Angehende Sportstars als Aushängeschild fürs KMU

Wer im Spitzensport Karriere machen möchte, braucht einen flexiblen Arbeitgeber. Im Gegenzug bringen junge Sportler Fähigkeiten mit, von denen auch ein KMU profitieren kann.

Bild Halter AG

Ronja macht eine Ausbildung zur Kauffrau bei der Halter AG in Schlieren. Das Unternehmen bildet insgesamt vier Leistungssportler aus!

Der 18-jährige Till* gilt als hoffnungsvolles Fussballtalent und spielt seit vielen Jahren im Juniorenteam eines erfolgreichen Fussballclubs. Trotz seinen Ambitionen einst vom «Tschutten» leben zu können, ist er sich bewusst, dass er ein zweites Standbein braucht – falls etwas «schiefläuft», wie er sagt. Nach der obligatorischen Schulzeit hat er sich deshalb für eine KV-Lehre in einem KMU entschieden – einen Lehrbetrieb zu finden, der bereit war auf seine speziellen Bedürfnisse Rücksicht zu nehmen, war allerdings nicht so einfach. Denn, jemanden einzustellen, der im Spitzensportler aktiv ist, erfordert viel Flexibilität und gegenseitiges Vertrauen. «Reduzierte Arbeitszeiten, kurzfristige Arzttermine, Trainingslager – das alles gehört dazu, wenn man eine Leistungssportlerin ausbildet», sagt Maya Diggelmann, von der Turicum Treuhand-und Steuerberatungsgesellschaft in Zürich. Ihre Lernende, die eine Ausbildung zur Kauffrau macht, ist ein hoffnungsvolles Volleyballtalent. Die Arbeitszeiten würden jeweils auf die Trainingseinheiten abgestimmt, ebenso würden für Trainingswochen spezielle Regelungen getroffen werden. «Es ist auch ein Goodwill des Arbeitgebers, dass er dem Lernenden den branchenüblichen Lehrlingslohn bezahlt, obwohl dieser weniger am Arbeiten ist als ein Lernender ohne Leistungssport», betont Diggelmann.

Gemeinsam Vereinbarungen treffen

In der Schweiz gibt es aktuell mehr als 370 Betriebe, die die Vignette «Leistungssportfreundlicher Lehrbetrieb» von Swiss Olympic tragen. Ein solches Label bekommen Lehrbetriebe, die ihren Auszubildenden parallel zur beruflichen Grundbildung eine Leistungssportkarriere ermöglichen. Voraussetzung ist, dass der oder die Lernende im Besitz einer Swiss Olympic Talent Card ist. Diese zeichnet Athleten für international erbrachte Wettkampfleistungen und für vorhandenes Potenzial aus. «Abgesehen von der Talent Card geben wir keine Richtlinien vor», sagt Marina Wälti von Swiss Olympic. So müssten die Betriebe gemeinsam mit den Lernenden eine individuelle Zusatzvereinbarung erstellen, wo wesentliche Punkt geklärt werden. «Dazu gehören etwa regelmässige und unregelmässige Abwesenheiten, ebenso wie individuelle Ferienvereinbarungen. Schliesslich sollen die Lernenden nicht alle Ferien für den Sport einsetzen müssen», so Wälti. Zugleich müsse sichergestellt werden, dass die wöchentliche Belastung von Training, Berufsschule und Arbeit für den Lernenden zu bewältigen ist. Denn, die Belastung ist für die Sporthoffnungen gross.

«Die Vignette von Swiss Olympic ist ein gutes Aushängeschild»

Für ein KMU ist die Anstellung eines Spitzensportlers mit einigen Herausforderungen verbunden. Aber: Die Unternehmen erhalten als Arbeitskräfte Athleten, die sich schon gewohnt sind, strukturiert und diszipliniert durchs Leben zu gehen. Sie wissen, wie man langfristig plant, sich motiviert, Leistung erbringt und nach Niederlagen wieder aufsteht. Eigenschaften, die auch fürs Berufsleben wichtig sind. Zugleich treffen viele Betriebe die Vereinbarung, dass sie ihre Lernenden, möglicherweise angehende Federers, Odermatts oder Colognas, für Marketingzwecke einsetzen dürfen. «Ob als Kleber am Eingang zum Geschäft, als Logo auf dem Briefpapier oder auf der eigenen Website: Die Vignette von Swiss Olympic ist ein gutes Aushängeschild, mit dem sich ein KMU auch als Arbeitgeber profilieren kann», betont Wälti.

