Drittel des Stroms wird verschwendet

Steigende Kosten und die drohende Stromknappheit setzen KMU unter Druck. Trotzdem bleibt das naheliegende Sparpotenzial oft ungenutzt – einfache, wirkungsvolle Massnahmen könnten bereits erheblich entlasten.

KI-Bild: Midjourney/ab

Strom lässt sich auch sparen, indem man konsequent die Kaffeemaschine ausschaltet.

Ohne Strom geht nichts – selbst die unverzichtbare künstliche Intelligenz ist hilflos ohne Energie und kann uns nicht mehr helfen. Der PC ist abgestürzt, der Bildschirm tot. Die Fräse des Schreiners steht still und auf der Baustelle der Betonmischer. Der Schnellzug von Bern ist auf dem Weg nach Zürich kurz nach Olten steckengeblieben.

Trügerische Sicherheit

Jahrzehntelang war der Supergau, dass der Strom einmal gänzlich ausfallen könnte, nie ein Thema – weder für die Wirtschaft, die Bevölkerung noch die Politik. In sensiblen Bereichen wie Spitälern, wo es um Leben und Tod geht, hat man zwar dieselbetriebene Notstromaggregate eingerichtet, aber eher für kleinere Störungen, etwa wenn eine Ratte einen Kurzschluss verursacht. Man wog sich in einer trügerischen Sicherheit, als gäbe es keine Abhängigkeit vom Ausland, von umstrittenen Kernkraftwerken und geopolitischen Umwälzungen. Heute ist die Situation eine andere – KMU und Gewerbebetriebe tun also gut daran, sich auf verschiedenste Szenarien einzustellen. Und auch darauf, wie man mit den bis zu 20 Prozent gestiegenen Strompreisen über die Runden kommt.

Potenziellen Mangellage

«Viele Unternehmen haben sich im Winter 2022/2023 intensiv mit einer potenziellen Mangellage auseinandergesetzt. Sie haben schnell reagiert, Prozesse überprüft und sich auch Unterstützung von unseren Beraterinnen und Beratern eingeholt», sagt Frank R. Ruepp, Geschäftsleiter der Energie-Agentur der Wirtschaft (EnAW). Er stelle fest, dass sich die Unternehmen der Lage bewusst seien und für den Notfall gerüstet sind.

Einfache Massnahmen effizient

Dazu gehören auch einfache Massnahmen, die schnell eingeführt werden können und ohne grossen Aufwand teilweise beachtliche Einsparungen bringen. Dazu gehören die Umstellung auf LED-Beleuchtung, die richtige Wartung der Maschinen sowie das korrekte Einstellen von Heizungen und die Anpassung von Arbeitsabläufen. «Wir reden da von sogenannten Low Hanging Fruit – das heisst, dass bereits mit minimalem Aufwand grössere Einsparungen gemacht werden könnten», erklärt Frank R. Ruepp. Häufig fehle den KMU das Knowhow und Bewusstsein, wo Verbesserungspotenzial vorhanden wäre.

Lichterlöschen und Stosslüften


«Dabei spielen auch die Mitarbeitenden eine zentrale Rolle. Selbst die effizientesten Anlagen bringen wenig, wenn sie nicht richtig bedient oder ineffizient genutzt werden», ergänzt Ruepp. Das Bewusstsein müsse durch die Vorgesetzten vorgelebt werden, etwa beim Lichterlöschen oder Stosslüften. Durch Sensibilisierung und Schulung der Mitarbeitenden könnten bereits Einsparungen ohne teure technische Anpassungen erzielt werden. Die nicht gebrauchten Kilowattstunden seien immer noch die günstigsten.

Bestehendes Potenzial nutzen

Ähnlich sieht es Guido Keller, stellvertretender Geschäftsführer des Elektrotechnik-Unternehmens Oberholzer AG in Uster: «Alle reden nur vom steigenden Strombedarf, von Strommangel und höheren Preisen, dabei wird oft vergessen, dass man auch einfach Strom sparen könnte.» Das beginne bei Kaffeemaschinen, die rund um die Uhr im Standby-Modus laufen, PCs, die über Nacht nicht ausgeschaltet werden, bis hin zu Schaufenstern und Verkaufs-räumen, die ständig beleuchtet sind. Wichtig sei es zudem, konsequent auf neue Technologien zu setzen, wie zum Beispiel Smart Grids, um den Stromverbrauch effizienter zu steuern.

Einsparung ohne Einbussen

Das Bundesamt für Energie BFE hat dem Bundesrat auch bereits vorgerechnet, wie viel die Schweiz bis 2030 beim Stromverbrauch einsparen könnte. Schaut man sich diese Zahlen an, verschwendet die Schweiz einen Drittel des Stroms. Laut BFE könnte diese Einsparung ohne grosse Komforteinbusse und ohne einschränkende Gesetze umgesetzt werden. Unternehmen, Haushalte und Behörden müssten also nur die technischen Möglichkeiten ausschöpfen – also alte Elektrogeräte, die viel Strom verbrauchen, durch neue ersetzen. Dazu gehöre die ganze Bandbreite an Geräten, von Elektroheizungen, Umwälz- und Wärmepumpen über Haushaltsgeräte, Boiler und Beleuchtungen bis hin zu Elektromotoren, Pumpen, Ventilatoren und Kälteanlagen.

Einsparungen

Sieht man sich die Zahlen an, ist das Potenzial der vorgeschlagenen Einsparungen enorm: Die Schweiz verbraucht jährlich über 200 Terawattstunden Energie, davon entfallen 60 Terawattstunden auf Strom. Eine einzelne Terrawatt-stunde ist bereits eine gigantische Grösse mit der rund 285’000 Haushalte ein Jahr lang mit Strom versorgt werden können, wenn man davon ausgeht, dass ein Haushalt im Durchschnitt etwa 3500 Kilowattstunden (kWh) pro Jahr verbraucht. Auch für das einzelne KMU und das Gewerbe ist das Potenzial gross, mit einfachen und effektiven Massnahmen und mit dem Einsatz neuer Technologien nicht nur die Kosten zu senken, sondern auch die Energieeffizienz zu steigern.

Gerold Brütsch-Prévôt

Redaktioneller Mitarbeiter Zürcher Wirtschaft

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