Knigge-Coaches: Akute Nachhilfe in Kleidung, Auftreten und Kundenansprache

Statt Tischmanieren mit ihren Kunden zu büffeln, sind Knigge-Coaches in Zürich heute vor allem mit Themen wie Wertschätzung und Sozialkompetenz beschäftigt. Denn da hapert es bei so manchen Unternehmen.

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Korrekte Kundenansprache und Kleidung im Businessalltag: Zürcher Knigge Coaches stellen eine Zunahme bestimmter Anfragen fest.

Adolph Franz Friedrich Ludwig Freiherr Knigge wurde vor allem durch seine Schrift «Über den Umgang mit Menschen» bekannt. 1788 veröffentlichte er das Buch, in dem er an den toleranten, respektvollen Umgang appelliert und ein Bewusstsein für Akzeptanz zu schaffen versucht. Sein Name steht heute eher irrtümlich für Benimmratgeber. «Ihm ging es nicht um Regeln, sondern um Aufklärung», sagt etwa Barbara Suter. Sie ist seit 9 Jahren mit ihrer Firma «Image und Stil» in Zürich selbständig, gibt seit 30 Jahren Knigge-Unterricht und bietet als Knigge-Coach Schulungen in Auftittskompetenz, Restaurant-Benimm, Verkaufsschulungen und professionellem Umgang mit Kunden an. Und die Präzisierung ist ihr wichtig: «Knigge wollte den Leuten bewusst machen, dass das richtige Verhalten in erster Linie dazu dient, sich im Umgang miteinander wohlzufühlen. Er appellierte an die innere Einstellung, an den respektvollen und toleranten Umgang miteinander.»

Knigge ging es also in erster Linie um Sozialkompetenz – und die ist heute wichtiger denn je. Und wichtiger, als starre Regeln zu vermitteln – davon ist auch Susanne Abplanalp, Geschäftsführerin von «Knigge Today» in Zürich, überzeugt. Heute werde im Geschäftsleben nicht mehr so hierarchisch geführt, Kleidervorschriften seien lockerer geworden. Die Nachfrage nach Tischmanieren und Dresscode habe abgenommen. Dafür habe sich das Interesse an wertschätzendem Verhalten an Sitzungen, Smalltalk und Körpersprache verstärkt. «Es ist mein Ziel, dass man wegkommt vom Verständnis von Knigge mit fixen Regeln, mehr in Richtung Sozialkompetenz, Wertschätzung, emotionale Intelligenz», sagt Abplanalp. In einer Welt, in der die Technologien unser Leben immer mehr beeinflussen und Dienstleistungen immer schneller erbracht werden müssen, sind zwischenmenschliche Werte und ein professionelles Auftreten sowie authentischer Umgang wichtiger denn je. Nur: Bei sozialem Umgang und Verhaltensmustern hapert es gerade heute mehr denn je. Daher geht auch Knigge-Schulungen und -Weiterbildungen die Arbeit nicht aus.

Baustelle Kundenkontakt

Barbara Suter von der Firma «Image und Stil» stellt eine bemerkenswerte Zunahme gewisser Anfragen fest: «Vor 20 Jahren kam niemand auf Idee, mich zu engagieren, um den Mitarbeitenden beizubringen, wie man mit Kunden spricht. Und nun erhalte ich sehr häufig Anfragen für Schulungen zur sogenannten Kundenansprache», sagt sie. Heute realisierten viele nicht, dass es einen Unterschied gibt zwischen Alltags- und Businesssprache. Vorwiegend seien jüngere Personen für ihre Kurse angemeldet. «Es kann aber auch sein, dass ein Maler oder ein Schreiner plötzlich Kundenkontakt hat. Dann muss die Person, die früher eher in der Werkstatt tätig war, im Umgang mit Kunden geschult werden.» Ausdrücke wie «krass», «so gut» oder «mega» in ständiger Wiederholung gehörten nicht zur Kundenkommunikation.

