«Die Geschenkkarten boomten bei Lunch-Check »

Während Mitarbeitende sich im Homeoffice verpflegen und Betriebskantinen schliessen, florieren Lunch-Check-Guthaben: Die Mahlzeitenbeiträge, 1961 zur Unterstützung der Gastronomie geschaffen, haben sich auch während Corona bewährt. Trotz langem Beizen-Lockdown übertrafen die Umsatzzahlen 2021 alle Erwartungen. Wir sprachen mit Geschäftsführer Thomas Recher.

Bild Mark Gasser

Thomas Recher, wenn es einer weiss, dann Sie: Feines Essen schmeckt mit einem Gutschein noch besser als sonst. Kommt das den Gastronomen bei Lunch-Check entgegen?
Thomas Recher: Ja, denn auch heute noch sind unsere Genossenschafter ausschliesslich Gastronomen, und wir verfolgen das Ziel, kostengünstige Verpflegung für Mitarbeitende anzubieten. Mittlerweile sind es über 9000 Locations und rund 4500 Genossenschafter, aber dazu gehören auch grosse wie die Migros.

Der Ursprungsgedanke der Gründer 1961 war ja: Die Gastronomie stärken…
Recher: Damals spielte ja auch eine Rolle aus Sicht der Unternehmen, dass die Arbeitszeiten kürzer wurden und die Menschen keine Zeit mehr hatten, nach Hause zu gehen. So begannen Firmen, ihren Mitarbeitenden Gutscheine zuzustellen, um damit essen zu gehen. So musste jede Firma einen bilateralen Vertrag mit dem jeweiligen Gastronomen machen. Das war kompliziert, 30 verschiedene Gutscheine auszustellen. So gründeten die Gastronomen die «Organisation für Verpflegungsgutscheine» und mithin einen einheitlichen Gutschein, den sie den Firmen verkauften. Die Gastronomen konnten die Gutscheine bei einer zentralen Organisation – eben Lunch-Check – einreichen, welche das Geld wiederum auszahlte. Und so entstand unsere Organisation als Genossenschaft zur Unterstützung der Gastronomie.

Und wie viel Prozent des gesamten Gastroangebots in der Schweiz akzeptieren Lunch-Check als Zahlungsmittel?
Recher: Das ist schwierig zu sagen. Wir haben aber im vergangenen Jahr rund 125 Millionen Franken in Lunch-Check-Guthaben verkauft. Es gibt unterschiedliche Umsatzzahlen, wie viel ausgegeben wird für Gastronomie: Man spricht von 20 Milliarden Franken, aber da sind dann auch Hotels oder Kantinen dabei. Und es gibt natürlich Gastronomen wie in Zermatt, die fast ausschliesslich von Touristen leben und wenig profitieren von Lunch-Check Karten. Aber dann gibt es Restaurants in Zürich, die bis zu 70 Prozent ihres Umsatzes mit unseren Lunch-Check Guthaben machen. Doch auch im Touristenkanton Graubünden hatten wir vor anderthalb Jahren nur 25 Restaurants als Mitglieder. Nun sind wir bereits bei 320. Das hat auch damit zu tun, dass GastroGraubünden in Zusammenarbeit mit Lunch-Check eine lokale Geschenkkarte lancierte.

Wie gut wurde der Lunch-Check während Corona genutzt?
Recher: Über unsere offizielle Seite kann der Arbeitgeber Karten für seine Mitarbeitenden aufladen, meist geschieht dies monatlich. Da blieben die Zahlen stabil, mit leichtem Aufwärtstrend. Es kamen mehr Firmen hinzu, jedoch entschieden sich einzelne Firmen, deren Mitarbeiter im Homeoffice waren, wiederum für eine alternative «Homeoffice-Entschädigung».
Was aber wirklich boomte in den letzten zwei Jahren, waren unsere Geschenkkarten. Da, wo etwa ein Weihnachtsessen ausgefallen ist, wurden oft individuell gebrandete Geschenkkarten ausgestellt. Vor Corona machten wir damit etwa eine halbe Million Franken Umsatz, mittlerweile sind wir bei 6,3 Millionen. Die Solidarität mit den Gastronomen war auch im privaten Bereich hoch – privat wurden viele Geschenkkarten vergeben. So hatten wir gerade im November-Dezember vor den Festtagen jeweils eine Gutscheinflut und waren da personell voll ausgelastet.

