Der digitale Wandel in der Berufsbildung
Wie lässt sich der digitale Wandel in den Berufsfachschulen vorantreiben? Christof Glaus, Pädagogischer ICT Supporter an der Berufsbildungsschule Winterthur (BBW), betreut Unterrichtsprojekte mit Zukunftstechnologien wie Chatbots, 3D-Brillen und Drohnen. Er berichtet über die Chancen und Herausforderungen des digitalen Wandels in der Berufsbildung.
5. Juli 2023
Lernende des Schreinerberufs an der BBW erkunden den dreidimensionalen Raum mit VR-Brillen.
von Susanne Lucca
Christof Glaus, die BBW ist eine der Berufsfachschulen, die sich für innovative Projekte im Bereich des digitalen Wandels stark macht. Sie sind als Pädagogischer ICT Supporter eine treibende Kraft hinter diversen Innovationsprojekten an Ihrer Schule. Was ist Ihre Motivation?
Christof Glaus: Wir bilden künftige Berufsfachleute aus. Es ist wichtig, dass die jungen Menschen für den Berufsalltag vorbereitet sind und digitale Hilfsmittel selbstverständlich nutzen. Am einfachsten geht das darüber, den digitalen Wandel im Schulzimmer erlebbar zu machen. Die Anwendung neuer Technologien im Berufskundeunterricht sensibilisiert die Lernenden dafür, welche Fähigkeiten ihnen dabei helfen, die Herausforderungen der Zukunft zu meistern. Und natürlich ebenso wichtig ist es, mit solchen Projekten die Freude an der Arbeit mit digitalen Hilfsmitteln zu fördern.
Welche Projekte an Ihrer Schule haben den digitalen Wandel im Unterricht besonders eindrücklich erlebbar gemacht?
Glaus: Wir haben diverse spannende Projekte umgesetzt. Die Lernenden der zweijährigen Lehre (EBA) zur Automobilassistentin oder zum Automobilassistenten beispielsweise haben einen eigenen Chatbot entwickelt, der andere Lernende im Betrieb durch kleinere Routinearbeiten wie Öl- oder Reifenwechsel führen soll. Die Lernenden haben in diesem Projekt nicht nur ein digitales Tool kennengelernt, sondern haben sich in der Rolle einer Entwicklerin oder eines Entwicklers noch vertiefter mit der Anwendung beschäftigt. So haben sie den Chatbot mit Hilfe von vordefinierten Modulen selbständig programmiert, haben Dialoge geschrieben und haben sich zum Einsatz und dessen Grenzen Gedanken gemacht. In einem anderen Projekt haben sich Lernende des Schreinerberufs mit den Chancen und Risiken der «Virtual Reality» (VR) und der «Augmented Reality» (AR) angeeignet. Bei der Virtual Reality handelt es sich um eine computergenerierte Umgebung, während bei der Augmented Reality durch das Einbetten digitaler Elemente in die echte Umgebung eine erweiterte, interaktive Version der Realität erzeugt wird. Die angehenden Schreinerinnen und Schreiner lernten diese Technologien aber auch ganz konkret mit VR-Brillen und AR-Apps kennen. Sie setzten die VR-Brille zusammen mit der App «Hegias» ein und gestalteten Räume in der virtuellen Realität Ebenso durften sie mit Hilfe einer spezialisierten App 360-Grad-Gegenstände zeichnen. Für die Lernenden war diese Annäherung an VR und AR nicht nur eine ganz neue Bewusstseinserfahrung, sondern auch eine kreative Herausforderung.
Haben Sie auch für die Zukunft Innovationsprojekte geplant?
Glaus: Ja, in diesem Schuljahr haben wir weitere Projekte im 3D-Bereich geplant. Beispielsweise werden angehende Maurerinnen und Maurer lernen, mit Hilfe von Drohnen Daten über dreidimensionale Räume zu gewinnen. Sie werden trainieren, wie man eine Drohne bedient und wie man die gewonnenen Daten ausliest. Die Lernenden erfahren, welche Rolle Drohnen in Zukunft in der Baubranche spielen können. Ebenso werden sie auf die rechtlichen Aspekte der Datengewinnung mittels Drohnen sensibilisiert. Es sind auch diverse Projekte geplant, die den Einsatz eines 3D-Scanners beinhalten, beispielsweise für das Ausmessen von Räumen.
«Die Lernenden bekommen das Rüstzeug, in der sich ständig wandelnden Welt bestehen zu können.»
Christof Glaus, Pädagogischer ICT Supporter BBW
Lohnt sich die Anschaffung von Hightechgeräten für die Schule?
Glaus: Hightechgeräte wie VR-Brillen oder 3D-Scanner sind kostspielig und die Wartung dieser Geräte erfordert zusätzlich einiges an Zeit. Deren Anschaffung muss also gut überlegt sein. Die Investition ist aber deshalb lohnenswert, weil so zukünftige Standardwerkzeuge des Berufsalltags im Unterricht trainiert werden. Damit werden die Lernenden so auf ihre künftige berufliche Realität vorbereitet, dass sie nicht nur zukunftsweisende Technologien kennen und anwenden können, sondern auch das Rüstzeug haben, in der sich ständig wandelnden Welt bestehen zu können.
Was sind die Erfolgsfaktoren für den digitalen Wandel in der Berufsbildung?
