Die zweite Karriere der Smartphones

Defekte Handys werden in der Schweiz in einem vom SWICO lizenzierten Unternehmen umweltgerecht entsorgt. Gold, Kupfer, Silber – Mobiltelefone sind nicht nur voller Elektronik. Diese werden beim Recycling wiedergewonnen Viele alte Smartphones werden aber auch wieder aufbereitet.

Bild stock.adobe.com/ArieStudio

Es gibt oft Alternativen zur Entsorgung eines alten Mobiltelefons.

Smartphones gelten eigentlich nicht als sehr stabile Währung. Kaum sind sie gekauft, setzt die Hyperinflation ein. Doch auch wenn ein Schubkarren voller alter Handys wohl nicht reicht, um ein neues zu erwerben, und auch wenn es vielleicht hierzulande keine Käufer mehr für diese geben mag – Abnehmer gibt es. In der Schweiz werden pro Jahr rund vier Millionen Mobiltelefone verkauft – über eine Million davon bei Swisscom. Doch wie gross ist eigentlich der «ökologische Fussabdruck» eines durchschnittlichen Smartphones? «Ein Handy verursacht über den gesamten Lebenszyklus ungefähr 80kg CO2 – je nach Grösse des Modells», sagt Saskia Günther, Head of Corporate Responsibility bei Swisscom.
Der CO₂-Ausstoss schwankt von Modell zu Modell, das iPhone 5S hat zum Beispiel nur 65 Kg CO₂ verursacht. Das Pro-Modell des iPhone 11 verursacht gemäss «Macwelt.de» 80 Kilogramm CO₂-Abgase, das meiste davon (83 %) entsteht bereits bei der Produktion. Für die Nutzung an sich (etwa das Aufladen) rechnet Apple 13 Prozent an den Gesamtverbrauch. Die Logistik und das Recycling machen nur drei beziehungsweise ein Prozent aus. Grundsätzlich gilt: Je grösser die technische Ausstattung und das Display, desto höher die CO2-Werte. Auch die Ausstattung mit Arbeitsspeicher ist für den Herstellungsaufwand massgeblich verantwortlich. So kostet die Verdoppelung des Speichers beim iPhone 11 auf 256 GB gleich 16 Kg CO₂ mehr (total 96 Kg CO₂), die 512 GB Speicher sogar 30 Kg CO₂ gegenüber der Grundausstattung, also total 110 Kg CO₂.
Bei allen gilt: Recycling macht viel mehr Sinn, als die Geräte zu Hause verstauben zu lassen, denn so können die Rohstoffe für weitere Anwendungen genutzt werden. Der Wirtschaftsverband der ICT- und Online-Branche kennt ein nicht gewinnorientiertes Rücknahmesystem des Vereins Swico (hervorgegangen aus vier Verbänden, darunter der ehemalige Büro-Fachverband) für ausrangierte Elektro- und Elektronikgeräte. «Dank der schweizweiten Swicorecycling-Lösung können Geräte überall in der Schweiz zurückgegeben werden, und zwar ohne Kosten für die Kundinnen und Kunden», sagt Saskia Günther.

15 Kilo pro Einwohnerin
In der Schweiz recyceln rund 20 Unternehmen ausgediente Elektro- und Elektronikgeräte. Im Jahr 2020 wurden bei den drei Rücknahmesystemen SENS, Swico und SLRS total 129 800 Tonnen Elektro- und Elektronikgeräte entsorgt und teilweise rezykliert – also rund 15 Kilogramm pro Einwohnerin und Einwohner. Die Geräte werden zunächst bei Sammelstellen und im Fachhandel abgegeben und dann verarbeitet. «Für Konsumentinnen und Konsumenten, aber auch für Geräteproduzenten, Handelsunternehmen, Recyclingbetriebe und Sammelstellen war das Pandemiejahr äusserst anspruchsvoll und labil», heisst es zwar im Fachbericht 2021 der drei Rücknahmeorganisationen. Dennoch sind einige anhaltende Trends erkennbar: Während die Elektronikgeräte von einst 55 500 Tonnen (2012) auf 40 600 Tonnen gesunken ist, stieg im selben Zeitraum das Gesamtgewicht der Elektronikkleingeräte von 18 800 Tonnen auf fast 30 000 Tonnen. Bei den Mobiltelefonen steigt zwar die Gesamtzahl, jedoch nimmt deren Gesamtgewicht wegen der leichteren Einzelgeräte nur wenig zu.
Die Recyclingbranche kann die meisten Rohstoffe zurückgewinnen – jedoch teilweise mit riesigem technischen und finanziellen Aufwand. «Wir setzen uns dafür ein, dass diese Geräte über unsere Wiederverwendungsprogramme länger verwendet oder falls defekt, fachgerecht rezykliert werden», erklärt Saskia Günther. «Damit können die Wertstoffe genutzt und die Nachfrage nach neuen Rohstoffen reduziert werden».

