Teamevents und deren Sinnhaftigkeit

Der verunglückte Teamevent der Goldbach Group, bei dem sich Dutzende Mitarbeitende die Füsse verbrannten, brachte die Diskussion über Sinn und Unsinn von Teambildungsmassnahmen ins Rollen.

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Nicht jeder Event stärkt auch die Gruppendynamik, sagen Experten.

Da hat man sich nicht nur die Finger, sondern wortwörtlich auch die Füsse verbrannt. Der Teamevent der Goldbach Group, bei dem ein gemeinsamer Lauf über brennende Kohlen den Teamgeist fördern sollte, endete mit rund 30 Verletzten, einem Grossaufgebot an Rettungskräften, 13 Einweisungen ins Spital – und einer Menge schlechter Publicity.
Doch nicht nur Feuerlaufen scheint zusammengewürfelte Teams zusammenzuschweissen. Ob River Rafting, Fallschirmsprünge oder abenteuerliche Bergtouren: Immer wieder hört man von ausgefallenen Teamevents. Doch hilft es tatsächlich, sich mit Arbeitskollegen waghalsig von einer Klippe abzuseilen, um sich bei der gemeinsamen Arbeit im Büro besser zu verstehen?

Mut alleine stärkt kein Team
Die Haupttugend, die bei solchen Events an den Tag gelegt werden muss, ist Mut. Mut, sich zu überwinden, über die glühenden Kohlen zu gehen, einen Berggipfel zu erklimmen oder wildes Wasser zu bezwingen. Genau das wurde in den heftigen, sogar internationalen Reaktionen auf den Goldbach-Event am meisten kritisiert. Mut aufzubringen ist nicht per se teambildend. Besser wäre, wenn eine Gruppe gemeinsam Dinge erarbeitet und sich so besser zu verstehen lernt. So eignen sich Aktivitäten und Aufgaben, die von Expertinnen und Experten eigens auf zusammengewürfelte Gruppen und Teams ausgelegt und für sie entwickelt wurden. Beispielsweise als Team gemeinsam ein Floss zu bauen, um damit anschliessend einen Fluss überqueren zu können.
Ist das Gewässer erst einmal erfolgreich überquert respektive der Teamevent vorbei, müssen die gemeinsamen Erlebnisse und Erfahrungswerte in den Alltag übertragen werden. Auch dazu braucht es Spezialistinnen und Spezialisten, die dafür sorgen, dass der teure Teamevent nicht nur ein hoher Kostenpunkt für die Firma wird, sondern sich auch tatsächlich auf die Zusammenarbeit auswirkt.

Fokus auf Kennenlernen
Ein solcher Experte ist der Fachmann für Management und Leadership Matthias Mölleney. Er hält eigentlich grundsätzlich viel von solchen Veranstaltungen. Allerdings müsse die Zielsetzung stimmen: «Meistens soll durch Teamevents das gegenseitige Vertrauen gestärkt werden. Viele Vorgesetzte sind der Meinung, dass das nur funktioniert, wenn sich alle Beteiligten auch sympathisch finden und sich anschliessend mögen.» Es sei aber besser, sich auf das gegenseitige Kennenlernen zu fokussieren. «Um das Vertrauen zu stärken, ist es völlig ausreichend, sich wirklich gut zu kennen.»
Wenn im Vordergrund steht, dass ich von meinem Arbeitskollegen weiss, was er an den Feierabenden und am Wochenende tut, wofür er sich interessiert und was seine Stärken und Schwächen sind, dann brauche es keinen Feuerlauf, der im schlimmsten Fall in die Hosen gehen kann. «Dafür gibt es andere, sehr viel besser geeignete Formate», so Mölleney weiter.

«Wenn es darum geht, Teams für besondere Leistungen eine ganz spezielle Anerkennung zu geben, machen solche Events Sinn. Die Erfahrungen daraus sind aber, wenn überhaupt, nur sehr schwer auf die betriebliche Realität übertragbar.»

Matthias Mölleney, Fachmann für Management und Leadership


Grundsätzlich will Mölleney Leitenden von KMU aber nicht von abenteuerlichen Events abraten. Gemeinsames River Rafting könne durchaus eine Bereicherung fürs Team sein. Nur müsse dann die Zielsetzung anders formuliert werden. «Wenn es darum geht, Teams für besondere Leistungen eine ganz spezielle Anerkennung zu geben, machen solche Events Sinn. Die Erfahrungen daraus sind aber, wenn überhaupt, nur sehr schwer auf die betriebliche Realität übertragbar.»

Oft ist Unterstützung nötig
Sieht ein Geschäftsführer oder eine Geschäftsführerin in Punkto Teamwork Verbesserungspotenzial, gilt es also nicht, kopflos einen möglichst abenteuerlichen Ausflug auf die Beine zu stellen. Es sei wichtig, die Planung mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gemeinsam in Angriff zu nehmen und sich zu überlegen, was man eigentlich genau erreichen möchte, so Mölleney. Oft sei es ausserdem eine gute Idee, professionelle Hilfe mit ins Boot zu holen: «Es zahlt sich oft aus, einen Experten einzuladen, der die Möglichkeiten im Teambuilding und dessen Hintergründe genau erläutern kann.» Auf dieser Basis lasse sich noch besser abschätzen, welche Methode am besten geeignet ist, die gemeinsam definierten Ziele zu erreichen.

Kritik am Familiengedanken
Einer, der reichlich Erfahrung hat, immer wieder neue, projektbezogene Teams zusammenzustellen und der Teamgedanke auch bewusst zu fördern versucht, ist Michael Gassmann vom internationalen Softwareunternehmen Netcetera. Er meint: «Oft wird bei solchen bestimmt gut gemeinten, aber zu weiten Teilen halt auch unbedarften Veranstaltungen die Diversität der Teams sowie die Maturität der Teilnehmenden unterschätzt. Erwachsene lassen sich nicht gerne fremdbestimmen.» Und genau das passiere bei solchen Spielchen. Gassmann rät deshalb ganz grundsätzlich: «Hört auf, eine Familie sein zu wollen!» Die Basis performanter Teams sei zuallererst gegenseitiger Respekt, Neugier, eine gesunde Risikobereitschaft sowie individuelle Fähigkeiten. Denn ein Team habe ja in erster Linie die Aufgabe, Wert zu schaffen – und in zweiter Linie, sich kontinuierlich zu verbessern. «Auf diesen Themen soll ein Unternehmen unterstützen und mitlenken», so Gassmann.
Ein Teamevent kann also durchaus Sinn machen und die Zusammenarbeit im Büro fördern. Nur sollte man sich als Organisatorin oder Organisator eines solchen Anlasses nicht zu hohe Ziele setzen. Gerade bei einem frisch zusammengewürfelten Team sollte der Ansatz zuerst einmal sein, dass sich alle untereinander besser kennenlernen. Da helfen auch schon ein gemeinsamer Apéro oder ein Abendessen. Es muss nicht gleich ein waghalsiges Adventure-Weekend sein. So läuft auch niemand Gefahr, sich die Finger – respektive die Füsse – zu verbrennen.

Nicolas Brütsch

Redaktioneller Mitarbeiter Zürcher Wirtschaft

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