Schon immer seien aber klassische Verhaltensregeln im Geschäftsalltag gefragt gewesen: Wie stelle ich mich vor, wie wird begrüsst, wem wird wann die Türe aufgehalten, wer gibt wem den Vortritt, wie verhält man sich an Sitzungen und Konferenzen – das Allgemeinwissen, wer welche Privilegien hat, sei immer aktuell. «Es handelt sich dabei um die sogenannten Knigge-Basics», so Suter.

Restaurantbesuche gab es schon immer, da könne es hilfreich sein, wenn man wisse, wohin die Serviette gehört. Neuere Phänomene sind indes Flying Dinner und Networking. Dazu stellten sich Detailfragen: Wie netzwerkt man beim Apéro? Wie komme ich in ein Gespräch? Wie komme ich wieder heraus? Was mache ich mit all den Visitenkarten?

Zur positiven Kundensprache gehörten gemäss Suter auch einige Marketingtricks. Man sage oft: Es ist kein Problem. Somit stellt sich dem Kunden unbewusst die Frage: Gab es denn ein Problem? Auch ist es in der Verkaufssprache wenig hilfreich, Ja-Nein-Fragen zu stellen: Wollen Sie noch ein Dessert? Wollen Sie die Applikation XY? Besser: Möchten Sie ein hausgemachtes Schoggi-Mousse oder ein zart schmelzendes Grand-Manier-Parfait?

Auftrittskompetenz ist lernbar

Was Knigge-Coaches auch feststellen: Die Auftrittskompetenz – also das Bewusstsein für die adäquate Kleidung und passende Gesten, kurzum: für ein kompetentes Erscheinungsbild – ist trotz (oder gerade wegen) flexiblerer Kombinationsmöglichkeiten vermehrt verloren gegangen. Muss die Kappe wirklich Indoor getragen werden? Sind die löchrigen Jeans tatsächlich ein passendes Fashion Statement an einem Netzwerkanlass? Mit der Salonfähigkeit des Casual Look werde oft die feine Linie zur Geschmacklosigkeit übertreten. «Leider macht man sich heute nicht mehr so viele Gedanken darüber, welche Kleidung welche Wirkung hat», weiss Suter. Die Branchen, die bei ihr Hilfe suchen, sind Querbeet vertreten, Institutionen wie das Militär, die Polizei, aber auch Anwälte, IT-Unternehmen und Gastronomen gehören zu ihren Kunden.

Gerade in der Baubranche ist oft ein zu lockeres, zu kollegiales Verhalten feststellbar.

Susanne Abplanalp, Geschäftsführerin «Knigge Today»

Susanne Abplanalp, die seit über zehn Jahren Knigge-Kurse anbietet, stellt eine ähnliche Tendenz beim Umgang mit Kunden fest. «Die Erwartung an die Umgangsform bei einer Dienstleistung ist bei den Jüngeren weniger hoch als bei den Älteren», sagt Abplanalp, die mittels einer Marktstudie mit 921 Personen zu diesem Resultat kam. «Junge Berufsleute dürfen nicht davon ausgehen, dass der Kunde denkt wie sie, sondern dass Ältere möglicherweise höhere Erwartungen haben.»