Wie wird denn das gekaufte Lunch-Check-Guthaben abgerechnet?
Recher: Der Gastronom zahlt keinen Grundbeitrag, sondern erst seinen Anteil von 1.25 Prozent Kommission, sobald er Umsatz generiert. Wie bei einer Kreditkarte. Viele Gastronomen – Stichwort: Take Away – ermöglichen nun auch die Online-Zahlung mit der Lunch-Check-Karte. Andernorts sind wir noch am Verhandeln – es ist nicht ganz einfach, eine Schnittstelle zu schaffen.

Mittlerweile hat man ja eine aufladbare Kreditkarte. Früher waren es Marken, ähnlich den REKA-Schecks. Was hat die Änderung 2015 erzwungen?
Recher: 53 Jahre lang hatte man Märkli als Essensgutscheine. Als ich 2012 dazu stiess, war Coop eine der ersten Firmen, die mich zum Hauptsitz zitierte und androhte: Wenn ihr nicht aufhört mit den Märkli, steigen wir wegen dem logistischen Aufwand aus. Ein weiterer grösserer Kunde monierte, dass zwei Mitarbeitende jeweils zwei Tage pro Monat mit dem Verschicken der Marken an die Belegschaft beschäftigt seien. So war die aufladbare Karte die verträglichste Lösung.

Wie sieht Ihr Kundenkreis aus – besteht er hauptsächlich aus KMU?
Recher: Die Lösung ist vor allem für KMU sinnvoll, weil diese oft keine rentable Kantine betreiben können. Folglich ist die grösste Anzahl unserer Kunden im Bereich der Kleinstunternehmen, bis hin zur Ein-Mann-GmbH. Wir haben nun rund 1000 Firmenkunden, und 80 Prozent der Firmenkunden sind Klein- oder Kleinstunternehmen. Die einfache, gebührenfreie Abwicklung und die Möglichkeit, auf verschiedenste Arten die Karte zu laden, stellen für solche KMU eine tiefe Einstiegshürde dar.

In Zürich erhalten auch Verwaltungsangestellte Lunch-Checks. Gilt grundsätzlich, dass bei höherer Verwaltungsdichte auch mehr Lunch-Check-Guthaben verkauft werden?
Recher: Nein, das ist schweizweit eher die Ausnahme, dass Mitarbeiter von Kanton und Stadt Zürich die Lunch-Checks erhalten. Aber wir sind beispielsweise in Basel auch mit der Stadt in Verhandlung.
Die meisten unserer Kunden kommen aus der Privatwirtschaft. Und da Lunch-Checks vor allem in den Städten verwendet werden, wo Mitarbeitende über Mittag in der Stadt bleiben und einen Beitrag von ihrem Unternehmen fürs Essen erhalten, akzeptieren da mittlerweile gegen 90 Prozent der Restaurants die Karte. Auf dem Land isst man eher zu Hause – da sind Lunch-Check Beiträge weniger verbreitet. Ausnahmen sind Randregionen wie Schaffhausen, wo die eine oder andere internationale Firma angesiedelt ist. Dort könnte man es als Huhn-oder-Ei-Frage bezeichnen: Wo mehr Firmen Gutscheine an ihre Mitarbeitenden abgeben, akzeptieren auch mehr Restaurants die Lunch-Check Karten an.

Wie hoch ist der Betrag der Lunch-Check Beiträge, die im Schnitt ausgestellt werden?
Recher: Es ist aus Sicht der Unternehmen so, dass maximal 180 Franken Lohnbestandteil pro Monat und Mitarbeiter als Verpflegungsbeitrag von den rund 15 Prozent Sozialleistungen befreit sind. Und diese 180 Franken bestimmen meistens den Rahmen. Im Schnitt beträgt die monatliche Summe aber rund 140 Franken pro Firma und Mitarbeitende.

