Bauen mit Holz? Mit Pilzen? Prima. Gern auch mit neuen Ideen

Wir landen heute überall am selben Punkt: Müssen wir unseren Lebensstil ändern – oder kriegen wir die Kurve dank neuer Technik? Weniger fliegen – oder in Flugzeugen mit Wasserstoff? Treibhausgase reduzieren – oder sie absaugen? Plastik verbieten – oder plastikfressende Motten züchten?

Auf dem Bau läuft die technische Erneuerung an, Motto «Hoch hinaus mit Holz»: Hölzerne Hochhäuser wachsen in den Himmel, in Wien, Hamburg, Barcelona, Zug, Rotkreuz. Winterthur plant gerade das Holzhochhaus «Rocket», hundert Meter hoch, für 255 Wohnungen. Holz, der alte Rohstoff, erlebt seine Renaissance, da spielen Ökologie und Ökonomie Hand in Hand. Auch weil Holz ein geringeres Gewicht hat als Beton, also geringere Fundamente braucht, das spart Beton – und natürlich Kosten.

Leicht utopisch wirkt die Maxime «Aus Pilz gebaut». Und doch wird bereits erfolgreich experimentiert: Häuser komplett aus Myzelium, dem Wurzelwerk von Pilzen. Der nachwachsende Rohstoff ersetzt Beton wie Styropor und endet auf dem Kompost – der perfekte Baustoff für eine Zukunft mit Klimawandel und sich häufenden globalen Krisen. Schon weil er Beton spart: Allein die Herstellung seines Bindemittels Zement verpufft acht Prozent der weltweiten CO2-Emissionen; zudem wird Sand, elementar für Beton, Mangelware. Von Stahlbeton nicht zu reden, er macht viele Länder von Importen abhängig.

Kurz und schön: Die Zukunft der Baustoffe hat begonnen. Es wird immer klarer, womit wir künftig bauen. Was prima Gelegenheit gäbe, darüber nachdenken, was wir bauen wollen. Ich hörte kürzlich Francesco della Casa zu; der Genfer Kantonsarchitekt legte dar, wie wir an einer neuen gesellschaftliche Zukunft bauen sollten: «Wir müssen lernen, wieder miteinander zu leben.» Na ja, denkt man, tönt nach Kalenderspruch. Doch es ist wohl einfach wahr. Das glaube sogar ich, definitiv nicht der WG-Typ, ich wohne zu zweit in einem sehr geräumigen Haus aus der Jugendstilzeit. Doch wenn ich im Zug durchs Mittelland fahre, links und rechts die Überbauungen sehe, dann frage ich mich oft: Was wollen wir eigentlich? Die Botschaft der Bauten ist deutlich: Wir wollen kein Dorf sein, kein Quartier, keine Gemeinschaft. Wir wollen uns separieren, jeder für sich, jeder in seinen eigenen vier Wänden. Wir denken in Höhlen – das Leben als Privatbetrieb, Sehnsucht: Eigenheim plus Offroader.

Die meisten Wohnungen, die aktuell gebaut werden, folgen dem separatistischen Trend. Einem kollektiven Leben sind sie abgeneigt, rein formal gedacht, auf Repräsentation entworfene Bauhüllen, meist im Einheitsstil des Schachtelbaus, austauschbar, gesichtslos. Kurz, sie entspringen dem Reissbrett, nicht dem Nachdenken über das vertrackte «soziale Wesen» Mensch.

Schöner wohnen? Ist erreicht. An der Zeit wäre: Besser wohnen! Also bauen, um ein Maximum an Leben zu ermöglichen. Nicht bloss, damit wir alle uns einzeln feudal verkriechen können. Dass ein Leben als Privatbetrieb nicht taugt, wissen wir doch spätestens seit Corona.

Ludwig Hasler

Philosoph, Physiker, Autor und Menschenkenner lhasler@duebinet.ch

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