Wertvolle Metalle
Nicht nur der ökologische Wert der umweltgerechten Entsorgung eines defekten Handys in einem vom SWICO lizenzierten Unternehmen in der Schweiz ist aber ein Faktor. Bei mobilen Geräten wie Smartphones oder Tablets, die einen Akku haben – meist ist es ein Lithium-Ionen-Akku –, muss dieser aus Sicherheitsgründen zunächst zerstörungsfrei entfernt und wenn möglich auch rezykliert werden. Denn auch sie enthalten wertvolle, aber oft auch «dreckig» gewonnene Metalle wie Kobalt. Anschliessend gehen die Geräte ins Edelmetall-Recycling zur Zurückgewinnung von Kupfer und Edelmetallen. Von einem Handy können gemäss dem Recyclingpartner SOREC im metallurgischen Prozess 17 Metalle zurückgewonnen werden – allerdings wird das noch nicht bei allen Rohstoffen gemacht, dazu gehören Neodym und Indium. Aus ökologischer Sicht ist insbesondere die Rückgewinnung von Gold, Kupfer, Silber, Platinmetallen und Nickel sehr wichtig. Gesamthaft machen die Metalle rund 62 % der Wertstoffverwertung aus, weitere 17 % die Kunststoff-Metallgemische und 9 % die Kunststoffe.
Heinz Böni, Abteilungsleiter Technologie und Gesellschaft bei der Empa, gab im «Swisscom Magazin» vom 18. Oktober 2021 einen Eindruck vom Wert der seltenen Metalle: «Aus einer Tonne Handyschrott lässt sich mehr Gold herausholen als aus einer Tonne Gestein in einer südafrikanischen Goldmine.»

Zweites Leben für Smartphones
Viel wichtiger als Recycling sei jedoch die möglichst lange Nutzung von Geräten, erklärt Saskia Günther an. Dabei spielt Re-use eine grosse Rolle: Geräte, welche die KundInnen nicht mehr verwenden wollen oder können, sollen wenn immer möglich einer Weiternutzung zugeführt werden. Dies kann zum Beispiel über die Rückkaufprogramme wie «Buyback» von Swisscom, Reparatur (Repair) oder Spende/Charity (Mobile Aid) erfolgen. Bei der Aufbereitung eines alten iPhones, das wieder in Umlauf gebracht werden, können beispielsweise bis zu 30k CO2 eingespart werden.
Doch Welche ist die populärste Variante, um ein altes Handy am Leben zu erhalten? Es komme ganz darauf an, um was für ein Gerät es sich handelt respektive wie alt es ist. Mengenmässig sei Mobile Aid das beliebteste Programm; allein 2021 seien 130 000 Geräte für die Sammelaktion der Swisscom gespendet worden, deren Erlöse durch SOS-Kinderdorf an Hilfsprogramme umgeleitet werden. Im Schnitt ist ein verkauftes Handy fünf Mahlzeiten wert, errechnete SOS-Kinderdorf. Beim Erlös für das Hilfsprojekt hängt der Recyclingprozess vom Zustand der gesammelten Handys ab: Die in den Swisscom Shops gesammelten Geräte werden in der Sozialfirma Réalise in der Schweiz sortiert und für den Wiederverkauf aufbereitet. Anschliessend werden die funktionierenden Mobiltelefone auf dem nationalen und internationalen Gebrauchthandymarkt weiterverkauft. Der Erlös aus dem Wiederverkauf der Handys fliesst in Projekte von SOS-Kinderdorf. Die gesammelten Geräte werden triagiert: Etwa ein Drittel funktioniert noch und erhält ein zweites Leben – modernere Geräte in der Schweiz, ältere im Ausland.

Weiterverkauf alter Handys
Weniger häufig werden Smartphones direkt für den Weiterverkauf repariert: Im Swisscom Repair Center werden jährlich gut 60 000 kaputte Displays, Handys mit Wasserschäden oder Software-Fehlern geflickt und instand gestellt. Eine weitere Recycling-Kategorie stellen die Rückkaufgeräte dar, die wieder auf den Schweizer Markt kommen – viele davon als Refreshed-Geräte; andere über Partner wie Recommerce.

Mark Gasser

Chefredaktor
Zürcher Wirtschaft

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