KMU-DATE: Die Sorgen der KMU mitgeschnitten

Warum wäre mehr Fokus auf die Berufswahl statt Kopfrechnen in der Schule wichtig? Und wie könnte man das Imageproblem gewisser Bauberufe verbessern? Solchen und weiteren aktuellen Fragen widmete sich die Premiere der Sendung «KMU-DATE» in Winterthur.

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Der Lehrlingsbetreuer und einige Zimmermann-Lernende der Firma der Firma BWT-Bau AG waren bei der Livesendung «KMU-DATE» dabei.

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Die Teilnehmenden der Sendung mit Produzentin Karin Leuch (3. von links) und Moderatorin Regula Späni.

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Die Sendung KMU-DATE kann auch gestreamt werden. Infos und Video: www.KMU-DATE.ch

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Die Sendung KMU-DATE kann auch gestreamt werden. Infos und Video: www.KMU-DATE.ch

Das Gesicht verleiht der Premiere von «KMU-DATE» keine Geringere als die ehemalige Sportmoderatorin Regula Späni. Name und Grundgerüst der Sendung sind dem Format «Sportdate» angelehnt, welches ebenfalls Späni moderiert. Produziert und entwickelt wurden beide Formate von Karin Leuch. «Regula ist ein absoluter Profi, und ein gutes Gespräch steht und fällt mit einer guten Präsentation», sagt Leuch über Späni. Das Duo will mit der Sendung «Unternehmertum erlebbar machen», wie die Moderatorin einleitend zur Premiere meinte. Und um dieses Versprechen einzulösen, wird inmitten eines KMU – in diesem Fall die Produktionshalle der BWT Bau AG in Winterthur – über brisante KMU-Themen gesprochen. Die Premiere handelte von der Akademisierung und dem Fachkräftemangel.

Dazu waren aufgeboten: Philipp Jöhr, VR-Präsident der BWT Bau AG, sowie BWT-Mitarbeiter Beat Rietiker. Dritter Gast war der 23-jährige Automatiker Yunus Ruff, 2022 Berufsweltmeister aus Winterthur (wir berichteten). Er studiert aktuell Wirtschaftsingenieur an der ZHAW in Winterthur.

Was kann getan werden, «damit die Generation Z wieder Freude am Handwerk bekommt?», fragte Regula Späni in die Runde. Die BWT Bau AG habe es nur dank grossem Aufwand geschafft, die Lehrstellen zu besetzen, wie Jöhr meinte. «Schaut man die demografische Entwicklung an, wird das in Zukunft noch viel schwieriger.» Für Yunus Ruff wurde es im 10. Schuljahr erst so richtig klar, welche Ausbildung er verfolgen wollte. Eine Lehrstelle hatte er ursprünglich nicht erhalten, weil seine Mathe-Noten zu schlecht waren – wenige Jahre später wurde der ehemalige Mathe-Muffel Weltmeister. «Mir wurde irgendwann klar: Der Computer vereinfacht einem einiges in der Mathe. Vielleicht wurden einige Dinge wie Kopfrechnen in der Ausbildung überbewertet.» Bestimmte Aufgaben innert 5 Minuten nicht lösen zu können, heisse nicht zwingend, dass man dann kein Programm schreiben könne.

Akademisierte Vorbilder

Von Medien und Eltern werde vermehrt ein «akademisches Berufsideal» vermittelt: «Die Vorbilder der Jungen sind nicht Maurer oder Schreiner. Sie sind je länger, je mehr akademisiert: beispielsweise das Management.» Von Hand zu arbeiten, «unsere Umgebung zu gestalten», rücke immer mehr in den Hintergrund, so Ruff. Es müsse wieder ein Berufsstolz von den Berufsvertretern selber ausgehen.

Beat Rietiker meinte etwas überspitzt: Sogar ein Dummer könne es zu etwas bringen. Er habe schon immer gewusst, dass er Maurer werden wolle. «Bei mir kehrte sich das Blatt in der Lehre. Es machte mir Freude. Ich hatte einen guten Lehrbetrieb und einen nahen Arbeitsweg.» Nach dem Berufsabschluss hätten Lernende
einen riesigen Vorsprung punkto Lebenserfahrung als Akademiker.

Der Einblick in Lehrbetriebe, die Herausforderungen und Vorteile der Berufslehre waren auch ein Grund für Désirée Schiess und den KMU-Verband Winterthur und Umgebung, sich finanziell am Sendeformat zu beteiligen. «Unser Verband unterstützt den Anlass im Zusammenhang mit der Berufsbildung», sagt die Präsidentin. «Wir finden ‹KMU-DATE› ein gutes Gefäss, um einen anderen Zugang zu finden, um auf die Berufslehren aufmerksam zu machen.»

«Kinder sollten vielleicht die Angst vor dem Handwerk etwas verlieren.»

Beat Rietiker, Bauführer, BWT Bau AG in «KMU-DATE»

Angesprochen auf den Fachkräftemangel und die fehlenden Hände an der «Handwerker-Front», sprach Philipp Jöhr das Imageproblem der Baubranche an: «Kommt das nur von den dreckigen Händen, von Wind und Wetter?» Da spielten Medien, aber teilweise auch Signale der Sozialpartner mit, die ein negatives Bild vermittelten. Insbesondere Mitarbeiter fürs mittlere Kader seien schwierig zu finden – und nach 5 Jahren seien nur noch 30 Prozent auf dem Beruf oder berufsnah. «Wir müssen daher auch daran arbeiten, die Leute im Beruf zu halten.»

Damit Talente nachrückten, müssten Eltern vermitteln, «dass es okay ist, auch dreckige Hände zu bekommen», appellierte Bauführer Beat Rietiker an den kindlichen Entdeckungsdrang. «Die Kinder sollten vielleicht die Angst vor dem Handwerk etwas verlieren.» Schnuppern, etwas ausprobieren, «was übers Oberflächliche hinausgeht», sei das A und O für die Lehrstellenwahl.

Doch gerade Schulen interessierten sich zu wenig für die Berufslehre, bestätigten Ruff und Jöhr: Auf Anfrage des Baumeisterverbands, ihren Beruf vorzustellen, hätten nur sehr wenige Schulen reagiert. So bleibe es eine «hohe Kunst», erfolgreiches Employer Branding zu betreiben – etwa über die sozialen Medien und die Verbandsseiten – und das Image eines Berufs zu verbessern. Die Message von Philipp Jöhr an die Jugendlichen: «Glaubt an euren Weg. Versucht, Freude und Leidenschaft daran zu finden». Bestes Beispiel sei Yunus Ruff, der sein Ziel auf Umwegen erreichte.

Mark Gasser

Chefredaktor
Zürcher Wirtschaft

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