Arbeitsrecht: Restrukturierungen

In den Medien wird wieder vermehrt von Massenentlassungen berichtet. Das OR schreibt hierfür ein spezielles Verfahren vor, welches häufig auch bei Restrukturierungen von KMU zur Anwendung gelangt. Hält der Arbeitgeber dieses nicht ein, so sind die Kündigungen missbräuchlich.

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Ob eine Massenentlassung vorliegt, ist für den Arbeitgeber wichtig zu wissen.

Massenentlassungen

Für sogenannte Massenentlassungen schreibt das Obligationenrecht (OR) ein spezielles Verfahren vor. Gemäss diesem dürfen die entsprechenden Kündigungen erst ausgesprochen werden, wenn das vorgeschriebene Konsultationsverfahren korrekt durchgeführt worden ist. Die vom OR angesetzten Schwellen für die Anwendbarkeit des Massenentlassungsverfahrens sind tief angesetzt und betreffen häufig auch KMU.

Es ist damit für den Arbeitgeber von grosser Wichtigkeit zu wissen, ob in einem konkreten Fall allenfalls eine Massenentlassung vorliegt. Dies hängt von der Grösse des Betriebs und der Anzahl der Kündigungen ab. Als Massenentlassung gelten Kündigungen von (i) mindestens 10 Arbeitnehmern in Betrieben, die in der Regel mehr als 20 und weniger als 100 Arbeitnehmer beschäftigen; (ii) mindestens 10 Prozent der Arbeitnehmer in Betrieben, die in der Regel mindestens 100 und weniger als 300 Arbeitnehmer beschäftigen; (iii) mindestens 30 Arbeitnehmern in Betrieben, die in der Regel mindestens 300 Arbeitnehmer beschäftigen, sofern der Arbeitgeber diese Kündigungen innert 30 Tagen aus Gründen ausspricht, die in keinem Zusammenhang mit der Person des Arbeitnehmers stehen.

Konsultationsverfahren

Ein Arbeitgeber, welcher eine Massenentlassung beabsichtigt, hat die Arbeitnehmervertretung im Betrieb oder, falls es keine solche gibt, die Arbeitnehmer insgesamt zu konsultieren (Art. 335f OR). Zu konsultieren sind alle Arbeitnehmer im Betrieb, nicht nur die möglicherweise betroffenen. Diese Konsultation ist zwingend vor dem definitiven Entscheid über die effektive Aussprache der Kündigungen durchzuführen und abzuschliessen. Der Arbeitgeber gibt der Arbeitnehmerschaft dabei die Möglichkeit, Vorschläge zu unterbreiten, wie die Kündigungen vermieden oder deren Zahl beschränkt sowie ihre Folgen gemildert werden können. Missachtet der Arbeitgeber diese Vorschrift und führt das Konsultationsverfahren zu spät durch, d.h. nachdem er den Entscheid über die Durchführung der Entlassungen (mindestens faktisch) bereits getroffen hat, so sind die entsprechenden Kündigungen missbräuchlich und der Arbeitgeber hat den betroffenen Arbeitnehmern eine Entschädigung zu bezahlen.

Der Arbeitgeber muss der Arbeitnehmervertretung bzw. der Arbeitnehmerschaft zu Beginn des Konsultationsverfahrens alle zweckdienlichen Auskünfte in Bezug auf die geplante Massenentlassung erteilen und ihr schriftlich zumindest die in Artikel 335f Absatz 3 Buchstaben a-d OR vorgeschriebenen Informationen (u.a. Gründe der Massenentlassung, Zahl der betroffenen Arbeitnehmer) schriftlich mitteilen. Zugleich setzt der Arbeitgeber eine Frist an, damit die Arbeitnehmervertretung bzw. die Arbeitnehmer ihre Vorschläge zur Vermeidung oder Beschränkung der Kündigungen oder zur Milderung der Folgen einreichen können; in der Regel ist dabei eine Frist von 14 Tagen ausreichend. Allerdings gibt es auch Gesamtarbeitsverträge, welche eine längere Frist vorsehen. Eine Kopie dieses Informationsschreibens ist sodann an das zuständige kantonale Arbeitsamt zu schicken.

Allfällige Vorschläge, die seitens der Arbeitnehmervertretung bzw. der Arbeitnehmer eingehen, muss der Arbeitgeber zur Kenntnis nehmen und ernsthaft prüfen. Auch hier gilt, dass eine Verletzung der Rechte der Mitarbeiter dazu führt, dass die Kündigungen missbräuchlich sind. Erst nach der Prüfung der Vorschläge der Arbeitnehmervertretung bzw. der Arbeitnehmer und der entsprechenden schriftlichen Stellungnahme an das zuständige Arbeitsamt darf der Arbeitgeber die Kündigungen aussprechen.

Zu beachten ist schliesslich, dass den Arbeitgeber auch dann Informationspflichten gegenüber dem zuständigen Arbeitsamt treffen können, wenn die Schwellenwerte für eine Massenentlassung nicht erreicht werden.

Änderungskündigungen

In der Praxis häufig übersehen wird, dass die Vorschriften bezüglich Massenentlassung auch bei sogenannten Änderungskündigungen durch den Arbeitgeber zur Anwendung kommen. Eine Änderungskündigung ist die Kündigung des bestehenden Arbeitsvertrags, verbunden mit dem Angebot, einen neuen Arbeitsvertrag zu veränderten Bedingungen abzuschliessen.

Ein Arbeitgeber ist damit gut beraten, zu prüfen, ob eine Massen-Änderungskündigung effektiv erforderlich ist oder ob den Mitarbeitern nicht stattdessen neue Verträge – ohne Kündigung oder Androhung einer Kündigung – im Sinne einer einvernehmlichen Vertragsänderung unterbreitet werden können.

Fazit

Die Vorbereitung und korrekte Durchführung eines Massenentlassungsverfahrens ist komplex und führt (im Vergleich zu einzelnen Kündigungen) zu zeitlichen Verzögerungen. Angesichts der bei einer Massenentlassung bestehenden verschiedenen Stolpersteine in materieller Hinsicht und bezüglich des einzuhaltenden Verfahrens ist ein Arbeitgeber gut beraten, sich rechtzeitig mit den entsprechenden Fragen auseinanderzusetzen und das Verfahren und die zeitlichen Abläufe unter Beizug eines spezialisierten Rechtsanwalts genau zu planen.

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