City-Logistik: Geht es endlich vorwärts?

Im April 2021 haben wir an dieser Stelle mit «Shop & Drop» ein City-Logistik-Konzept vorgestellt, das dem stationären Handel im Zweikampf mit dem Onlinehandel zu längeren Spiessen verhelfen soll. Unbeantwortet blieb die Frage, wie ein solches Konzept zum Fliegen kommt. Solche Lücken will der Kanton Zürich nun schliessen.

Bild Adobe Stock/ Robert Kneschke

Das innerstädtische Gewerbe hat nur eine Chance, wenn der Einkauf zum Erlebnis wird.

Grafik Planzer KEP AG

Das Konzept «Shop & Drop» vereinfacht dargestellt.

Grafik zvg/Volkswirtschaftsdirektion Kanton Zürich

Statt dass alle dieselben Transportwege bewältigen, soll die kantonale Koordinationsstelle «Güterverkehr und Logistik» Kooperationen zwischen Logistikern und Verkehrsunternehmen fördern und helfen, durch gebündelte Touren den Verkehrsaufwand zu reduzieren.

Grafik zvg/Volkswirtschaftsdirektion Kanton Zürich

Entwicklung des Fahrzeugbestandes (Liefer-/Lastfahrzeuge) in der Schweiz.

Grafik zvg/Volkswirtschaftsdirektion Kanton Zürich

Entwicklung der Umsätze im Onlinehandel in Milliarden Franken.

Bis vor Kurzem galten gut gefüllte Regale und auf Knopfdruck verfügbare Lieferungen als Selbstverständlichkeit. Die vergangenen Jahre haben arg an dieser Gewissheit gerüttelt. Seien es die Lieferengpässe während Corona, seien es die zunehmenden Probleme in den globalen Lieferketten, die manches KMU zum Umdenken zwingen. Bis 2040 dürfte die Bevölkerung im Kanton Zürich zudem
um einen Fünftel wachsen – dies hauptsächlich im urbanen Raum. Dabei wird damit gerechnet, dass der Güterverkehr noch stärker wachsen wird als die Bevölkerung. Ein Grossteil dieses Wachstums wird durch den leichten Lieferwagenverkehr (<3,5 Tonnen) aufgefangen, hauptsächlich getrieben vom Onlinehandel. Die Zahl leichter Lieferwagen nahm seit 2005 um 57% zu. Dieser prognostizierte Mehrverkehr muss jedoch weitgehend auf den bestehenden Verkehrsflächen abgewickelt werden. Dies wiederum setzt verkehrliche Nebennutzungen an zentralen Lagen, insbesondere für logistische Bedürfnisse, unter Druck. Logistische Nutzungen werden so weiter in die Peripherie verdrängt, was die Transportdistanzen auf der Strasse verlängert und noch mehr Verkehr generiert. Ohne Umschlag- und Logistikflächen in den Zentren für die Feinverteilung wird es kaum gehen.

Entbündelte Logistik

Ein wesentlicher Treiber dieses Güterverkehrs ist der Onlinehandel. Dieser hat sich zwischen 2010 und 2020 umsatzmässig mehr
als verdoppelt. Mehr Onlinehandel bedeutet aber weniger gebündelte Anlieferungen an lokale Geschäfte, dafür mehr und schlechter gebündelten Verkehr in den Agglomerationen und Wohngebieten. Die Tendenz zum Verkürzen der Lieferintervalle und zu kleineren Sendungsgrössen führt zu einer weiteren Entbündelung – und damit zu mehr Fahrten, Staus und einer höheren Umweltbelastung. Der lokale Detailhandel droht, durch diese Entwicklung erheblich geschwächt zu werden.

Chancen durch Innovation

Diesen Herausforderungen stehen auch Chancen gegenüber. Zunächst werden die Fahrzeuge ökologischer und automatisierter. Zudem wird die Logistik durch Kooperationen, Digitalisierung und Automatisierung verändert und optimiert. Innovative City-Logistik-Konzepte wie das «Shop & Drop»-Konzept können so auf der Grundlage eines Kooperationsgedankens Sendungen verschiedener Anbieter bündeln, insbesondere auf der letzten Meile. Wenn der stationäre Handel den richtigen Zugang zu solchen Lösungen findet, kann ihm das auch helfen. Das Risiko von Monopolbildungen, staatlichen Eingriffen und neuen Abhängigkeiten ist aber gross.

