Die Stockwerkeigentümerversammlung

Im Frühjahr ist es wieder Zeit für General- und Stockwerkeigentümerversammlungen – doch was sind überhaupt deren Aufgaben und Möglichkeiten? Können beispielsweise spontan neue Heizungsanlagen gekauft werden oder ist es heutzutage auch möglich, sich per Onlinezugang an einer Versammlung teilzunehmen?

Eigentümerversammlungen sind nicht allen geläufig.

Die Organisation des Stockwerkeigentums ist in den Artikeln 712m bis 712t des Schweizeri-schen Zivilgesetzbuches (ZGB) geregelt. Da diese Bestimmungen nur eine grobe Regelung der Organisation und der Aufgaben der Eigentümerversammlung enthalten, sind ergänzend hierzu die Bestimmungen des Miteigentums des Vereinsrechts anwendbar.Die Stockwerkeigentümerversammlung stellt das oberste Organ der Stockwerkeigentümergemeinschaft dar und entscheidet über alle wichtigen Handlungen und Massnahmen. Sie ist auch von Gesetzes wegen, das einzige Gremium, das über diese Entscheide befinden kann. Die Versammlung hat mindestens einmal jährlich stattzufinden, wobei der Zeitpunkt durch das Gesetz nicht geregelt ist. Gibt das Reglement diesbezüglich nichts vor, so liegt die Fixierung des Datums im Ermessen des Verwalters. Da das Rechnungsjahr in der Regel dem Kalenderjahr entspricht, findet sie überwiegend im ersten Quartal des Jahres statt. Zudem können ausserordentliche Versammlungen jederzeit stattfinden, sofern sie von mindestens einem Fünftel der Eigentümer beantragt wird.

Einberufung

Ist im Reglement nichts anderes festgelegt, so gehört es zu den Aufgaben des Verwalters, die Stockwerkeigentümerversammlung einzuberufen. Das Gesetz gibt hierzu keine verbindliche Frist vor. In der Praxis hat sich eine solche von 20 Tagen etabliert – wobei das Reglement entsprechende Mindestfristen vorschreiben kann. Entscheidend ist, dass der Termin den Eigentümern frühzeitig mitgeteilt wird, damit sie sich auf die Traktanden ausreichend vorbereiten können. In der Praxis kommt gerade der Traktandenliste eine bedeutende Stellung zu. Alle Verhandlungsgegenstände müssen gehörig angekündigt werden. Ob ein Traktandum gehörig angekündigt worden ist, beurteilt sich nach den konkreten Umständen, wobei kein Stockwerkeigentümer an einer Versammlung von etwas überrascht werden darf. Über nicht traktandierte Themen kann folglich anlässlich der Stockwerkeigentümerversammlung ledig-lich diskutiert, nicht aber gültig beschlossen werden; es sei denn, sämtliche Stockwerkeigen-tümer sind anwesend (Universalversammlung). Die Versammlung dient also dem Austausch, der Debatte und soll sicherstellen, dass die Beschlüsse demokratisch gefällt werden.
In der Regel ist die Versammlung schriftlich einzuberufen. Theoretisch ist eine Einberufung per E-Mail oder anderen neuen Kommunikationswegen oder einfach nur mündlich denkbar. Im Streitfall hat der Verwalter jedoch nachzuweisen, dass der Stockwerkeigentümer rechtzei-tig und ausreichend informiert wurde, weshalb sich die postalische Schriftlichkeit noch immer aufdrängt. Bei einem bereits absehbaren äusserst umstrittenen Beschluss ist eine Zustellung der Traktanden mittels eingeschriebenem Brief angedacht, um das Argument, ein Stockwerkeigentümer sei gar nicht eingeladen worden, zu vereiteln.

Die Versammlung

Gemäss den geltenden Bestimmungen hat die Versammlung physisch stattzufinden. Eine virtuelle Versammlung oder eine schriftliche Abstimmung war nur während der Corona-Pandemie wegen der befristeten Verordnung möglich. Aufgrund des Ablaufs dieser Verordnung fehlt nun seit dem 1. Januar 2023 die entsprechende gesetzliche Grundlage. Es sind Bestrebungen im Gange diese Möglichkeit gesetzlich zu verankern, jedoch fehlt momentan die Zulässigkeit. Für die Gemeinschaften bedeutet dies, dass dieses Jahr sämtliche Versammlungen wieder im gewohnten Rahmen stattzufinden haben. Deshalb ist eine Zuschaltung eines abwesenden Stockwerkeigentümer über ein mediales Tool nicht zulässig, sondern er muss sich wie bisher vertreten lassen.

Stimmrecht und Vertretung

Jeder im Grundbuch eingetragene Stockwerkeigentümer, hat das unentziehbare Recht an den Eigentumsversammlungen teilzunehmen, seine Meinung zu äussern und sein Stimm-recht auszuüben. Grundsätzlich steht somit jedem Stockwerkeigentumsanteil eine Stimme zu. Die Bemessung des Stimmrechts nach Köpfen ist jedoch nicht zwingender Natur. Die gesetzlichen Bestim-mungen über das Stimmrecht sehen weiter keine Beschränkung der Stellvertretung vor, dies kann jedoch durch die Gemeinschaft entsprechend festgehalten werden. Der Stockwerkeigentümer kann daher sein Stimmrecht grundsätzlich durch einen Vertreter ausüben lassen. Bei Vorliegen einer rechtsgültigen Vollmacht nimmt der Stellvertreter die Stellung des Vollmachtgebers in der Versammlung ein. Häufig wird der Verwalter als Vertreter bestimmt. Dies hat den Vorteil, dass jeweils die Beschlussfähigkeit der Versammlung erreicht wird. Dieses Vorgehen birgt jedoch den Nachteil mit sich, dass der Verwalter in den für ihn wichtigen Angelegenheiten bereits über einen Grossteil der Stimmen verfügt. Als zulässig wird daher erachtet, dem Verwalter im Reglement entweder die Übernahme solcher Vertretungen ganz zu untersagen oder zumindest nur in beschränktem Masse zu erlauben.

Anfechtung

Die Stockwerkeigentümer können Beschlüsse der Stockwerkeigentümergemeinschaft innert 30 Tagen beim zuständigen Richter anfechten. Es wird vorausgesetzt, dass die Stockwer-keigentümer dem besagten Beschluss nicht selbst zugestimmt haben. Andere Einreden, z.B. bei der Verwaltung, entwickeln keine Wirkung. Es verbleibt dem Stockwerkeigentümer somit nur der Gang zum Richter.

Hans Egloff

Rechtsanwalt bei BEELEGAL Bösiger.Engel.Egloff. www.beelegal.ch

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