Die Mitarbeitenden quasi «in Naturalien» zu entschädigen, ist ja eigentlich ein sehr alter Gedanke. Doch wie handhaben das ausländische Firmen? Sehen sie den Sinn auch in den Lunch-Checks?
Recher: Durchaus. Gerade ausländische Firmen, die sich in Zürich niederlassen, kommen oft zu uns. In vielen Ländern hat das gemeinsame Essen eine viel stärkere Tradition als bei uns. Eine chinesische Bank fragte beispielsweise nach ihrer Niederlassung in Zürich sofort bei Lunch-Check nach. In Frankreich muss die Firma ab 50 Mitarbeitenden per Gesetz eine Entschädigung für die Verpflegung geben. Den Mitarbeitenden das Essen zu bezahlen, ist daher im Ausland öfter der Normalfall als bei uns.

Gibt es Branchen, die häufiger Lunch-Checks bestellen als andere?
Recher: Dienstleistungsbranchen sind häufiger vertreten als etwa Produktionsstätten – letztere haben ja oft auch Kantinen. Nun beobachten wir aber den Trend seit Corona, dass auch grössere Firmen, die ihre Kantinen nicht auslasten konnten und sie schliessen mussten – durchs Homeoffice verschiebt und dezentralisiert sich das vermehrt –, den Mitarbeitern selber durch Lunch-Checks vermehrt Verantwortung übertragen.

So kann man ja auch den heutigen Sonderwünschen und der Individualisierung beim Essen – laktosefrei, vegan, vegetarisch, nachhaltig, ohne Zusatzstoffe – gerecht werden.
Recher: Das ist so. Eine Kantinenverantwortliche rief mir einmal an und beschwerte sich, dass statt zwei Menus – eins mit Fleisch, eins ohne – nun ihre Menus auch vegane Ernährung, Kalorien, Fitnessteller, oder Nationalität beachten müssten. Eine unlösbare Aufgabe für die Betriebskantine: Sie wurde geschlossen.

Lunch-Checks können ja nicht nur am Mittag eingesetzt werden. Hat sich das Konsumverhalten – also Qualität, Menge, Tageszeit – der Konsumenten während Corona verändert?
Recher: Das können wir nicht alles ermitteln. Was wir aber feststellen: Man gönnt sich vielleicht, nachdem sich oft etwas angesammelt hat auf der Karte, etwas mehr, man isst gerne mal etwas teurer. Der Betrag pro Konsumation ist entsprechend leicht angestiegen. Gut möglich, dass dieser aber wieder sinkt. Nachdem im Frühjahr 2021 die Restaurants rund 5 Monate geschlossen waren, erzielten wir dennoch mehr Umsatz in den offenen 7 Monaten als im gesamten 2020. Auch anfangs 2022 spüren wir nach wie vor die Lust am Essen.

Wie funktionierte das Lunch-Check-System gerade während den Beizen-Lockdowns, als vielen die Liquidität fehlte?
Recher: Anfangs 2021 beispielsweise, als die Restaurants geschlossen waren, haben wir das Geld zwar von den Unternehmen erhalten, welche weiterhin Lunch-Check Guthaben aufgeladen haben. Dieses Geld konnten wir aber nicht den Gastronomen auszahlen, da niemand konsumieren konnte – aufs eingegangene Geld bezahlten wir Negativzinsen. Wir verdienen erst Geld, wenn wir es den Restaurants nach erfolgter Konsumation auszahlen können, die wiederum 1,25 Prozent des Umsatzes als Kommission abgeben. Diese Kommission ist eigentlich unser Verdienst. Vorher ist es einfach Fremdkapital, das wir verwalten. Am Ende hatten wir aber aus genannten Gründen ein sehr gutes Geschäftsjahr.

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