Die EM macht kaum hungriger

Ist der Durst nach kühlem Bier und der Hunger nach Grillfleisch mit Grossanlässen wie der Fussball-Europameisterschaft grösser? Eher nicht. Es sei denn, der Erfolg stellt sich ein und das Wetter spielt mit.

Bild zvg

«Kommt auch drauf an, wie sich die Nati schlägt»: Metzger Urs Schüpbach.

Es ist Fussball-Europameisterschaft, und alle sitzen schwitzend in der Sonne, trinken kühles Bier und essen Bratwurst, Steaks oder Spare Ribs vom Grill, während auf dem Grossbildschirm gekickt wird. So weit das Klischee.

Fragt man aber Metzgereien und Getränkehändler, so scheinen Grossanlässe mit viel Publikumsauflauf wie aktuell die Fussball-EM beim Absatz eher eine untergeordnete Rolle zu spielen. Bei der Metzgerei Niedermann aus Uhwiesen, die seit einigen Jahren auch in Schaffhausen präsent ist, heisst es auf Anfrage: «Wir durften ja immer mal wieder Grossanlässe bedienen. Wir spüren im Verkauf aber unter dem Strich in solchen Jahren keinen Unterschied», sagt Geschäftsführer Urs Schüpbach. «Für uns ist die Frage viel wichtiger: Wie verläuft der Sommer? Bei schönem Wetter hat die EM kaum einen umsatzsteigernden positiven Effekt. Denn die Kunden grillieren dann sowieso.»

EM kein Absatzgarant

Als Lieferant ist es Niedermann gewohnt, zusätzliche Anlässe zu bedienen. Dieses Jahr beliefert seine Metzgerei kein Public Viewing. Aber so oder so fielen oft bei grossen Sportereignissen andere Festivals oder Veranstaltungen weg, die er in anderen Jahren beliefere. So sorge die EM eben auch aus dieser Sicht nicht für einen Ausreisser beim Absatz.

Ähnlich klingt es beim Getränkehändler Getränke Köchli in Steinmaur. «Wir können dieses Jahr ein Public Viewing bedienen. Das wird aber nicht derart ins Gewicht fallen, dass wir 2024 wegen der EM gleich einen bombastischen Umsatz machen würden», heisst es auf Anfrage. Immerhin: Etwas mehr Durst erwartet der Händler schon als bei der Eishockey-Weltmeisterschaft, als einerseits das Wetter ziemlich trüb und nass war, und anderseits die Spiele oft bereits nachmittags stattfanden.

Es könne aber sein, dass der Abholmarkt von den vielen Daheimgebliebenen, die zu Hause die Spiele gucken, vermehrt aufgesucht werde. Letztlich komme es natürlich auch darauf an, wie die Schweiz spiele. Mit anderen Worten: Mit dem Erfolg kommt der Durst – beim Fussball noch eher als beim Eishockey.

Erfolg kann hungrig machen

Das Ganze sei sehr dynamisch, bestätigt Metzger Urs Schüpbach. «Es kommt drauf an, wie sich die Schweizer Nati schlägt. Da kann dann durchaus ein Hype entstehen – und dann kommt der Hunger nach Grillsachen.»

Für beide, Getränkehändler wie Metzger, gilt aber: Hitze ist ein guter Absatzmotor – weit vor irgendwelchen Sportereignissen. «Bei Grillwetter wird mehr Fleisch konsumiert als bei Schlechtwetter», sagt Urs Schüpbach. Im vergangenen Jahr wurden im Spätsommer und Herbst der trübe Sommer kompensiert, insbesondere August und September liefen gut. «Und gibt es einen zu warmen Frühling, haben die Leute dann irgendwann auch genug. Ist der Sommer wiederum zu heiss, bricht der Absatz dann auch zusammen.» Das Sommerhalbjahr begann zwar auch sehr nass und kühl, doch im Unterschied zum vergangenen Jahr waren Feiertage wie Ostern, Karfreitag, Pfingsten, oder Auffahrt wet-termässig angenehm.

Schüpbach erinnert sich an andere «Problemjahre» aus Sicht der Grillfans, so etwa an den Hitzesommer 2018, als ein Grillverbot verhängt wurde. Damals setzte er fürs Catering auf Gasgrills. Ausserdem stieg die Nachfrage nach Produkten für Tischgrills.

Das bestätigt die Metzgerei Betschart in Wädenswil: Heute wichen viele auf Tischgrills aus, da diese bereits etabliert seien. Allgemein sei der Sommer jedoch mau angelaufen, das könne sich freilich mit etwas mehr Wetterglück noch ändern. Im Sortiment führt die Metzgerei auch zwei für die EM kreierte Produkte: den Hopp-Schwiiz-Spiess und den EM-Burger. Zwar erwartet die Metzgerei für die Ferienzeit etwas weniger Umsatz. Doch wenn die Turnier-Euphorie mit Erfolgen der Schweizer anhält, dürfte nicht nur das EM-Fleisch hoch im Kurs sein.

Mark Gasser

Chefredaktor
Zürcher Wirtschaft

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