität. Hochindustrielle Betriebe wie unsere Druckereien lassen sich normalerweise im nur stundenweisen Betrieb nicht rentabel betreiben», erklärt Heini.
Bäckereien: Die Sache mit dem Teig
Was für Druckereien das Papier ist, ist für Bäcker der Teig. Ein betörender Teigduft erfüllt die Luft in der grossen Backstube der Bäckerei Voland in Steg im Tösstal. Teiglinge in verschiedensten Formen, versteckt in den zahlreichen Kühlschränken, warten darauf, am Abend oder in der Nacht in einem der Hochleistungsöfen aufgebacken zu werden.
Die Branche macht sich Sorgen – denn Backen ist einerseits energieintensiv, anderseits ist die Flexibilität, Strom einzusparen oder zyklische Abschaltungen aufzufangen, beschränkt. «Wir heizen unsere Öfen mit Strom und wir kühlen mit Strom», sagt René Schweizer, Geschäftsführer und Inhaber der Café Konditorei Voland mit mehreren Filialen im Tösstal. Der Preisschock bei den Energiekosten trifft ihn im neuen Jahr zwar weniger stark als andere, die Strom auf dem freien Markt beziehen – der Grund: «Ich habe mit dem Energielieferanten, der EW Wald AG, noch einen Vertrag bis Ende 2023.» Schweizer zahlt derzeit gut 4000 Franken monatlich an reinen Energiekosten, hinzu kommen gut 5000 Franken Netzkosten. Monatlich verbraucht heute seine Backstube in Steg rund 65 000 bis 70 000 Kilowattstunden. Müsste er für diese den Vertrag bei den aktuellen Marktpreisen erneuern, müsste er im schlimmsten Fall jährlich rund eine halbe Million Franken an reinen Stromkosten zahlen. «Da müsste ich mir überlegen, den Betrieb zu schliessen.»
Und wie würde er im Falle von Kontingentierungen Strom einsparen? Diverse Energiesparmassnahmen in der Backstube seien bereits umgesetzt worden. Diese sei etwa mit bewegungsempfindlichem LED-Licht ausgerüstet. Für die Beheizung der Öfen, Bodenheizung und Warmwasser benutzt er die Abwärme der Kühlanlagen. Folglich erachtet er die Zielvorgabe, 10 bis 15 Prozent Energie einzusparen, nur bei einer Sortimentsreduktion als realistisch. «Wir müssten beispielsweise auf fünf Brotsorten reduzieren. Und würden klar weniger Umsatz machen.» Die Öfen kürzer einzuheizen, liegt auch nur beschränkt drin: Die Teiglinge gären und warten darauf, in die warmen Öfen geschoben zu werden. «Am Ende sind die Öfen nicht bereit, wenn zu wenig Zeit bleibt, um sie aufzuheizen.» Die Folge: Teiglinge übergären und müssen fortgeworfen werden. Von 24 bis 6 Uhr müssten die Öfen ohnehin bereit sein, um die Altersheime und die Läden rechtzeitig beliefern zu können.
Käme es gar zu zyklischen Abschaltungen der Kühlanlagen und der Öfen, wäre die Einsparung unter dem Strich ohnehin minim, weil das Aufheizen der Öfen viel Energie verbrauche und die Kühlgeräte wieder auf minus 18 Grad heruntergekühlt werden müssten. «Möglich wäre es, wir benötigten dann einfach nach diesen Abschaltungen wahnsinnig viel Strom», so Schweizer. Zudem bräuchte er fürs «Schnellheizen» viel mehr Strom, als die Sicherungen erlaubten.
Nebst den erhöhten Stromkosten spüren die Bäckerinnen und Konditoren auch die hohen Öl-, Gas- und Getreidepreise – auf den ersten November werden letztere um weitere rund 10 Prozent steigen. Dass die Energiekrise die Konzentration im Bäcker-/Konditorgewerbe weiter ankurbeln werde, sei daher kaum zu vermeiden. Grundsätzlich finde er es richtig, «dass unsere Branche wachgerüttelt wird im Energiebereich.» Aber zyklische Abschaltungen gerade im Lebensmittelbereich wäre für ihn übers Ziel hinausgeschossen. «Die Betriebe, die Lebensmittel produzieren, müssen weiter produzieren können».
Mark Gasser
Chefredaktor
Zürcher Wirtschaft
Info
Energiekrise: Übersicht über OSTRAL-Massnahmen
Im besten Fall gelingt es, die europäische Energiekrise ohne Netzabschaltungen oder Kontingentierungen durchzustehen. Sollte dies nicht gelingen, greifen die «OSTRAL Massnahmen» mit dem Ziel, den Konsum zu reduzieren, um das Gleichgewicht zwischen Stromangebot und Stromnachfrage auf reduziertem Niveau sicherzustellen. Würden gemäss Plan der «Organisation für Stromversorgung in Ausserordentlichen Lagen» (OSTRAL) aber die mildesten, freiwilligen Massnahmen nicht greifen, dann würden stufenweise strengere Massnahmen von Geräteverboten bis hin zu zyklischen Abschaltungen eintreten. Welche Massnahmen erforderlich sind, entscheidet der Bundesrat.
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