Fehlverhalten korrigieren

Meistens falle Vorgesetzten ein Verhalten von Mitarbeitern auf, das sie störe. «Eine externe Sicht bringt dann immer auch noch so etwas wie ein Aha-Erlebnis mit sich», sagt Abplanalp. So gesehen, sei sie «wie der verlängerte Arm des Vorgesetzten. Aber dazu muss ich auch dahinterstehen können, wie der Vorgesetzte führt. Sonst nützt der Kurs nichts, wenn sie den guten Umgang erlernen und der Vorgesetzte es dann selber nicht vorlebt und umsetzt.» So bevorzugt sie, wenn die Vorgesetzten vorab ein detailliertes Briefing geben oder – noch besser – ebenfalls am Workshop (meist ein Tagesseminar) teilnehmen. Eben hat sie ein Seminar für Nachwuchskräfte einer Privatbank durchgeführt, in einer Woche schult sie Personal in der Baubranche und Gemeindemitarbeiter. «Eigentlich vermittle ich immer denselben Inhalt, aber immer angepasst an Situationen in den verschiedenen Berufen. Daher muss ich mich mit den jeweiligen Alltagssituationen auseinandersetzen.» Das Wording ist in einer Schreinerei etwa ein anderes als auf einer Bank. Aber immer geht es um den Kunden. «Gerade in der Baubranche ist oft ein zu lockeres, zu kollegiales Verhalten feststellbar. Da ist es wichtig, dass es professionell bleibt – gerade bei diesem enormen Preiskampf. Und mit wertschätzendem Verhalten kann man auch die Kundenbindung beeinflussen.» Sympathie zähle oft mehr als Fachkompetenz.

Kulturelle Gräben überwinden

Auch Hanspeter Vochezer gibt klassische Business-Knigge-Trainings für diverse Branchen: Banken, Kliniken, Privatjet-Firmen, Superjachten, Automotive Companies, Industrielle oder der Detailhandel greifen auf seine Beratungen zurück. Das Grundgerippe sei aber immer das gleiche. «Danach passt man es natürlich an die verschiedenen Branchen an», erklärt Vochezer. Er nennt nebst der Sozialkompetenz einen weiteren Faktor für Missverständnisse und Tücken bei Beziehungen zwischen Firmen oder zu Kunden: die kulturellen Unterschiede. So hilft er unter anderem mit seinen Knigge-Schulungen, bei Treffen Fauxpas, die ihre Ursache in unterschiedlichen kulturellen Verwurzelungen haben, zu verhindern.

Beim Knigge-Kurs motzen alle. Aber wenn sie sagen: Wir haben einen Butler, der Auftritts- und Wirkungskompetenz schult, finden das die Leute sexy.

Hanspeter Vochezer, Geschäftsführer Knigge Coaching und Swissbutlers

Seine Business-Knigge-Schulungen umfassen unter anderem die Körpersprache, die verbale Kommunikation, oder die Begrüssung von Kunden. Eher fachspezifische Schulungen seien Verhaltensregeln für besondere Settings – etwa auf Superjachten: Wie wird der Cocktail serviert, das Bett korrekt gemacht? «Interkulturelle Aspekte kommen aber in jeder Branche zum Tragen. Die Schweiz ist das globalisierteste Land der Welt», sagt Vochezer. Gerade um den Zürichsee flössen meist interkulturelle Aspekte in die Geschäftsbeziehungen ein. Aber Verhaltensregeln träfen grundsätzlich auch jeden Verein – so haben Sportschützen wie Fussballvereine ihre eigenen Codes, die ihren Umgang definieren. Wie stösst man etwa beim Bier an? Das richtige Verhalten kann Stirnrunzeln der Vereinskollegen vermeiden. «Das Thema ist grundsätzlich insofern spannend, als dass Business-Knigge jeden von uns betrifft. Denn man kann nicht nicht wirken», sagt daher Vochezer.

Oft überlappten die Inhalte, die der gelernte Butler in seinen beiden Unternehmen, «Knigge Coaching» und «Swissbutlers», vermittelt. Doch er sagt: «Viele Firmen wollen nicht nur einen Knigge-Coach, sondern sie lassen einen Butler kommen, um die Schulung intern der Geschäftsleitung gegenüber besser zu verkaufen. Beim Knigge-Kurs motzen alle. Aber wenn Sie sagen: ‹Wir haben einen Butler, der Auftritts- und Wirkungskompetenz schult›, finden das die Leute sexy.»

Mark Gasser

Chefredaktor
Zürcher Wirtschaft

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