Ohne Kommunikation funktioniert es nicht

Doch nicht immer läuft alles reibungslos. Till hat seine Lehrzeit inzwischen beendet, allerdings musste er dafür seinen ursprünglichen Lehrbetrieb wechseln. Es kam zu Spannungen durch Tills häufige Abwesenheit. «Die Kommunikation war nicht optimal, auch von meiner Seite. Hinzu kamen öfters kurzfristige Termine und zeitintensivere Trainings. Ich habe mich von meinem Arbeitgeber nicht unterstützt gefühlt», sagt Till. Dass die hohe Anforderung an Flexibilität auch ein Unternehmen an die Grenzen bringen kann, ist nachvollziehbar. Schliesslich bleibt Arbeit liegen, Kollegen müssen einspringen, Kosten entstehen. Trotz diesem Zusatzaufwand zeigen Umfragen aber auch: Die überwiegende Mehrheit der Betriebe macht positive Erfahrungen.

*Name von der Redaktion geändert

Die Halter AG in Schlieren bildet gleich vier Athleten aus. Florence Schluep ist die Betreuerin der beiden Nachwuchshoffnungen.

Wie gestaltet sich die Anstellung von Lernenden, die im Leistungssport aktiv sind?
Im Unterschied zu regulären Lernenden, sind die Leistungssportler nicht beim Betrieb direkt angestellt, sondern über eine der Partnerschulen. Als Ausbildungsbetrieb unterzeichnen wir einen Zusammenarbeitsvertrag mit der jeweiligen Schule und eine Zusatzvereinbarung pro Lernenden. Der Ausbildungsablauf unterscheidet sich zudem in der Länge, da die Leistungssportler nur zwei Jahre im Betrieb sind und nicht drei. Dies hat wiederum einen Einfluss auf die Ausbildungsplanung in Bezug auf die Abarbeitung der Lernziele.

Wo liegen die Herausforderungen in der Ausbildung eines Sporttalents?
Das Zeitmanagement und die Planung der sportlichen und betrieblichen Verpflichtungen sind sicherlich die beiden grössten Herausforderungen, um eine Ausbildung nebst dem Leistungssport erfolgreich zu absolvieren. Als Ausbildungsbetrieb muss das Bewusstsein vorhanden sein, dass die Lernenden nicht gleich häufig anwesend sind wie reguläre Lernende und dass auch Zeit für das Lernen und die Individualtrainings eingeplant werden muss. Dies ist zudem von Sportart zu Sportart unterschiedlich, was ebenfalls in die Ausbildungsplanung miteinbezogen werden muss.

Wie kann die Zusammenarbeit zwischen Betrieb und Sportler gelingen?
Eine detaillierte Wochenplanung ist zentral. Hinzu kommt, dass die Trainingszeiten bzw. das Trainingsvolumen auch kurzfristig geändert werden können. Daher ist eine transparente und regelmässige Kommunikation zwischen den Betrieben und den Lernenden essenziel. Als Ausbildungsbetrieb gehört es auch dazu, das mentale Befinden der Lernenden zu überwachen und gegebenenfalls Anpassungen am Arbeitseinsatz vorzunehmen, sollte dies notwendig sein.

Welche Erfahrungen haben Sie gemacht?
Wir haben viele sehr positive Erfahrungen gemacht. Die Lernenden spüren, wenn ein Betrieb Freude am Ausbilden hat und kommt im Gegenzug motivierter und wissenshungriger zur Arbeit. Zudem sind Leistungssportler im Naturell bereits sehr pflichtbewusst und in den meisten Fällen auch schon Teamplayer.

Anna Birkenmeier

Redaktion Zürcher Wirtschaft

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