«Die Vorbehalte waren gross»
Weniger arbeiten bei gleichem Lohn – was nach Wunschdenken klingt, könnte ein Modell der Zukunft sein. Davon ist auch der Unternehmer Christof Hasler überzeugt. Seit einem Jahr testet sein KMU die 4-Tage-Woche.
25. Januar 2024 Anna Birkenmeier
«Vorbehalte waren gross»: Geschäftsführer Christof Hasler will nach einem Versuch die Viertagewoche einführen.
Die 4-Tage-Woche setzt sich in immer mehr Ländern durch: so zeigen etwa internationale Pilotprojekte aus Island, Japan und Grossbritannien, dass sich die 4-Tage-Woche sowohl für Unternehmen wie auch für Mitarbeitende gleichermassen lohnt. Mitarbeitende haben eine bessere Work-Life-Balance, sind zufriedener und weniger krank. Dass sich zufriedene und gesunde Arbeitnehmende wiederum positiv auf die Produktivität eines Unternehmens auswirken, ist bekannt. In der Schweiz ist die 4-Tage-Woche bislang eher ein Randphänomen, obschon sie von immer mehr Spitälern und Unternehmen getestet wird. So etwa vom Familienunternehmen Hasler + Co AG in Winterthur, das in der Eisenwaren- und Werkzeugbranche tätig ist.
Herr Hasler, Sie haben 2023 die 4-Tage-Woche eingeführt. Wie ist die Idee dazu entstanden?
Christof Hasler: In der Umgebung gab es bereits Handwerks- und Gastrobetriebe, welche die 4-Tage-Woche eingeführt hatten. Ihre Schilderungen waren durchwegs positiv und haben uns neugierig gemacht. Auch wir spürten schliesslich den Fachkräftemangel und konnten Stellen nicht mehr so einfach besetzen – Vakanzen bestanden bis zu 18 Monate. In der Geschäftsleitung wurde das in der Folge sehr kontrovers diskutiert: von «ist doch nicht finanzierbar» bis «geht doch nicht, bei einem Geschäft, das 6 Tage geöffnet ist». Die Vorbehalte waren gross.
Weshalb haben Sie sich dennoch an das Projekt gewagt?
Hasler: Wir haben das Projekt durchgerechnet, auf seine Machbarkeit überprüft und uns dann entschlossen, dieses als «Pilotprojekt» fürs Jahr 2023 zu testen. Um das Projekt laufend messen zu können, haben wir gewisse Eckwerte klar definiert. Dazu gehört etwa, dass nur ausgelernte Verkaufsmitarbeitende für die 4-Tage-Woche vorgesehen sind.
Welche Reaktionen haben Sie von Ihren Mitarbeitenden auf die Idee bekommen?
Hasler: Grundsätzlich standen die «betroffenen» 20 Mitarbeitenden dem Projekt von Anfang an positiv gegenüber. Anstelle von den bislang 42,5 Stunden arbeiten sie nun an vier Tagen 38 Stunden. Täglich von 7 bis 12 und von 13 bis 18 Uhr mit zweimal 15 Minuten Pause. Alle drei Monate ziehen wir seither Zwischenbilanz und bekommen unterschiedliche Rückmeldungen. Die jüngeren Mitarbeitenden finden es «cool», die Älteren berichten uns, dass die langen Arbeitstage für sie anstrengender sind und sie mehr Erholung brauchen. Dennoch sind sich alle einig, dass es eine gute Sache ist.
Ihre Mitarbeitenden arbeiten nun deutlich weniger, erhalten aber den vollen 100 Prozent Lohn. Wie passt das aus wirtschaftlicher Sicht zusammen?
Hasler: Ich kann vorweg sagen – es passt. Im Verkauf gibt es Zeiten, in denen man eine tiefere Kundenfrequenz hat. Diese Randzeiten werden heute viel besser genutzt und mit Tätigkeiten gefüllt, die früher in den zusätzlichen Arbeitsstunden erledigt wurden. Wir haben die unproduktive Zeit aus dem System genommen. Für uns geht es finanziell auf, weil wir nicht mehr Mitarbeitende benötigen und die gleiche Lohnsumme behalten können.
Mit welchen Herausforderungen sehen Sie sich konfrontiert?
Hasler: Für das Kader ist es sicherlich eine Herausforderung, dass sie die Organisation flexibel gestalten und Mitarbeitende auch in anderen Abteilungen einsetzen. So müssen etwa Randzeiten durch Auffüll-/Reinigungsarbeiten oder auch für kurze Ausbildungssequenzen genutzt werden. Dafür entfällt die Planung von Schichtarbeiten, da jeweils alle Mitarbeitenden den ganzen Tag anwesend sind.
Sie haben das Projekt nun ein Jahr getestet. Wie geht es weiter?
Hasler: Das Projekt läuft im nächsten Jahr weiter und wird auf andere Abteilungen ausgeweitet, sofern die Arbeiten mit dem gleichen Personalbestand ausgeführt werden könne. Ich bin überzeugt, dass man als Unternehmen offen sein muss für neue Arbeitsmodelle und auf die Bedürfnisse der Arbeitgebenden bestmöglich eingehen sollte. Dabei darf die Wirtschaftlichkeit natürlich nicht ausser Acht gelassen werden. Für uns ist die 4-Tage-Woche langfristig finanzierbar. Zugleich konnten wir Stellen im Verkauf schneller besetzen
Anna Birkenmeier
Redaktion Zürcher Wirtschaft
Info
4-Tage-Woche: Modelle
Gleichbleibende Wochenarbeitszeit, weniger Arbeitstage: Wenn Arbeitnehmer 38 Stunden in der Woche arbeiten, werden die Stunden auf vier Arbeitstage verteilt. So entstehen vier Arbeitstage mit je 9.5 Arbeitsstunden.
Weniger Arbeitsstunden bei weniger Gehalt an vier Arbeitstagen: Gehalt wird entsprechend der Arbeitszeit reduziert. Weniger Arbeitsstunden bei gleichem Gehalt an vier Arbeitstagen: Der 100-80-100-Ansatz sieht vor, dass für 80 % der Arbeitszeit 100 % des Gehalts ausgezahlt werden, die erwartete Produktivität jedoch weiterhin bei 100 % liegt.
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4-Tage-Woche: Modelle
Gleichbleibende Wochenarbeitszeit, weniger Arbeitstage: Wenn Arbeitnehmer 38 Stunden in der Woche arbeiten, werden die Stunden auf vier Arbeitstage verteilt. So entstehen vier Arbeitstage mit je 9.5 Arbeitsstunden.
Weniger Arbeitsstunden bei weniger Gehalt an vier Arbeitstagen: Gehalt wird entsprechend der Arbeitszeit reduziert. Weniger Arbeitsstunden bei gleichem Gehalt an vier Arbeitstagen: Der 100-80-100-Ansatz sieht vor, dass für 80 % der Arbeitszeit 100 % des Gehalts ausgezahlt werden, die erwartete Produktivität jedoch weiterhin bei 100 % liegt.