Glaus: Die Erkenntnis, dass jede und jeder an der Schule etwas zum digitalen Wandel beitragen kann, ist enorm wichtig. Wenn bei Lehrpersonen das Bewusstsein da ist, dass es sich immer lohnt, sich in neue Gebiete zu wagen, ist ein wichtiger Grundstein für Innovation im Unterricht gelegt. Nach einer gewissen Zeit werden solche Lehrpersonen ganz selbstverständlich zusammen mit den Lernenden neue elektronische Werkzeuge ausprobieren und damit den Lernenden die Chance geben, wichtige neue Kompetenzen zu erlernen. Auch Lernende, deren Neugier und Offenheit für neue Technologien und Methoden geweckt worden sind, können den Innovationsprozess mit ihren Erkenntnissen aus ihrem privaten oder beruflichen Umfeld beflügeln.
Wie geht es nach einem Innovationsprojekt weiter? Wie konkret fördert es den digitalen Wandel?
Glaus: Die BBW verfolgt das Ziel, dass die in den Projekten eingesetzten Technologien und die gewonnenen Kompetenzen möglichst für alle Berufsgruppen und Fachinhalte verfügbar werden. Wir haben lernen müssen, dass es sich nicht von alleine ergibt, dass die Erfahrungen weitergegeben werden und sich die angewendeten Technologien im Unterricht etablieren. Es benötigt Ausdauer, Überzeugungskraft, Geduld und Zeit, um die Chancen der Zukunftstechnologien intern bekannt zu machen und neue Anwendungsfelder im Rahmen des Unterrichts zu finden. Wenn die Beteiligten stetig kommunizieren und sich konsequent vernetzen, finden gute Projekte, welche Lernende auf die digitale Realität im Berufsalltag vorbereiten, allgemeine Anwendung. Immer wieder entsteht aus einem Projekt auch eine positive Dynamik: Durch das erfolgreiche Innovationsbeispiel werden alle Beteiligten ermutigt, über innovative Technologien in ihrem Beruf nachzudenken. Gewisse Lehrpersonen werden sich bewusst, dass sie aus ihrer Berufserfahrung bereits innovative Technologien kennen. Einige Innovationsprojekte an der BBW wurden auch tatsächlich durch Lehrpersonen initiiert, welche innovative digitale Hilfsmittel oder Methoden aus ihrer beruflichen Praxis in den Unterricht einbringen wollten. Auf diese Weise schreitet digitale Wandel der Berufsbildung stetig voran.
Info
Kommentar von Niklaus Schatzmann, Leiter Mittelschul- und Berufsbildungsamt
Digitale Kompetenzen sind heute praktisch in jedem Beruf gefragt. Wer sich in der digitalen Welt nicht auskennt, ist ziemlich schnell abgehängt. Auch die meisten Handwerksberufe können inzwischen nicht mehr auf digitale Hilfsmittel verzichten. Und die digitale Entwicklung schreitet weiter rasant voran. Unser Alltag wird in Zukunft noch digitaler. Längst geht es nicht mehr nur um den kompetenten Einsatz von Computern und Handys. Moderne Konditorinnen und Konditoren lassen sich zum Beispiel Schokoladenverzierungen vom 3D-Drucker erstellen. Oder in der Baubranche kann ein Vorhaben zuerst im digitalen Raum visualisiert werden, bevor es gebaut wird. Umso wichtiger ist es, dass die angehenden Berufsleute eine fundierte digitale Ausbildung erhalten. Innovative Projekte wie diejenigen der Berufsbildungsschule Winterthur sind eine wertvolle Bereicherung: Sie ermöglichen den jungen Menschen, moderne digitale Tools direkt für konkrete Aufgaben in ihrem Berufsfeld einzusetzen. Das nimmt ihnen zum einen die Berührungsangst und zeigt ihnen zum anderen sehr praxisnah die Chancen und Risiken solcher Technologien auf.
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Kommentar von Niklaus Schatzmann, Leiter Mittelschul- und Berufsbildungsamt
Digitale Kompetenzen sind heute praktisch in jedem Beruf gefragt. Wer sich in der digitalen Welt nicht auskennt, ist ziemlich schnell abgehängt. Auch die meisten Handwerksberufe können inzwischen nicht mehr auf digitale Hilfsmittel verzichten. Und die digitale Entwicklung schreitet weiter rasant voran. Unser Alltag wird in Zukunft noch digitaler. Längst geht es nicht mehr nur um den kompetenten Einsatz von Computern und Handys. Moderne Konditorinnen und Konditoren lassen sich zum Beispiel Schokoladenverzierungen vom 3D-Drucker erstellen. Oder in der Baubranche kann ein Vorhaben zuerst im digitalen Raum visualisiert werden, bevor es gebaut wird. Umso wichtiger ist es, dass die angehenden Berufsleute eine fundierte digitale Ausbildung erhalten. Innovative Projekte wie diejenigen der Berufsbildungsschule Winterthur sind eine wertvolle Bereicherung: Sie ermöglichen den jungen Menschen, moderne digitale Tools direkt für konkrete Aufgaben in ihrem Berufsfeld einzusetzen. Das nimmt ihnen zum einen die Berührungsangst und zeigt ihnen zum anderen sehr praxisnah die Chancen und Risiken solcher Technologien auf.