Trotz interessanter Ansätze von Güterverkehrs- und Logistikakteuren ist die Bereitschaft für Kooperationen in der City-Logistik noch verhalten. Wie lange schon reden wir von smarten, intermodalen Logistik-Hubs, von einer Revolution auf der letzten Meile und dergleichen? Geschehen ist so gut wie nichts. Klar ist: So komplexe Systeme können nicht «von oben herab» planwirtschaftlich gesteuert werden. Etwas ernüchtert musste man in den letzten Jahren aber feststellen, dass auch der Bottom-up-Ansatz bisher kaum etwas verändert hat. Aufgrund der zahllosen Abhängigkeiten wartet jeder auf den anderen. Eine klassische Huhn-Ei-Problematik – wer will da schon investieren?

Kanton: Entwicklung befeuern

Hier greift das erste Güterverkehrs- und Logistikkonzept des Kantons Zürich ein, das die Volkswirtschaftsdirektion unter Carmen Walker Späh im September 2022 präsentiert hat. Es versucht, die Voraussetzungen zu schaffen für eine sichere, flächensparende und klimafreundliche Versorgung und Entsorgung im Kanton. Das Konzept mit Planungshorizont 2040 soll eine zentrale und verlässliche Grundlage für die Planungen von Kanton, Gemeinden und Dritten im Bereich des Güterverkehrs bilden, vor allem für Verkehrs-, Richt- und Nutzungsplanungen. Weiter soll es Grundlage für die Positionierung des Kantons im Rahmen der Planungen des Bundes sein.

Dabei versucht der Kanton erfreulicherweise gar nicht erst, selber in Branchen einzugreifen, von denen er zu wenig versteht. Vielmehr beschränkt er sich auf Aspekte, bei denen er günstige Voraussetzungen für ein koordiniertes Wirken der zahllosen Mitspieler schaffen kann. Es geht ihm darum, Logistikflächen raumplanerisch zu sichern und Anreize zu schaffen für eine zukunftstaugliche Güterlogistik, begleitet von einem geeigneten Monitoring.

Günstige Voraussetzungen

Das Güterverkehrs- und Logistikkonzept, für welches im Amt für Mobilität eine Koordinationsstelle «Güterverkehr und Logistik» als Ansprechpartner geschaffen wird, formuliert fünf Leitsätze (siehe Box), aus denen es Ziele und Strategien ableitet. Daraus resultiert eine Vielzahl von Handlungsschwerpunkten und Massnahmen. Einige Massnahmen sollen City-Logistik-Konzepten zum Durchbruch verhelfen – wichtige Bausteine, damit wohlklingende Konzepte wie «Shop & Drop» keine Papiertiger bleiben.

Andere Handlungsschwerpunkte befassen sich mit der Förderung von Umschlaganlagen Schiene–Strasse, der Standortsicherung für Umschlageinrichtungen, dem Güterverkehrsangebot durch die Bahn, der Verbesserung der Abfall- und Entsorgungslogistik, Optimierungen im Strassengüterverkehr oder der organisatorischen und rechtlichen Verankerung des Güterverkehrs. Dabei verhält sich der Kanton anbieterneutral. So lässt er etwa offen, ob er im Glaubenskrieg der übergeordneten Logistiksysteme eher auf «Cargo sous terrain» setzt, das insbesondere von Grossverteilern und der Post forciert wird, oder aber auf die oberirdische Variante «Suisse Cargo Logistics» von SBB Cargo, auf die viele grosse Logistiker wie Planzer setzen.

In diesem Spiel werden alle Akteure ihre eigenen Interessen verteidigen. Der lokale und insbesondere der stationäre Handel sind gefordert, sich jetzt in diese Konzepte einzubringen und ihre Position zu verteidigen. Andernfalls werden sie übergangen werden. Zum Schaden des gesamten Gewerbes, der Innenstädte und letztlich unserer Lebensqualität.

Das Konzept kann heruntergeladen werden unter https://bit.ly/3slHWnP

Marc Bourgeois

FDP-Kantonsrat, KMU-Unternehmer und Präsident des TCS Stadt Zürich

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